Operation 9/11, Der Wahrheit auf der Spur - Gerhard Wisnewski

  • Es gibt Dinge im Leben, die prägen sich unauslöschlich in uns ein. Bilder, Gerüche, Worte, Töne, Gefühle. So auch am 11.09.2001. Damals unterstützte ich gerade meinen Bruder als Aufpasserin und Animateurin bei der Geburtstagsfeier meiner Nichte mit ihren Kindergartenfreunden. Irgendwann, während ich Topfschlagen mit den Kindern spielte, flüsterte mir mein Bruder ins Ohr, dass ein Turm des WTC eingestürzt war. Mein Bruder hat zugegebenermaßen einen manchmal bizarren, pechschwarzen Humor und im ersten Moment fragte ich mich, was mich im Folgenden wohl noch erwarten würde. Leider meinte er es todernst und so feierten wir zwar mit den Kleinen, allerdings mit einem überaus schlechten Gefühl. Die Folgetage schürten dieses schlechte Gefühl.


    Nicht nur, weil die Worte Krieg und Terror plötzlich in aller Munde waren. Auch weil hier allzu schnell ein Schuldiger benannt und der Krieg erklärt wurde, während im Zuge anderer terroristischer Aktivitäten oft jahrelang erfolglos ermittelt wird. Ich bin keine Verschwörungstheoretikerin, doch das kam mir mehr als spanisch vor. Eine objektive Berichterstattung vermissten wohl die meisten nicht sofort, dafür war das Geschehen zu aufwühlend.


    Der 1959 in Krumbach geborene Gerhard Wisnewski, der es nach eigener Aussage als seinen Auftrag ansieht, ein unbequemer Journalist zu sein, produzierte zusammen mit Willy Brunner die Sendung Aktenzeichen 11.9. ungelöst für den WDR. Im Gegensatz zu den emotionsüberfrachteten Dokumentationen, die man sonst zu sehen bekam, verfolgte er dabei einen überaus kritischen Ansatz. Während meiner (Aushilfs-)Tätigkeit in den Redaktionen Fernsehen In- und Ausland beim (damals noch) SDR, merkte einmal einer der dort arbeitenden Redakteure bitter und desillusioniert an, dass der Zuschauer keine Meinung zu haben hat, weil Meinung gemacht wird. Diese Worte waren und sind nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn nach einer fragwürdigen Kampagne des Spiegels und anderer Kritiker gegen ihn endete nicht nur Wisnewskis Tätigkeit für den WDR. Zudem folgte sein halboffizieller Ausschluss aus dem Journalistenverband. Warum? Weil er etwas aussprach, was man nicht aussprechen durfte? Es gab und gibt unzählige Journalisten, die alle möglichen schlecht recherchierten und aus Halbwahrheiten gesponnenen Beiträge produzieren und überraschenderweise dennoch weitaus weniger Folgen fürchten müssen.


    Wisnewski brauchte länger als die Ermittler der Anschläge, um diverse Dinge zu präsentieren. Doch 2003 erschien bei Knaur sein Buch Operation 9/11 Angriff auf den Globus, welches ich mir gleich nach Erscheinen besorgte und geradezu verschlang. Wie gesagt: Ich bin keine Anhängerin von abstrusen Verschwörungstheorien. Doch ich lebe in einer Welt, in der alles zusammenhängt. Was mich deshalb interessiert, ist eine Beleuchtung des Weltgeschehens aus verschiedenen Blickwinkeln. Und dies wurde mir vom Autor durch seine Recherchen geliefert. Sie betrafen nicht nur Überlegungen zu den schnellen Ermittlungserfolgen, den Filmbeiträgen (mit denen wir überschwemmt wurden) und Zeugenaussagen von ansonsten eher totgeschwiegenen Zeugen. Er zeigte logische Widersprüche auf und ging möglichen Motiven auf den Grund. Wisnewski lenkte den Blick auf relevante Fragen, allerdings deuteten die von ihm angesprochenen Kausalitäten und Folgerungen sehr schnell in Richtung einer Verschwörung. Dieses unschöne Ergebnis brachte ihm dann prompt (und nicht zum ersten Mal) den Vorwurf eines Verschwörungstheoretikers ein.


    Unglaubwürdig wirkten seine Fragen und Mutmaßungen jedoch nicht zwingend, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass Verschwörungen nicht nur theoretisch existieren. Zu viele Zufälle, zu viele Ungereimtheiten, zu schnelle Verlautbarungen sorgten zunehmend für Stirnrunzeln. Und die Folgen für die Welt (der schnell ausgerufene Krieg, die Aushebelung von Gesetzen) wie für ihn selbst (Kündigung, Rufschädigung, etc.) untermauerten für mich seine Aussagen. Sie lassen mich ihn weiterhin als das sehen, was er ist: ein investigativer Journalist, der sich glücklicherweise nicht so schnell unterkriegen lässt.


    10 Jahre nach den Anschlägen erinnerten sowohl die Printmedien als auch Film und Fernsehen an die damaligen Geschehnisse. Und wieder konnte man feststellen, dass im Gros der Blick eher auf emotionsgeschüttelte, tränenüberströmte Angehörige oder Beteiligte geschwenkt wurde, als auf tatsächlich nach wie vor nicht zufriedenstellend aufgeklärte Widersprüche. Dass die Ereignisse damals schrecklich waren, steht außer Frage. Dass Emotionen mit ihnen verbunden sind ebenfalls. Doch gerade deshalb tut Aufklärung not.


    KNAUR veröffentlichte dankenswerterweise 2011 eine völlig überarbeitete Fassung von Operation 9/11 mit dem Untertitel Der Wahrheit auf der Spur. Genau wie das erste Buch sorgte auch dieses neben einigem Lob und Anerkennung für Aufruhr und Vorwürfe. Und für Magendrücken, weil die bereits früher gezogenen Rückschlüsse sich nicht nur bestätigen, sondern nach wie vor nichts von ihrer bestürzenden Aussagekraft verloren haben.


    Die Überarbeitung bietet keinen flachen Aufguss, sondern abermals viele gut ermittelte Fakten und daraus resultierende Überlegungen. So geht Wisnewski etwa darauf ein, dass die oft vorgespielten Telefonmitschnitte von Bordtelefonen Lügen gestraft wurden, weil es in dem Flugzeugtyp der betreffenden Maschine gar keine gab. Oder fragt nach, warum der offizielle Schuldige Bin Laden sich trotz der Anschläge anscheinend seltsamerweise nicht auf der offiziellen Liste der Top-Terroristen der amerikanischen Regierung befunden hat. Er setzt fragmentierte Erkenntnisse puzzlegleich zusammen und verfestigt seine damals gefundenen, teils harsch angeprangerten, logischen Widersprüche. Ein weiteres Mal konfrontiert er die tatsächlichen Ungereimtheiten mit den offiziellen Wahrheiten und lässt Letztere schlecht aussehen. Ein weiteres Mal streitet er nicht den terroristischen Angriff an sich ab, sondern hinterfragt differenziert die damit verbundene Suggestion bezüglich vermeintlicher Hintermänner und Hintergründe. Oder die Verschleierung der tatsächlichen Strippenzieher und ihre Motive.


    Seine Überlegungen sind abermals flüssig leicht zu lesen. Seine Argumentationskette reißt nicht ab. Wisnewski langweilt nicht mit dem, was er herausgefunden hat, sondern verursacht erneut Schluckbeschwerden. Die Flut der zusätzlichen Informationen und die daraus resultierenden Fragen und Schlüsse regen zum Nachdenken an. Sie erschüttern das Weltbild noch ein wenig mehr – zumindest all derer, die kritische Fragen zulassen.


