Gerstenberg Verlag
25. Juni 2012 (Erscheinungsdatum)
176 Seiten, 25 x 30 cm
Gebunden mit Schutzumschlag
Originaltitel: Romantic English Homes
Traumhaft schön
Auf der Suche nach einem gut gemachten Bildband rund um das Thema "Englischer Wohnstil" stieß ich erst vor kurzem auf das vorliegende Buch von Robert O'Byrne. Englischsprachige Werke gibt es in dieser Kategorie natürlich en masse, bei den auf Deutsch erschienenen Ausgaben ist die Auswahl schon recht begrenzt. Hinzu kommt, dass die abgebildeten Objekte eventuell nicht immer dem persönlichen Geschmack entsprechen und so Anlass zur Enttäuschung geben können. Dementsprechend vorsichtig, aber dennoch hoffnungsvoll, habe ich mich an "Romantische Interieurs – echt englisch" herangewagt. Gott sei Dank, muss ich im Nachhinein sagen, denn das Buch hat sich für mich als Glücksgriff erwiesen.
Aber der Reihe nach. Bereits die äußere Gestaltung (farblich passend zum Schutzumschlag ist der Einband in Bordeauxrot gehalten und mit blaugrauen Vorsatzblättern ausgestattet) stimmt optimal auf den Inhalt ein. Die 14 englischen Domizile, die im Buch vorgestellt werden, sind zahlenmäßig ausgewogen in drei unterschiedliche Kategorien unterteilt, auf deren charakteristische Merkmale der Autor gleich zu Beginn des jeweiligen Kapitels eingeht. Nach einer kurzen Einführung machen die "Familienhäuser" den Anfang, gefolgt von "Herrenhäusern" und "Landschlössern". Das Wissen um den Verwendungszweck der Häuser erleichtert das Verständnis für ihre Architektur und die Wahl ihrer Einrichtung, was ich als sehr hilfreich empfand.
Besonders erstaunt hat mich die große Bandbreite an Informationen, die Robert O'Byrne, der ehemals als Redakteur für die "Irish Times" tätig war, in seinen begleitenden Texten liefert. So erzählt er unter anderem, wo die ausgewählten Häuser stehen, welche wirtschaftlichen und naturbedingten Besonderheiten den jeweiligen Landstrich ausmachen, wofür die einzelnen Gebäude in der Vergangenheit genutzt wurden und wer ihre Vorbesitzer waren. Dabei geht der Autor weit in die Vergangenheit zurück – oftmals bis ins 16. Jahrhundert - und lässt durch die Bezugnahme auf historische Ereignisse und berühmte Persönlichkeiten die Geschichte der Häuser lebendig werden. Bei vielen von ihnen gibt es Verbindungen zu bekannten Schriftstellern, Politikern und sogar Königen.
Die Hauptsache sind aber selbstverständlich die Interieurs. Die heutigen Besitzer sind nicht selten Künstler oder haben etwas mit Antiquitäten oder Gartengestaltung zu tun. So ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, mit welcher Akribie und großem Gespür für Ästhetik die gezeigten Wohnräume restauriert und eingerichtet wurden. Detailliert wird beschrieben, in welchem Zustand die Bewohner das Haus beim Kauf vorfanden und welche Änderungen oder Verbesserungen sie daran im Laufe von Jahren vorgenommen haben. Das ist sehr beeindruckend. Teilweise sind die Bauarbeiten noch lange nicht abgeschlossen, was man den Abbildungen aber in keinster Weise ansieht. Auch zur Machart und genauen Herkunft des Mobiliars erteilt Robert O’Byrne Auskunft. Erfreulicherweise ist jedes der Häuser so einzigartig, dass es auf den 176 Seiten immer wieder Neues zu entdecken gibt. Kein Wunder bei so klangvollen Gebäudenamen wie z.B. "Restoration House" (Kent), "Euridge Manor" (Wiltshire) und "Port Eliot" (Cornwall).
Wer eher einen modernen Einrichtungsstil bevorzugt, wird hier nicht fündig. Das lässt der Titel aber auch schon ein wenig erkennen. Denn die gezeigten Möbel und architektonischen Elemente sind in der Tat sehr "romantisch", dabei jedoch nicht kitschig oder überladen. Trotz der Fülle an Gegenständen, die sich in jedem Raum befinden und dem überall anzutreffenden Mix aus verschiedenen Stilepochen (beispielsweise Klassizismus mit Neugotik) inklusive kontrastreicher Farben und Muster.
Einen großen Anteil an dem gelungenen Eindruck des Bildbandes haben die zahlreichen farbigen Fotografien von Simon Brown. Neben der Außenansicht erhält der Betrachter Einblicke in Küchen, Bäder, Schlafräume, Wohn- und Esszimmer und Flure. Auch einige der Gärten werden ansatzweise unter die Lupe genommen. Bei keinem der Häuser hatte ich das Gefühl, etwas zu vermissen oder noch mehr erfahren zu müssen. Bei den Innenansichten wurden die natürlichen Tageslichtverhältnisse vor Ort berücksichtigt, was den qualitativ hochwertigen Fotos einen angenehm authentischen Anstrich verleiht. Sogar in Räumen, die größtenteils mit Möbeln aus dunklen Hölzern ausgestattet sind, wurde beim Fotografieren auf ausreichende Helligkeit geachtet. Begrüßenswert fand ich auch die Verwendung so vieler großformatiger Abbildungen, von denen manche anderthalb Seiten einnehmen. Zu klein ist meiner Meinung nach keine ausgefallen.
Robert O'Byrne hat mit "Romantische Interieurs - echt englisch" einen besonders schönen Bildband vorgelegt. Ich habe beim Lesen viel über verschiedene Baumaterialien, Stilepochen und historische Zusammenhänge gelernt und ganz nebenbei Anregungen für einen mutigeren Umgang im Kombinieren von Einrichtungsgegenständen bekommen. Die Fotografien sind wunderschön und voller faszinierender Details, die Texte aufschlussreich und interessant gestaltet. Eine echte Bereicherung für alle Liebhaber außergewöhnlicher Coffee Table Books!
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