Coco Schumann - Der Ghetto-Swinger

  • Der Autor: Heinz Jakob - genannt "Coco" - Schumann spielte bereits in der Nazizeit als Jude den verbotenen Jazz, welcher ihn auch durch die gesammte Zeit der Nationalsozialisten begleitete. Er spielte in Theresienstadt und Auschwitz um sein Leben, wanderte nach dem Krieg in den 50er Jahren nach Australien aus, kehrte jedoch nach einiger Zeit nach Deutschland zurück


    Das Buch: "Ich bin ein Musiker, der in KZ gesessen hat, kein KZler, der Musik macht" (Coco Schumann)


    Coco Schumann entdeckt früh seine Liebe zum Jazz, er bringt sich das Gitarrespielen sowie recht rudimentär das Schlagzeugspielen bei und spielt in diversen Jazz-Formationen, auch als diese Musik unter den Nazis verboten oder zumindest als unerwünscht gebrandmarkt wird. Jazz symbolisiert die Freiheit und Individualität, entgegengesetzt zu den Gleichschaltungen einer Armee, das "Ich" steht in dieser Musik an erster Stelle, gefolgt von dem sich Unterordnen zugunsten eines gemeinsamen Ziels: Der Musik! ... Eine Idee, die den Nazi- Idealen diamentral entgegenlief.
    Er wurde gefasst und durchlief das gesamte Programm der Judenverfolgung und -Vernichtung. Er war in Theresienstadt, Auschwitz und wurde auf einem Todesmarsch von amerikanischen Truppen "befreit".


    1950 wandert Schumann nach Australien aus, wird dort jedoch nicht heimisch und kehrt nach Hause zurück, in das Land, welches alles versucht hatte ihn zu töten - nach Deutschland!


    Meine Rrezension: Ich habe mich mit der Geschichte des III. Reiches nur peripher beschäftigt - irgendwie blieb mir der Zugang zu dieser schwierigen Thematik verwehrt. Neben einigen recht sachlichen Gesamtdarstellungen waren es vor allem (Auto-) Biographien, mithilfe welcher ich mir einen Eindruck zu verschaffen versuchte.


    Das hier besprochene Buch war unter jenen sicherlich das eindrucksvollste! Ich fand es zufällig, etwas ganz anderes suchend.
    Die Suchmaschine von JPC war damals noch nicht so ausgereift, oder ich war zu doof sie zu benutzen, wie dem auch sei, ich suchte eigendlich nach Biographien von Jazzmusikern - und fand "Der Ghettoswinger"! Ich bestellte das Buch, begann zu lesen und war schon auf der ersten Seite den Tränen nahe!
    Die Aussagen, die dieser Mann dort machte - einer den Umzubringen sich Deutschland alle nur erdenkliche Mühe gegeben hatte - waren nur schwer zu verarbeiten.


    Es ist kein Buch über Jazz, es ist keine Musikerbiographie! Es ist die Geschichte eines Juden im III. Reich, der zufällig Jazzmusiker ist! Dieses Buch zeichnet den Weg nach, den ein Jude von der Machtergreifung bis zum Ende des Krieges und darüber hinaus zurücklegte - so er das Glück hatte zu überleben.
    - Schon das "J" im Ausweis gerät der junge Coco in eine Ausweiskontrolle - wenn die Polizei den Ausweis sieht, ist er drann, das ist ihm klar. Also geht er zum erstbesten Polizisten und fragt im breitesten berlinerisch nach einer Ardresse jenseits der Kontrollposten. Der Polizist gibt bereitwillig Auskunft und lässt den Jungen durch - ohne Kontrolle. Noch ist alles ein Spiel - ein gefährliches Spiel, aber irgendwie doch ein Spiel, wie Huck Finn schlängelt sich Schumann durch die Nazizeit. Bis er gefasst wird. Von Theresienstadt geht es nach Auschwitz, wo er irgedwie doch eine Klampfe auftreiben kann! Und er spielt - um sein Leben!
    "Sweet Georgia Brown" begleitet Fremde und Bekannte auf dem Weg in die Gaskammern - die Musik rettet Cocos Leben, doch viele andere ziehen vorbei in den Tod.


    Australien - Raus aus Deutschland. Doch die erhoffte Heimat finden die Schumans - Coco ist verheiratet - hier nicht. Sie kehern zurück nach Deutschland, in die Heimat die versucht hatte sie umzubringen.
    Ich habe recht unzusammenhängend einiges zu der Zeit zwischen 1933 - 1945 gelesen, doch kein Buch vermochte die Schrecken dieser Zeit so nah an mich heranzubringen wie die Autobiographie Coco Schumanns! Die Machtergreifung Hitlers, das "der hält sich nicht lange" durch all die Schrecken der Judenverfolgung - vom (wie Oben geschilderten) "Abenteuer" bis zum wirklichen Ernst der Lage, die Todeslager der Nazis - dem Leser bleibt hier wahrlich nichts erspart, er ist hautnah mit dabei.
    Schumann schreibt hier keine Anklage, er erzählt einfach wie es war, wie er es erlebt hat, und gerade das macht dieses Buch so unglaublich eindrucksvoll. Es ist Jahre her das ich es zum ersten Mal las - doch dieses erste mal ist mir immer noch in prägender Erinnerung. Wann immer das Gespräch auf das III. Reich kommt - dieses Buch ist plötzlich wieder da, der Eindruck dieser Lektüre beherrscht jedes Gespräch über dieses so schwierige Thema.
    Vor Allem die Tatsache, das Deutschland für Schumann immer noch, nach allem was er erlebt und erduldet hat, seine Heimat ist, treibt mir heute noch die Tränen in die Augen!
    Ein großes, ein eindrucksvolles Buch, dem ich viele, viele Leser wünsche - das Buch eines großen Menschen, und eines guten Gitarristen.
    Und irgendwie doch ein Buch über Jazz.

  • Zitat

    Original von Johanna
    Das klingt gut -mich interessiert ja genau die Thematik der Verfolgten im 3. Reich.
    Ich habe das Gefühl, ich sollte das Buch auch unbedingt lesen...


    Unter all den Büchern, die ich zu diesem Thema gelesen habe hat mich keines so beeindruckt und so mitgenommen wie dieses!


    Wenn ich zum Thema III. Reich ein Buch empfehlen sollte wäre es "Der Ghetto-Swinger"!

  • Hier mal in einem kleinen Ausschnitt Coco Schumann in action:
    http ://www .youtube .com/watch?v=Og-U-YHMZeQ&feature=related (bitte die drei Leerzeilen wieder hinzufügen)

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison