Forensische Kliniken

  • Ich habe das Thema vorhin schon im "Einfach-Fragen"-Thread angesprochen, aber ich befürchte, dass das Thema ein bisschen zu komplex dafür ist. Daher kopiere ich meine Frage mal hier rein. Außerdem werde ich mit Sicherheit noch Folgefragen haben ...


    Ich habe mal ne Frage an Psychologie-/Psychiatrieeulen und an die, die in der Nähe einer Forensischen Klinik leben. Momentan schreit hier wieder alles auf, weil bei uns eine solche Klinik gebaut werden soll. Diese Pläne gab es vor über 10 Jahren schon mal, aber dann waren sie auch wieder vom Tisch. Nun sieht es aber ziemlich akut aus und das Geschrei ist groß.


    Mich persönlich stört das nicht so. Kranke Menschen müssen nun mal irgendwo untergebracht werden und alle wollen, dass sie weggesperrt werden. Aber bitte nicht nebenan. Ich habe eigentlich nichts dagegen. Mich würde aber mal interessieren, ob einer von euch ne Ahnung hat, ob es wirklich gefährlicher ist, in der Nähe einer Forenischen Klinik zu wohnen bzw. ob die, die nebenan wohnen, jetzt in Dauerangst leben.


    Wenn ich sage, dass ich den Bau O. K. finde, werde ich immer nur angeschrien, fertig gemacht und abschätzig angeguckt. Ich kann mich zwar wehren, aber da ich mich nicht wirklich mit der Thematik auskenne, würde mich interessieren, ob jemand mit Ahnung was dazu sagen kann.

  • Ich habe jahrelang in einem Ort mitso einer Klinik gelebt- passiert ist nie etwas. Wenn da einer abhaut ist der Ortrecht sicher, der haut nämlich erstmal ab um wegzu sein und drei Dörfer weiter mag ich da nicht wohnen, das wäre gefährlicher.

  • Ich glaube Menschen haben immer Angst. Wenn man Kinder hat versucht man diese zu schützen. Wer mag schon daran denken, dass nebenan ein Kindermörder-Schänder "wohnt".


    Ich sehe das immer so zur Zeiten des:
    Rinderwahns - Rindfleisch essen, weil es genau dann am besten kontrolliert wird
    Schweinepest - dito
    Vogelgrippe - lecker
    verseuchte Bioeier - mhm Omlette
    Schließ dein Auto nicht ab, dann bricht auch keiner ein


    Und wenn du einen Knast oder eine Klapse vor der Tür hast, dann wird sicher keiner frei herumlaufen. Oder wie Beo schon sagt: schnell das weite suchen ;-)


    Gruß

    Fay
    Ein Roman ist wie der Bogen einer Geige und ihr Resonanzkörper wie die Seele des Lesers. (Stendhal)

  • Zu einer forensischen Klinik kann ich nichts sagen, nur zu einer Jugend-JVA. Eine gute Freundin von mir wohnte mal direkt gegenüber. In Angst und Schrecken lebte sie nicht, aber es kam tatsächlich schon mal vor, dass jemand entflohen ist und dann mal schnell in der Nachbarschaft ein Auto stahl oder einer vorbeilaufenden Oma die Handtasche entriss, um Geld für die Flucht zu haben. Auch konnte es vorkommen, dass so ein Entflohener dann im eigenen Vorgarten von der Polizei gestellt wurde. Was so angenehm ja auch nicht ist.
    Aber ich vermute ja mal, dass so eine forensische Klinik um einiges ausbruchssicherer ist?

  • Bei uns in der Stadt haben wir vor etwa 12-15 Jahren den Bau einer solchen Klinik abgewehrt, Mahnwachen, Unterschriften, Bürgerinitiativen. Wir haben aber eine "normale" Psychiatrie, da ereignen sich genug Dinge. Unlängt war ein Bewohner abgängig und hat den erstbesten Mann, der ihm über den Weg lief einfach umgehauen. In Geschäften wird Ware bestellt, obwohl die Leute nicht geschäftsfähig sind. Die Betreuer bestellen dann wieder ab. Letztens hockte einer auf dem Strommast und wollte nicht mehr herunter kommen. Mir reicht das.

  • Liebe Groupie,


    Ausbrüche aus forensischen Kliniken sind sehr selten. Schon häufiger kommt es zu Unregelmäßigkeiten bei Ausgängen.


    Sofern es um die Art von Belästigungen geht, die BelleMorte (wie ich finde: realistisch) beschreibt, sind die in der Umgebung von "normalen" psychiatrischen Kliniken sicherlich viel stärker.


