Hirschgulasch - Lisa Graf-Riemann & Ottmar Neuburger

  • Kurzbeschreibung
    Die drei Kiewer Luba, Marjana und Wiktor erben eine Schatzkarte aus dem Zweiten Weltkrieg - aber der Schatz ist nicht in der Ukraine, sondern in Berchtesgaden vergraben. Um ihre Abenteuerreise nach Oberbayern zu finanzieren, lassen sich die drei als Falschgeldkuriere anheuern. Doch statt nach Hause zurückzukehren, begibt sich das Trio erst einmal auf Schatzsuche. Die geprellte ukrainische Mafia setzt einen Berufskiller auf sie an, aber nicht nur das: Nach dem tödlichen Absturz eines russischen Höhlenkletterers sind auch die Schönauer Kommissarin Magdalena (Leni) Morgenroth und ihr Kollege vom LKA München den dreien auf der Spur.


    Die Autoren
    Lisa Graf-Riemann, geboren 1958 in Passau, ist freie Lektorin und Redakteurin. Sie hat lange in der Nähe von Ingolstadt gelebt und war als Dolmetscherin für die örtliche Polizei und die Bundespolizei am Flughafen München tätig.
    Ottmar Neuburger, geboren in Simbach am Inn, studierte Germanistik. Er war Programmierer und Systemberater, Software-Unternehmer und schließlich Trainer für Langzeitarbeitslose.


    Meine Meinung
    Wenn mir die Chefredakeurin vom Krimi Forum mal wieder ein Buch empfiehlt, dann hör ich zu! Und hab ohne weiter nachzudenken "Hirschgulasch" auch meinem deutschen Lesekreis hier in Kanada empfohlen. Es steht erst fürs Frühjahr nächsten Jahres auf unser Programm, doch solange konnte ich nicht warten. Das Buch wird zwar als Regionalkrimi kategorisiert, doch es war die Verknüpfung der sehr unterschiedlichen Spielorte in der Ukraine und in Bayern, die mich neugierig machte. Ich konnte das Buch nicht lange auf dem SUB liegen lassen und verschlang es in nur 48 Stunden.


    Krimis oder Thriller, die auf unterschiedlichen Zeitebenen und/oder Spielorten angesiedelt sind, können oftmals sehr verwirrend sein. Doch hier ist es sehr gut gelungen. Jedes Kapitel hat eine Ueberschrift, die den Ort und das Datum angibt. In "Hirschgulasch" hab ich als Leser keine Probleme die Erzählstränge zwischen Kiew, der Tschernobyl Sperrzone, dem Berchtesgadener Land, Ereignissen in der Vergangenenheit und der Jetztzeit auseinander zu halten. Kann mich dafür ganz der Handlung und den herrlichen Charakterbeschreibungen der Hauptpersonen widmen.


    So wird die ungewöhnliche Geschichte für mich von der ersten Seite an spannend. Nicht nur weil sie gleich mit einem rasanten Bergabsturz in den bayrischen Alpen beginnt. Man mag denken, dass es arg konstruiert sei, ausgerechnet Tschernobyl, Hitlers Zeit im Berchtesgadener Land und die russische Mafia in ein Buch zu bringen. Aber es wirkt für mich absolut glaubwürdig. Und gibt dieser Geschichte eine besondere Tiefe, die sie positiv vom Schema F vieler Regionalkrimis abhebt. Die Szenen in der Sperrzone sind ebenso eindrucksvoll beschrieben wie die Rückblenden ins Leben der Strafarbeiter während des 2. Weltkrieges.


    Das liegt nicht zuletzt an den skurrilen Protagonisten. Die Ermittlerin Leni gefällt mir als Allround Talent und Mutter, die ihren gerade erwachsenen Sohn vermisst. Und das ungewöhnliche Trio aus Kiew sorgt für Emotionen wie für Humor. Jeder hat seine eigene Geschichte, die sie dem Leser nur mehr ans Herz wachsen lässt.


    Fazit: Der beste Krimi, den ich seit langem gelesen hab. Er überzeugt auf jeder Ebene - von der Spannung zu den Charakteren bis hin zum geschichtlich-politischen Hintergrund. Dazu genau die richtige Prise Humor. Uneingeschränkt empfehlenswert. Und ganz sicherlich nicht nur für Krimifans!! Genauso soll gute Unterhaltungsliteratur sein - unterhaltsam und mit etwas food-for-thought !!!

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Die große Begeisterung von Beatrix hat mich angesteckt und ich kann mich eigentlich nur anschließen. Wahnsinn, welche Bandbreite zeitgeschichtlicher Themen in einem Krimi untergebracht werden kann. Meine Hochachtung vor dem Autorenduo, verschiedenste geschichtliche Meilensteine des vergangenen Jahrhunderts so detailliert und gleichzeitig raffiniert in das Buch einzuflechten und mit der fiktiven Handlung zu verknüpfen.


