Kurzbeschreibung:
Als die beiden sich begegnen, haben sie schon so manches erlebt: Immer musste das Berliner Servierfräulein Lisa Gerber, die in den Harzer Bergen aufwuchs, für andere da sein. Bertie Lenz, der seine Kindheit und Jugend im Waisenhaus verbringen musste, lebt als Maurer zur Untermiete. Als er sich mit SA-Leuten anlegt, verhilft Lisa ihm zur Flucht. Dann steht er plötzlich vor ihrer Tür – und will nicht mehr fort. Doch bleibt ihnen für ihre Liebe nicht viel Zeit, denn 1939 beginnt der Krieg und ein Jahr später wird Bertie eingezogen und kommt nach Russland. Für Lisa beginnt die Zeit des Wartens. Ihre einzige Erinnerung an Bertie ist ein Kind, Manni, und ein kleines buntes Blechkarussell zum Aufziehen...
Zum Autor:
Klaus Kordon, geboren 1943 in Berlin, wo er heute als freischaffender Schriftsteller lebt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und zahlreich ausgezeichnet, darunter mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis für seinen Roman Krokodil im Nacken und die Biografie über Erich Kästner Die Zeit ist kaputt. Zuletzt veröffentlichte er den historischen Roman Im Spinnennetz. Für sein Gesamtwerk erhielt er den Alex-Wedding-Preis der Akademie der Künste zu Berlin und Brandenburg und den Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur.
Rezension:
In Das Karussell wird die Lebensgeschichte von zwei Personen erzählt: Herbert "Bertie" Lenz, der bereits als Kleinkind von seiner Mutter in die Obhut eines Waisenhauses gegeben wird, in dem strenge Sitten herrschen und er kaum Zuneigung erfährt und Lisa Gerber, deren Vater im 1. Weltkrieg fällt und die zusammen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern lebt. Die Mutter führt eine gutgehende Kneipe, bis es sie nach Berlin zieht.
Die Geschichte spannt sich von den frühen 1910er Jahren bis in die Nachkriegszeit und Klaus Kordon erzählt anhand des Romans vom Leben seiner Eltern. Kraftvoll und schonungslos berichtet er über die harten Kinderjahre von Bertie im Heim und auch von seinen Erlebnissen im 2. Weltkrieg an der Front. Nichts bleibt ungeschönt und Klaus Kordon verlangt dem Leser gerade in diesen Schilderungen sehr viel ab, was das Buch aber authentischer denn je wirken lässt.
Die Lebensgeschichte von Bertie und Lisa konnte mich sehr für sich vereinnahmen, da die beiden sehr sympathische Charaktere sind, die man sofort liebgewinnt und mit denen man in vielen Situationen mitleidet. Vor allem Bertie hatte es mir angetan, da er bis zum Kennenlernen mit Lisa nicht viel Schönes im Leben hatte. Aufgewachsen im Heim, Pflichtbesuche der Mutter, die neu geheiratet hat, ein weiteres Kind bekommt, aber den Sohn nicht bei sich haben will und das gefängnisähnliche Leben in der Einrichtung inklusive Züchtigung und Karzer (eine Art Arrestzelle bei ungebührlichem Benehmen) prägen ihn sehr.
Lisa hingegen ist ein resolutes Mädchen, das sich schon früh durchzusetzen versteht. In ihrer ersten Ehe mit Georg John, die von ihrer Seite mehr aufgrund freundschaftlicher Zuneigung denn Liebe zustandekommt, nicht komplett glücklich, erlebt sie erst nach dem Tod ihres Mannes mit Bertie ihr wirkliches Glück. Der 2. Weltkrieg allerdings befiehlt Bertie an die russische Front und somit beginnen für Lisa Jahre der Entbehrung, ein Leben zwischen Hoffen und Bangen um ihren geliebten Mann.
Mehr möchte ich von der Handlung nicht verraten, denn Das Karussell muss man einfach selbst gelesen haben. Selten konnte mich eine Lebensgeschichte so sehr begeistern, denn Klaus Kordon hat einen wunderbaren bildhaften Schreibstil, der auch sehr viel Wert auf Authentizität legt, indem er z.B. den Berliner Dialekt miteinfließen lässt, Straßen und Plätze namentlich erwähnt, als wäre der Leser selbst mit Bertie und Lisa unterwegs.
Mir hatte bereits sein Vorgängerroman Im Spinnennetz ungemein gut gefallen und genauso ging es mir wieder mit Das Karussell. Wer gerne über deutsche Zeitgeschichte, eingebettet in eine fesselnde Lebens- und Liebesgeschichte, liest, dem kann ich den vorliegenden Roman nur wärmstens empfehlen, der nicht nur für Jugendliche geeignet ist, sondern auch Erwachsenen durchaus gefallen dürfte.
Fazit: Das Karussell vereint eine rührende aber auch tragische Lebensgeschichte zusammen mit historischen Gegebenheiten aus den frühen 1910er Jahren bis hin zur Nachkriegszeit. Klaus Kordon konnte mich wiederum mit seinem wunderbaren Schreibstil begeistern, der bildhaft, ausführlich und authentisch ist. Ein wunderbares Buch!