    Viele Grüße


    Nadja

  • Eine normale Psychiatrie haben wir im Nachbardorf und das klappt eigentlich super. Das ist wirklich ein Dorf, sprich: man kennt da seine Kunden. Und wenn da einer ankommt und was bestellen will, den man bisher nicht kennt und der etwas merkwürdig wirkt, wird da näher nachgefragt. Und wenn Leute im Bademantel und Puschen im Supermarkt einkaufen, dann lacht auch niemand, sondern denkt sich einfach: ach, der kommt aus der Psychiatrie und kauft sich wieder seine Schokoriegel. Das klappt hier eigentlich gut.


    Aber bei Forensik hätte ich schon mehr Angst, auf Leute mit Ausgang zu treffen.


    Und Menschen, die abhängig sind, hauen auch ohne Klinikaufenthalt wen um. Ich glaube nicht, dass sich sowas ballt, nur weil eine Psychiatrie in der Nähe ist.

  • wir wohnen zwei Dörfer weiter von solch einer Klinik, sie ist eine der größten Fachkliniken Deutschlands.....wir leben eigentlich gut damit, wenn allerdings ein Hubschrauber kreist, hat man schon ein komisches Gefühl.....aber Bedenken habe ich ansonsten persönlich keine.....

  • Meine Eltern wohnen auch ein paar Dörfer von einer solchen Klinik weg (und ich habe dort natürlich bis zum Studium ebenfalls dort gelebt). Mehrere unserer Bekannten arbeiten dort, zwei meiner Abitur-Kameradinen haben dort eine Ausbildung (Krankenschwester, Pflegerin) gemacht. Die Gebäude sind Hochsicherheitsgebäude, vier Meter hohe Mauern, eine zentrale Eingangsschleuse, soweit ich weiß normalerweise ein Betreuer pro Patient.


    Ich habe mehrfach von den Leuten, die dort arbeiten, gehört, dass die Betreuung dort in der Forensik wesentlich besser ist als ich der Psychiatrie. Die Klinik hat auch im Umkreis einen guten Ruf. Manchmal hört man, dass sich die Nachbarn geklagen, aber eher über die Mauern und Zäune und die unschöne Aussicht :rofl.


    Man bekommt schon mit, wenn jemand geschafft hat, abzuhauen, aber Angst oder so haben/hatten wir keine.

    "Show me a girl with her feet planted firmly on the ground and I'll show you a girl who can't put her pants on." (Annik Marchand)

  • Zitat

    Original von Zimööönchen
    Meine Eltern wohnen auch ein paar Dörfer von einer solchen Klinik weg (und ich habe dort natürlich bis zum Studium ebenfalls dort gelebt). Mehrere unserer Bekannten arbeiten dort, zwei meiner Abitur-Kameradinen haben dort eine Ausbildung (Krankenschwester, Pflegerin) gemacht. Die Gebäude sind Hochsicherheitsgebäude, vier Meter hohe Mauern, eine zentrale Eingangsschleuse, soweit ich weiß normalerweise ein Betreuer pro Patient.


    Ich habe mehrfach von den Leuten, die dort arbeiten, gehört, dass die Betreuung dort in der Forensik wesentlich besser ist als ich der Psychiatrie. Die Klinik hat auch im Umkreis einen guten Ruf. Manchmal hört man, dass sich die Nachbarn geklagen, aber eher über die Mauern und Zäune und die unschöne Aussicht :rofl.


    Man bekommt schon mit, wenn jemand geschafft hat, abzuhauen, aber Angst oder so haben/hatten wir keine.


    Ein Betreuer pro Patient? Das ist ja Wahnsinn. :yikes

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Zitat

    Original von Groupie
    Bekommen die Patienten einer forensischen Klinik denn unbegleiteten Ausgang? Doch eher nicht, oder?


    Nur BVB- Fans unter den Patienten ... :keule ;-)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Ehrlich gesagt, mir wäre es lieber, dass genügend Platz für diese Menschen in Form von forensischen Kliniken geschaffen wird als dass man Dinge eher fallen lassen müsste, weil de fakto nicht genügend Möglichkeiten da sind.


    Ich arbeite selbst in einer Psychiatrie, in der nur zeitweise mal forensische Patienten auf der geschützten Station untergebracht sind. Mehr Angst habe ich dadurch nicht. Generell gibt es genügend kranke Personen, die nicht in geschütztem Rahmen untergebracht sind, weil sie schlichtweg noch nicht straffällig geworden sind. Lebt deshalb jeder in Angst und Sorge? Oder stellt eine ,,normale" Fachklinik für Psychiatrie aus diesen Gründen auch mehr Ängste dar, weil dort schließlich ebenso schizophrene Patienten untergebracht sind, die auf einer offenen Station geführt werden und plötzlich wieder wahnhaft geworden sind? (und dann natürlich dementsprechenden Ausgang haben)


    Ich denke, da herrscht in unserer Gesellschaft eben verdammt viel Unwissenheit, gescheite Aufklärung könnte da ggf. auch gewisse Ängste unbegründet werden lassen.

