1913: Der Sommer des Jahrhunderts - Florian Illies

  • Bei der Einsortierung des Buches in diese Rubrik bin ich mir nicht sicher, wer einen besseren Vorschlag hat - einfach Bescheid geben! :wave


    Kurzbeschreibung:
    1913: Es ist das eine Jahr, in dem unsere Gegenwart begann. In Literatur, Kunst und Musik werden die Extreme ausgereizt, als gäbe es kein Morgen. Zwischen Paris und Moskau, zwischen London, Berlin und Venedig begegnen wir zahllosen Künstlern, deren Schaffen unsere Welt auf Dauer prägte. Man kokst, trinkt, ätzt, hasst, schreibt, malt, zieht sich gegenseitig an und stößt sich ab, liebt und verflucht sich. Es ist ein Jahr, in dem alles möglich scheint. Und doch wohnt dem gleißenden Anfang das Ahnen des Verfalles inne. Literatur, Kunst und Musik wussten schon 1913, dass die Menschheit ihre Unschuld verloren hatte. Der Erste Weltkrieg führte die Schrecken alles vorher schon Erkannten und Gedachten nur noch aus.
    Florian Illies lässt dieses eine Jahr, einen Moment höchster Blüte und zugleich ein Hochamt des Unterganges, in einem grandiosen Panorama lebendig werden. Malewitsch malt ein Quadrat, Proust begibt sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit, Benn liebt Lasker-Schüler, Rilke trinkt mit Freud, Strawinsky feiert das Frühlingsopfer, Kirchner gibt der modernen Metropole ein Gesicht, Kafka, Joyce und Musil trinken am selben Tag in Triest einen Cappuccino und in München verkauft ein österreichischer Postkartenmaler namens Adolf Hitler seine biederen Stadtansichten.


    Über den Autor:
    Florian Illies, geboren 1971, studierte Kunstgeschichte in Bonn und Oxford. Nach einigen Jahren als Redakteur übernahm er bereits Ende der Neunziger Jahre die Leitung des Feuilletons einer der renommiertesten deutschen Tageszeitungen sowie deren Sonntagszeitung. Florian Illies war darüber hinaus Mitgründer der Kunstzeitschrift »Monopol« und ihr Herausgeber. 2008 wechselte er als Ressortleiter Feuilleton und Literatur zur »Zeit«. Illies ist jetzt Partner des Berliner Auktionshauses »Villa Grisebach« und dort für die Kunst des 19. Jahrhunderts verantwortlich. Seine bislang vier Bücher verkauften sich über 1 Million Mal.


    Meine Rezension:
    Auf den ersten Blick ist 1913 kein Jahr, dass in den Geschichtsbüchern durch besondere Ereignisse heraussticht. Politisch kommt es erst im folgenden Jahr 1914 mit dem Ersten Weltkrieg zur großen Katastrophe, doch kulturell ist 1913 einzigartig. Ob in der Literatur, der Kunst oder der Musik - die größten Künstler des Jahrhunderts geben sich ein Stelldichein und erschaffen Werke, die auch noch 100 Jahre später ein jeder kennt. Florian Illies nimmt den Leser in seinem neusten, gleichnamigen Roman mit ins Jahr 1913 und lässt ihn teilhaben an unzähligen kleinen und großen kulturhistorischen Ereignissen in Deutschland und Österreich. In zwölf großen Kapiteln (jeweils nach dem Monat benannt, in dem die genannten Ereignisse stattfanden) tupft Illies ein Mosaik von Anekdoten und Berichten aufs Papier, das erst nach und nach in seiner Gesamtheit ein umfassendes Bild einer Gesellschaft mit ihren Stimmungen und Künstlen ergibt. Einigen begegnet man im Laufe des Jahres (sprich Buches) immer wieder, anderen nur einmal, aber mit dem Wissen von heute, was ihnen und der Welt im ganzen bevorsteht, ist es ein faszinierendes, aber auch ein bisschen unheimliches Gefühl, das den Leser beim Blick durch das historische Schlüsselloch überkommt. "1913" ist prall gefüllt mit anspruchsvoll-unterhaltsamen Episoden und Anekdoten und fordert von dem Leser nicht nur Konzentration, sondern auch ein gewisses Maß an Allgemeinbildung oder zumindest Neugier gepaart mit einem umfassenden Nachschlagewerk in der Nähe, denn mit dem entsprechenden Hintergrundwissen macht die Lektüre erst recht Spaß. Auch wenn Illies flüssig und lebendig erzählt, so sind es doch jede Menge Informationen, die er dem Leser anbietet, deshalb empfehle ich - ähnlich wie bei Kurzgeschichten - den häppchenweisen Genuss anstatt die Lektüre am Stück, um der Ermüdung vorzubeugen und die Faszination aufrechtzuerhalten.