    Fazit:


    Wie sagte mein Kollege damals so bitter und desillusioniert? „Der Zuschauer hat keine Meinung zu haben, weil Meinung gemacht wird“. Wer die Berichterstattung bestimmter Ereignisse aufmerksam verfolgt (nicht nur die vom 11. September) merkt sehr schnell, dass da etwas daran ist. Wir leben in einer globalen Welt. Es soll uns interessieren, was etwa in Afghanistan passiert. Gleichzeitig sollen wir anscheinend die Augen vor allzu kritischen Fragen verschließen. Wer sich dieser Denkweise anpassen kann und möchte, sollte die Finger von dem Buch lassen. Alle anderen, die über den Tellerrand hinausschauen und differenzierte Zweifel erlauben, kann ich es jedoch empfehlen. Es bleibt jedem selbst überlassen wie er die daraus gewonnenen Ansichten bewertet. Operation 9/11, egal ob die 2003er-Ausgabe mit dem Untertitel Angriff auf den Globus oder die 2011er-Ausgabe mit dem Untertitel Der Wahrheit auf der Spur, erschüttert. Macht Angst und wütend. Nicht nur weil es deutlich macht, wie leicht man manipuliert werden kann, sondern auch angesichts des Umstandes, dass die Manipulatoren keine allzugroßen Strafen befürchten müssen.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Ati ()

  • vielen Dank für die tolle Rezi!! Landet auch direkt auf meiner WL.....
    mir hat sich dieser Tag auch ganz besonders im Kopf und im Herzen eingebrannt, vor allen Dingen weil wir auch fast einen guten Freund im WTC verloren hätten, der dort sein Büro hatte.....ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich - nachdem ich endlich via internet die Bilder über CNN gesehen hatte - versucht habe, ihn telefonisch zu erreichen, was natürlich in dem ganzen Chaos unmöglich war.....

  • Eine interessante Rezi Ati. Gerhard Wisnewski ist ja nun nicht gerade bekannt dafür, dass er in seinen Publikationen untermauerte Fakten präsentiert. Meist genügt sich Deutschlands führender Verschwörungstheoretiker in Andeutungen und Indizien. In der Art und Weise suggestive Fragen zu stellen erinnert er schon ein wenig an den Alien-Forscher Erich von Däniken. Dass wir manipuliert werden steht fest. Die Frage ist nur von wem und in welchem Maße.


    Ich habe die Ausgabe von 2003 gelesen und genau dieses zwiespältige Gefühl blieb damals bei mir zurück. Im Verlaufe der Jahre wurden einige seiner "Widersprüche" aufgeklärt. Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube nicht, dass wesentlich viel Erhellendes hinzugekommen ist. Einen Blick werde ich aber schon hineinwerfen, denn man muss ja Bescheid wissen in Verschwörungstheoretik.

  • Danke für Eure Antworten.


    @ arter: Ich stimme dir zu, man kann mit Sicherheit verschiedener Meinung sein, wer wen manipuliert. Aber ganz so, dass der Autor sich alles aus der Nase zieht oder nur Indizien vorlegt, ist es ja auch nicht.


    Fakt ist jedoch bedauerlicherweise, dass bei welterschütternden Vorfällen - zu denen der 11.09. - mit Sicherheit zählt, die öffentliche Meinung gelenkt wird (aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen). Nicht nur indem man beispielsweise recht unauffällig durchs ganz normale Filmprogramm auf etwas getrimmt wird. Die offzielle Berichterstattung war wie bereits vorab erwähnt eher emotional als kritisch. Um es hart zu formulieren: Auf Show ausgerichtet. Je mehr Emotionen hochkochten, desto besser. Eine "gerechte" Wut rechtfertigt schließlich vieles und überdeckt noch mehr.


    Eine vollständige Aufklärung werden wir hier genau wie bei vielen anderen Dingen nie erfahren. Aber Zweifel sind mit Sicherheit angebracht, allein schon aus Respekt gegenüber den Toten. Und nicht nur, weil nicht zum ersten Mal Kriegsgründe erfunden wurden (da braucht man gar nicht in die USA zu sehen, denken wir doch nur mal an unsere eigene Geschichte).


