Eine nachdenkliche Geschichte
Jedes Jahr wird am 11. November das Fest des Heiligen Martin gefeiert. Die Kinder basteln im Vorfeld Laternen, um sie dann beim Martinszug zu tragen. Dabei wird das Teilen mit anderen Menschen in den Vordergrund gestellt, doch wer war dieser Mann?
Im Bilderbuch „Die Geschichte von Sankt Martin“ erzählt von Dörte Beutler handelt von dem jungen Mann namens Martin. Martin wurde in eine Familie hineingeboren, in der es üblich war, dass die männlichen Nachkommen zu Soldaten ausgebildet werden und dem römischen Kaiser zu dienen haben und so wurde auch Martin zum Kämpfen ausgebildet. Noch in seiner Jugend trat er in das Reiterheer des Kaisers ein und bald darauf wurde er zu einem Offizier ernannt. Schon in dieser Zeit fanden ihn die Menschen merkwürdig: Martin wurde von seinem Kaiser gut belohnt, doch anstatt dieses Geld in schöne Kleidung zu stecken, gab er es den Armen, den Hungernden, die von der Gesellschaft ausgeschlossen waren. Martin hatte auch einen Diener, aber nicht der Diener diente ihm, sondern Martin diente dem Diener. Natürlich wurde Martin für sein Verhalten verspottet, doch dies hielt ihn nicht davon ab, bedürftigen Menschen zu helfen.
Der Kaiser befiehlt dem Offizier Martin, nach Gallien zu reisen, da die römische Grenze in Gefahr war. Martin folgte diesem Befehl und nun kommt es zu der berühmten Schlüsselszene: Als er und seine Soldaten am Stadttor ankamen, sah er einen Mann, der in Lumpen gekleidet war und Martin um Nahrung anflehte. Der kaiserliche Offizier hatte kein Geld bei sich, aber er hatte einen warmen Mantel und so teilte er diesen Mantel in zwei Teile und gab einen Teil dem schlotternden Mann. Viele Menschen freuten sich über das Verhalten von Martin, aber natürlich musste er auch Spott ertragen, aber dies störte ihn weiterhin nicht.
Martins Glaube an Gott vertiefte sich immer mehr und seitdem er seinen Mantel geteilt hatte, wurde ihm klar, dass er nicht weiter als Soldat dienen konnte, denn ein Christ darf keine Menschen umbringen und so bat er den Kaiser von seinen Diensten entlassen zu werden. Man kann sich vorstellen, dass der Kaiser nicht begeistert war, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Offizier ziehen zu lassen. Martin ging in ein Kloster und bald sollte die Wahl eines Bischofs stattfinden und viele schlugen Martin vor, doch dieser lehnte aus tiefster Demut ab. Das nutzte ihm nichts, denn er wurde trotzdem zum Bischof gewählt und er nahm dieses Amt an, blieb aber bescheiden und gab den Armen soviel er konnte.
Eigentlich soll uns das alljährliche Fest des Heiligen Martin an seine guten Taten erinnern und versuchen, ihm nachzueifern. Aber ist so ein Mann für uns wirklich noch ein Vorbild? Ist es nicht eher so, da dieses Feste jedes Jahr begangen wird, dass daraus mehr oder weniger ein leeres Ritual entstanden ist?
Wir leben heute nicht mehr unter der römischen Herrschaft, aber auch heute würde uns ein derartiges Verhalten, wie Martin es an den Tag gelegt hat, erstaunen und vielleicht würden wir auch so einen Menschen verspotten.
Gerade Christen werden durch das Neue Testament durchaus dazu aufgefordert, zu geben was man hat und für viele gilt diese Aufforderung, doch sie scheitern an der Realität, denn alles herzugeben, bedeutet in Armut und finanzieller Abhängigkeit leben zu müssen. Genau deshalb sollte man das Verhalten von Martin genau anschauen: Er behält den halben Mantel für sich, um nicht selber zu erfrieren und ich denke, genauso sollte es auch sein: das herzugeben, was man als Überfluss hat und nicht eine völlige Selbstaufgabe.
Diese Nacherzählung von Dörte Beutler hält sich ziemlich genau an historischen Fakten. Martin wurde im 4. Jahrhundert geboren und war Soldat des römischen Kaisers. Später wurde er zum dritten Bischof von Tours ernannt. Wer genaueres über die historischen Fakten und Legenden wissen möchte, sei verwiesen auf: http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_von_Tours
Die Illustrationen von Marc-Alexander Schulze sind eher großformatig, nicht überladen, aber mit wichtigen Details, um einen realistischen Eindruck von der jeweiligen Situation zu bekommen. In diesen Illustrationen wird mit üblichen und bekannten Klischees gearbeitet, denn Martin wird auch in diesem Buch beim Ritt zum Stadttor auf einem Schimmel mit einem roten Mantel dargestellt, doch beides entspricht nicht den Tatsachen, denn Martin hatte kein Pferd (diese Vorstellung wurde im Mittelalter geprägt, denn edle Menschen saßen auf einem Pferd und die Farbe weiß für Schimmel sollte die Unschuld und Reinheit von Martin unterstreichen. Im vierten Jahrhundert trugen die römischen Soldaten keinen roten Mantel, aber rot ist die Farbe für kaiserliches Eigentum und bei den Christen die Farbe des Heiligen Geistes. ).
Am Ende des Buches findet man das klassische Lied „Sankt Martin“ mit Text und Noten.
Dieses Bilderbuch eignet sich für Kinder ab 3 Jahre. Die Geschichte kann zu Hause erzählt werden, aber es ist auch für Kindereinrichtungen gut geeignet.