  • Zitat

    Original von Groupie
    Da habt ihr sicherlich Recht und bei mir hält sich die Angst ja auch in Grenzen. Aber es wird ja auch hier überhaupt nichts getan, um mal aufzuklären. Weder damals noch heute. Ich bin mal gespannt, ob da noch was kommt.


    Ich fürchte, das hat Methode. Man kann ja viel besser Stimmung machen, wenn man mit diffusen Ängsten spielt, als vor aufgeklärte, informierte Menschen zu treten.
    Eine meiner Töchter arbeitet in der größten jugendpsychiatrischen Einrichtung hier in S-H. Natürlich jagt es einem Außenstehenden manchmal blankes Entsetzen ein, wenn sie - selten genug - von den täglichen Zwischfällen mit diesen bedauernswerten Menschen spricht. Aber die Gefährdung der "Außenwelt" durch diese ist erfahrungsgemäß gering. Viel geringer jedenfalls als durch betrunkene Autofahrer, die auf den Straßen vor der Anstalt herumfahren könnten ... Soweit zur "normalen" Psychiatrie.
    Bei den Recherchen zu meinem Buch "Das Erbe der Wölfin" habe ich im Frühjahr 2011 die Einrichtung der forensischen Psychiatrie in Bayern besucht, die Luckynils hier erwähnt, und Gespräche mit Ärzten und Pflegern geführt. Dort bekam ich eine Statistik gezeigt, aus der hervorging, dass in den letzten zehn Jahren kein einziger Ausbruch gelungen war. Versuchte Ausbrüche hatte es, wenn ich mich recht erinnere, in diesem Zeitraum nur drei gegeben. Selbst das hat mich verwundert, denn ich konnte mich davon selbst überzeugen: Die Sicherheitsmaßnahmen dort sind ... beeindruckend, um es mal vorsichtig auszudrücken. Allerdings leben dort auch sehr kranke Menschen, die wirklich außerordentlich gefährlich sind, vor allem aber für das Personal, das für sie sorgt. Ich habe diese Menschen natürlich nicht zu Gesicht bekommen, schließlich ist das ja kein Zoo, sondern ein besonderes Krankenhaus für die erbarmungswürdigsten Geschöpfe unserer Spezies. Dennoch war ich heilfroh, als sich nach ein paar Stunden das Kliniktor wieder hinter mir schloss - und zwar auf der richtigen Seite ...
    Übrigens: Freigang oder auch nur begleiteten Ausgang haben die Patienten der forensischen Psychiatrie natürlich nicht. Sie werden also auch im dörflichen Supermarkt nicht auftauchen.

  • Zitat

    Original von Groupie
    Ich nehme an, dass die Stadt auch Angst hat, dass nicht mehr so viele Touristen kommen und Erholungsurlaub machen, wenn hier so eine Klinik steht. Mich würde es ja eher freuen, wenn ich meinen See im Sommer auch mal für mich hätte ;-).


    Na ja, auch in solchem See lauern bekanntlich unheimliche Geschöpfe.
    Aber in diesem Fall ist es ja wohl eher der "Loch Bagger" und nicht der Swimmingpool von Nessie ... :schwimmen

  • Psychisch kranke Straftäter können nur dann sicher untergebracht werden, wenn ausreichend Plätze zur Verfügung stehen. Die vorhandenen forensischen Kliniken platzen aus allen Nähten. Fast jeder, den man fragt, plädiert für eine sichere Unterbringung - allerdings nur solange, wie diese weit genug vom eigenen Wohnort entfernt ist. Das nennt man dann wohl Floriansprinzip.


    Ich wohne seit sehr vielen Jahren ca. 25 km von einer der größeren forensischen Kliniken in NRW entfernt. Ausbrüche gab es dort ebenfalls schon sehr lange nicht mehr. Ich kann mich nur noch dunkel an mehr oder weniger gelungene Versuche erinnern, die jedoch aus einer Zeit stammen, in der die Hochsicherheitszäune noch nicht errichtet waren. Jetzt ist das Arreal so sicher, dass Fort Knox dagegen eine Frittenbude ist.


    Übrigens ist die Gegend rund um die Einrichtungen auch nicht gefährdeter, als der Standort selbst. ;-) Jedenfalls nach meiner doch inzwischen recht langen Erfahrung.

    Lieben Gruß Idgie



    Erst wenn man viel gelesen hat, lernt man wenig Bücher schätzen.

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