    8 Punkte von mir!

  • Beim Literaturclub, ausgestrahlt heute morgen auf 3Sat, wurde von Stefan Zweifel, Elke Heidenreich, Hildegard E. Keller und Rüdiger Safranski
    ganz interessant und überwiegend positiv über das Buch diskutiert.


    Dennoch bin ich mir nicht ganz im klaren und schwanke zwischen bestellen und abwarten.

  • … und im Februar 2013 hockt eine Leserin weitab jeglicher Metropole in ihrem Sessel, irritiert und ihren Humor nicht nur ge-, sondern phasenweise auch überfordert fühlend, und hat lediglich zu konstatieren, dass dieses Buch nicht für sie geschrieben wurde. Ein Zuviel und ein Zuwenig ließ am Ende nichts als aus ihrer Enttäuschung geborene Erleichterung aufkommen, als sie das Buch zuklappen konnte. Zu viel Anekdoten, zu viel Konzentration auf Avantgarde, auf Moderne, zu wenig breite Vielfalt und überhaupt, war Asien 1913 nur dazu da, durchreist zu werden? Szene auf Szene wird gehäuft, und lässt bei mir doch nicht das Gefühl von etwas Ganzem aufkommen. Was 1913 ausmachte, zeigte mir dieses Buch nur bedingt.

  • Ein Roman oder ein Sachbuch? Ich kann mich nicht entscheiden.
    Da sind die historischen Fakten und die unheimlich spannende und witzige Erzählweise.
    Kafka will seine große Liebe heiraten und versaut es.
    Kokoschka ist Alma Mahler verfallen und lässt sich ein Puppe nach ihren Maßen fertigen. Dabei malt er die wunderbarsten Bilder.
    Rilke schreibt Gedichte und lässt sich von seinen Frauen aushalten.
    Die Moderne bricht an. Oder ist sie schon wieder vorbei? Ja, und Hitler malt in Wien und München seine Stadtansichten.
    Monat für Monat schildert Illies das Jahr 1913. Mit seinen Einschnitten, seinen Kuriositäten und seinen Romanzen.
    Der Sommer des Jahrhunderts wahrhaftig!


    www.fambaly.de meint: Kurze Plaudereien aus dem Nähkästchen … gerne auch zum gemütlichen Vorlesen auf der Couch. Sorgt garantiert für Ahahs und Hihis :-D

  • Worum es geht
    Der Autor erklärt das Jahr 1913 für den Beginn der Moderne, und lässt seine Leser wie durch ein Kaleidoskop auf die Welt vor rund 100 Jahren blicken. In kurzen monatlichen Sequenzen skizziert er, womit sich zeitgenössische Maler, Dichter und Musiker, aber auch Männer, die noch Geschichte schreiben sollten, in diesem Jahr beschäftigten, oder was sie gerade bewegte.
    Große Romane und Gemälde werden begonnen, leidenschaftliche Gefühle gehegt, sinnliche Briefe mit kühnen Erwartungen versandt. Musikalische Experimente erhitzen die Gemüter, und in der Kunst bricht das Ende der Gegenständlichkeit an.
    Kaiser Franz Joseph regiert die Donaumonarchie seit unglaublichen 65 Jahren, während sein Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, bereits ungeduldig in den Startlöchern scharrt. Doch sind auch wichtige Akteure einer fernen Zukunft Anfang des Jahres für einen kurzen Moment gleichzeitig in Wien. Möglicherweise sind sich Adolf Hitler, der damals noch Postkarten malte, und Josef Stalin bei ihren Spaziergängen in Schönbrunn sogar zufällig über den Weg gelaufen.
    Der britische Schriftsteller und Publizist Norman Angell konnte die Intellektuellen auf der ganzen Welt von seiner Theorie überzeugen, dass es niemals zu einem großen Krieg kommen werde. Einen Weltkrieg mache das Zeitalter der Globalisierung schon deshalb unmöglich, weil alle Länder wirtschaftlich zu eng miteinander verknüpft seien, und nur Schaden erleiden würden, hieß es in seinem Bestseller "The Great Illusion".
    An eine reale Kriegsgefahr wollte wohl auch niemand glauben, sensible Künstler hatten aber vielleicht doch eine Ahnung von der Katastrophe, auf die die Welt zusteuerte. Franz Marc malt ein Bild vom "Balkankrieg" mit dem Titel "Die Wölfe", und auch Ludwig Meidner verewigt in seinen Landschaftsbildern Visionen des Grauens.
    Naturschützer wie der Philosoph Ludwig Klages erhoben ebenfalls ihre Stimmen, und warnten vor der Moderne und dem Fortschritt, die nicht ohne Zerstörung der Umwelt zu erlangen seien.