    Es beginnt unspektakulär und dennoch mehr als außergewöhnlich in einem vergessenen Fleckchen Europas, der Region um den verunglückten Reaktor Tschernobyl. Dieser Anfang hat mich sehr beeindruckt, vor allem, da es rund um Tschernobyl still geworden ist. Ich habe einen ganzen Abend lang nach aktuellen Berichten im Internet gesucht und bin vor allem auf dem im Buch angesprochenen Blog von Elena Filatova fündig geworden. Wenn es ein Unterhaltungsroman schafft, mich so auf ein Thema zu fokussieren, ist das ein großer Pluspunkt.


    Die Bezeichnung „Regionalkrimi“ ist völlig untertrieben, fast schon eine Beleidigung. Zwar spielt es größtenteils in und um Berchtesgaden, wobei die detaillierte Beschreibung der Stadt und vor allem der Berge ringsherum fast einen Reiseführer ersetzen. Dennoch schlägt die Geschichte einen großen Bogen von der Ukraine in die Alpen und die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl spielt genauso eine Rolle wie ukrainische Zwangsarbeiter während des zweiten Weltkrieges. Auch die Einordnung in „Krimi“ ist viel zu kurz gegriffen. Ist es doch viel mehr ein Gesellschaftsporträt, ein Roadmovie, eine Schatzsuche und das auch noch mit historischen Bezügen.


    Diese nur auf den ersten Blick ungewöhnliche Mischung wird auch noch sehr ansprechend und humorvoll serviert. Die Situationskomik und der fast schon skurrile Humor sind ein Genuss für sich. Zwar sind die Personen überzeichnet und es wird so manches Klischee bedient, dennoch fand ich das immer augenzwinkernd und mit einem Lächeln dargeboten. Da hat mich auch die ein oder andere Ungereimtheit beim Kriminalfall nicht weiter gestört. Die kurzen Kapitel springen zeitlich und räumlich hin und her, doch dank der guten Zwischenüberschriften fällt die Zuordnung leicht. Ich mochte diese Art, eine Geschichte zu erzählen und dem Leser scheibchenweise die notwendigen Informationen zu präsentieren, um sich selbst das große Ganze zusammenzusetzen.


    Fazit: Ein großes Lesevergnügen, das nur schwer in eine Kategorie einzuordnen ist. Am besten einfach selber lesen! 9 tolle Punkte von mir.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von Lese-rina


    Es beginnt unspektakulär und dennoch mehr als außergewöhnlich in einem vergessenen Fleckchen Europas, der Region um den verunglückten Reaktor Tschernobyl. Dieser Anfang hat mich sehr beeindruckt, vor allem, da es rund um Tschernobyl still geworden ist. Ich habe einen ganzen Abend lang nach aktuellen Berichten im Internet gesucht und bin vor allem auf dem im Buch angesprochenen Blog von Elena Filatova fündig geworden. Wenn es ein Unterhaltungsroman schafft, mich so auf ein Thema zu fokussieren, ist das ein großer Pluspunkt.



    Ich kann die vorhergehenden Beiträge nur :write :write :write


    Ich war auch eher auf einen gewöhnlichen Regionalkrimi gefasst und nicht auf ein derartig breit angelegtes Thema.


    Die Figuren sind nicht eindimensional sie zeigen verschiedene Facetten ihrer Charaktere. Jede hat ihre Geschichte, vor allem das Kiewer Trio, das zufällig eine Schatzkarte erbt. Eigentlich ist es ja nur Luba, die regelmäßig in die "ZONE" das ist das verstrahlte Gebiet um Tschernobyl. Dort bringt sie einer alten Frau Lebensmittel und Medikamente. Deren Mann war Zwangsarbeiter unter den Nazis, und es geht auch um Nazigold.
    Spannend bis zuletzt wünscht man den Dreien, dass sie mit ihrer Mission erfolgreich sind.
    Ein Thema in das man sich vertiefen kann, ich erinnere mich noch heute, wie damals, meine Kinder waren noch klein, alle Sandkästen gesperrt waren, kein Obst und Gemüse verkauft wurde etc.
    Es gibt außerdem zu den Jahrestagen Berichte über die Katastrophe im TV. Ein Wahnsinn was wir unserer Welt zumuten.


    Das Buch bzw. die Seite der elenafilatova ließ mich nicht los. Sie schreibt ja aktuell in ihrem blog noch über die Ereignisse in der Ukraine.


    Außerdem ist wohl Luba ihr selbst nachempfunden, bzw. die Autroin hat Elena als Vorbild für die Figur genommen denn: Elena Filatova lebt heute, genau wie damals, in Kiew, 130 Kilometer südlich der Todeszone von Tschernobyl. Wann immer es geht, besucht sie die Gegend dort, ausgerüstet mit Geigerzähler und Kamera, auf der Suche nach den Spuren der Menschen, die damals dort gelebt haben. Aus Land der Wölfe, Interview mit Elena filatova

    "Leute die Bücher lesen, sind einfach unberechenbar." Spruch aus "Wilsberg "
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