    Bedauerlicherweise wurden und werden Leute, die kritischer (vielleicht auch verbissen) an bestimmte Dinge herangehen gerne als spinnerte Verschwörungstheoretiker gesehen und behandelt. Mit einiger Sicherheit sind manche so gepolt und erfinden ihrerseits Vorkommnisse oder Indizien. Aber glücklicherweise nicht alle.



    @ Luckynils
    Oh ja, daran erinnere ich mich auch noch. Ein Freund von mir war unter den Feuerwehrleuten und hat - nur so nebenbei erwähnt - sobald wir wieder Kontakt hatten von seltsamen Widersprüchen berichtet. Aber wie gesagt, bis wir ihn erreichten, das war schlimm. Obwohl es - wie schon von dir erwähnt - angesichts des Chaos, das da herrschte durchaus verständlich war, nicht durchzukommen.

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

  • Ich stimme überein, dass es da einige Widersprüche gibt, deren Hintergründe rätselhaft sind. Aber wenn man den Gedanken Wisnewskis der großen Verarsche konsequent verfolgt, müsste man der Behauptung glauben schenken, der Anschlag wäre eine inszenierte Aktion gewesen und in letzter Konsequenz müssten das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Figur Osama bin Laden auch Erfindeungen gewesen sein, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Ich halte das nicht wirklich für ausgeschlossen, aber ich halte auch die Existenz von Außerirdischen nicht für ausgeschlossen.


    Es ist nur leider so, dass Wisnewski in seinen Büchern immer wieder die ganz großen Verschwörungs-Keule auspackt:


    - Der Untergang der Titanic war ein Attentat
    - Die Mondlandung und die Apollo-Mission waren ein Fake
    - Jörg Haider wurde ermordet
    - Die dritte Generation der RAF war von westlichen Geheimdiensten gesteuert
    u.v.m.


    Alles weitere interessante Thesen, für deren Erklärung so manch einer mal gerne ein paar Euro springen lässt. Ich nehme mich da selbst gar nicht aus. ;-)


    In dieser Dichte ist das aber alles schon sehr gewagt und man muss die Frage gestatten, inwieweit sein materielles Interesse bei der Einordnung von Wisnewskis Arbeiten zu berücksichtigen ist.

  • Im vergangenen Jahr bat mich ein Freund, das untenstehende Buch zu lesen und zu einzelnen Kapiteln (Tod der Brüder KaczyDski oder der Richterin Heisig) meine Meinung zu äußern. Wenn ich aufrichtig bin, dann war ich froh, dieses Sammelsurium an Fakten nicht beenden zu müssen.


    Wisnewski mag sicherlich intensiv recherchieren; nur seine oftmals reißerische Art, Fakten zu präsentieren und vermeintliche Zusammenhänge herzustellen, hat mich überhaupt nicht überzeugt und animiert mich zudem nicht, weitere Bücher des Autors zu lesen.

  • @ arter


    Zitat

    der Anschlag wäre eine inszenierte Aktion gewesen und in letzter Konsequenz müssten das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Figur Osama bin Laden auch Erfindeungen gewesen sein


    Das sagt er in meinen Augen gerade nicht. Die Figur samt Organisation sind durchaus real. Die Terroranschläge sind real. Die getöteten Opfer sind real. Er zieht nicht den Rückschluss, dass das alles erfunden ist, sondern dass das ganze viel größere Dimensionen und wesentlich mehr Hintermänner hat, als man uns weis(ge)macht (hat). Dass andere Motive dahinter stecken.


    Aber - man muss natürlich weder ihn noch seine Bücher/Filme und daraus resultierenden Überlegungen mögen oder sich seinen provozierenden Aussagen oder Fragen anschließen. Das bleibt ja - wie in deinem Fall arter - jedem selbst überlassen. :grin


    Ähm, und was das materielle Interesse angeht, er verdient damit, vermutlich sogar gar nicht schlecht. Genau wie andere, die meinungsbildend unterwegs und egal für welche Seite sie nun tätig sind. Die wenigsten werden das aus Überzeugung für einen Apfel und ein Ei oder gar unentgeltlich machen.

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
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