    Wie es mir gefallen hat
    Beim Griff zu diesem Buch habe ich mir einen Bericht über die allgemeine Stimmungslage am Vorabend des Großen Krieges erwartet. Als Kunsthistoriker nähert sich Florian Illies dem Thema jedoch auf ganz andere Art, und richtet sein Hauptaugenmerk vor allem auf die Avantgarde.
    Franz Kafka, Georg Trakl, Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner, Gustav Klimt, Egon Schiele oder Sigmund Freud heißen einige der Protagonisten, deren aktuelle Lebenssituation im Jahre 1913 der Autor in penibel recherchierten Momentaufnahmen ins Visier nimmt. Dadurch ergeben sich für den Leser zwar durchaus erstaunliche, oft wenig bekannte Perspektiven auf die Macken und Gemütszustände der agierenden Personen, ich persönlich fand diese Sichtweise allerdings etwas zu einseitig. Es werden zwar auch andere mehr oder weniger bedeutende Ereignisse erwähnt, mir fehlte jedoch ein gewisser Kontext, der die losen Bausteine zu einem abgerundeten Panoramabild zusammengefügt hätte.
    Wer sich vom vorliegenden Werk einen Überblick über die Lebensverhältnisse einer breiten Bevölkerungsschicht an dieser großen Zeitenwende erhofft, wird gewiss enttäuscht sein. Sieht man das Buch hingegen als Sammelsurium oft kurioser Details vor allem aus dem Leben der Avantgarde, kann man durchaus seine Freude daran haben. Außerdem bin ich während des Lesens auf die Biografie einiger der Hauptakteure wie Georg Trakl, Else Lasker-Schüler oder Gottfried Benn neugierig geworden.
    Stilistisch hat der Autor seine Sache ebenfalls sehr gut gemacht. Florian Illies hat Sinn für Humor und versteht mit feiner Ironie zu schreiben, sodass sich die Lektüre auf jeden Fall gelohnt hat.

  • Das Buch hatte ich gerade aus der Bücherei.


    Nach 2 Monaten (also Januar und Februar im Buch, nicht Lesezeit, obwohl es mir so vorkam :-() habe ich aufgegeben und abgebrochen. Ich habe mich fürchterlich gelangweilt und konnte mich zum Schluss gar nicht mehr aufraffen, heranzugehen. Da hätte mir auch keine Challenge der Welt etwas genützt.


    Schade, denn die Idee fand ich faszinierend, finde ich noch. Aber der Schreibstil war mir einfach zu zäh und hatte eher die Wirkung einer prima funktionierenden Schlaftablette.


    Keine Punktevergabe, da ich für eine Bewertung nicht genug davon gelesen habe.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Ich hatte auch Schwierigkeiten mich einzulesen, weil ich mir ja etwas anderes erwartet hatte, aber ich mag auch Kunst und Kultur, deswegen ist es dann ganz gut gegangen.
    Wem alle diese Namen nicht viel sagen oder einfach nicht interessieren, der ist sicher besser beraten aufzuhören. Das ist ja nichts Schlechtes, ist halt nicht jedermanns Sache.

  • Ich habe das Buch leider auch abgebrochen, obwohl mir die Namen was sagen. Aber ich fand es einfach zermürbend und belanglos und damit leider auch zu anstrengend. Mich wundert ein bisschen, dass die Literaturkritiken das Buch so sehr loben. Mir war dafür die Zeit letztendlich zu schade und ich habe im Kapitel "März" aufgehört zu lesen.