'Die Tore des Himmels' - Seiten 001 - 125

  • Ich bin noch in der Mitte des Leseabschnittes, aber die ersten Eindrücke möchte ich ganz gern ausschreiben, sonst lese ich wieder schneller weiter, als ich denken kann. :)


    Zunächst mal ist mir der Einstieg wieder unglaublich leicht gefallen. Konrad, Elisabeth, Gisa, Herrmann, Ludwig, Mechtel und die anderen Personen, denen ich bis jetzt begegnet bin, lassen sich gut greifen und begreifen. Ich denke, es ist wichtig, dass Elisabeth mit Gisa eine Freundin aus einer einfachereren Schicht an ihrer Seite hat. Es deutet sich ja schon recht früh an, dass sie es mit der Heiligenverehrung ein wenig zu ernst nimmt. ;)
    Interessant finde ich auch die beiden Söhne des Landgrafen, auch, wenn es vielleicht wieder ein wenig stereotyp ist: der Ältere von beiden, der schon jung verlobt worden ist und eher kämpfen, als denken kann und für den die Bauern nur arbeitendes Ungeziefer sind. Und der Jüngere, der eigentlich keine Aussicht auf´s Erbe hat, mehr Verstand als Muskeln und die Schichten nicht als gottgegeben sieht. Das wird bestimmt noch interessanter, mit den beiden.


    Was natürlich das heimliche Highlight für mich ist, ist die Tatsache, dass das Buch in meinem alten Heimat-Bundesland spielt, quasi bei mir um die Ecke. Jeden dieser Orte kenne ich und amüsiere mich daher ganz wunderbar bei der Vorstellung, dass es einen Grafen von Schlotheim gab. :D Oder gar von Vargula!
    Aber ich muss zugeben, solange ich in Thüringen gewohnt habe, habe ich Elisabeths Geschichte sträflich ignoriert, jedenfalls größtenteils. Umso besser, dass ich die Lücke in der Bildung jetzt ein kleines bißchen schließen kann...


    So, und bevor Burgfrollein Gisa ihren tollen Ritter auf dem schwarzen Roß heiratet, gehe ich jetzt wieder weiterlesen.

  • Ich bin etwas über die Mitte des ersten Abschnittes hinaus und finde wieder mal, dass Sabine Weigand es wunderbar versteht, die Lebensumstände im Mittelalter zu schildern. Alles (fast alles) wirkt echt und man merkt, dass sie ihre Figuren nicht nur in diese Zeit gesetzt hat, weil das (noch) aktuell ist, sondern dass sie etwas zu erzählen hat und sich mit dieser Zeit auskennt. :-)
    Wenn man liest, dass Mord und Totschlag an der Tagesordnung waren, dass die Bauern ausgebeutet wurden und wie mit Frauen umgegangen wurde, so bin ich wieder mal froh, in der heutigen Zeit zu leben.
    Bis jetzt ein toller Auftakt, einzig eine Kleinigkeit auf Seite 46 wirkt nicht so ganz überzeugend - das Wort "Urlaub". Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Wort zu der Zeit schon bekannt war. Da der Rest der Sprache absichtlich auch etwas "mittelalterlich" klingt, wirkt dieses Wort wie ein kleines Störfeuer...
    So und auch ich verschwinde wieder mit dem Buch und einem Tee auf mein kuscheliges Sofa und genieße es, im Oktober 2012 lesen zu können. :-)

  • Bin noch nicht so weit, hab aber mal reingespitzelt.


    @ Eskalina:


    Ich kann mich an ein Mediävistikseminar erinnern, da ging es um Heldendichtung und die Ritter hatten tatsächlich "Urlaub" gefordert. Da Wikipedia es besser erklären kann als ich, hier mal ein Zitat:


    Zitat

    Original von Wikipedia "Urlaub"
    Sprachgeschichtlich geht der Begriff Urlaub auf das alt- und mittelhochdeutsche Substantiv urloup zurück, das zunächst ganz allgemein „Erlaubnis“ bedeutete. In der höfischen Sprache der mittelhochdeutschen Zeit bezeichnete es dann die Erlaubnis wegzugehen, die ein Höherstehender oder eine Dame dem Ritter erteilen konnte. So baten im Hochmittelalter Ritter ihren Lehnsherren um urloup, also um „Urlaub“.


    Fand ich ganz interessant, wollte es nur einmal anmerken.

  • Ich habe auf Seite 77 mal eine Pause eingelegt.
    Ich habe ein Weilchen gebraucht bis ich in der Geschichte drin war und die Personen auseinander sortiert hatte, aber mittlerweile bin ich gut gelandet und bin gespannt, wie es weiter geht.
    Die Mischung aus verschiedenen Erzählperspektiven und alten Dokumenten gefällt mir - wie immer in Sabine Weigands Bücher - sehr!


    Am liebsten lese ich Gisas Abschnitte, die finde ich am lebendigsten. Und Gisas macht so einen normalen und liebenswerten Eindruck.
    Schmunzeln musste ich bei der Kur für schöne Brüste - Hühnerdreck in Wein bei Vollmond und eine Fischblase - pfui. :lache
    Ich bin über den Begriff "minniglich" gestolpert, bis jetzt kannte ich nur inniglich. Aber Herr Duden hat mir schon verraten, dass es kein Tippfehler ist. :grin


    Und Hermann war zur Erziehung auf der Plassenburg - dort spielt doch die Markgräfin, oder?


    Mechtel tut mir leid, und das Schicksal ihrer kleinen Tochter war ein Schock. Mit sowas hatte ich an der Stelle überhaupt nicht gerechnet. Aber ich bin schon sehr gespannt, welche Rolle Mechtel noch spielen wird.


    Wenn Wido in Erscheinung tritt, gruselt es mich. Ein umheimlicher Mensch... interessant fand ich, was er sich alles versagt, z.B. Fleisch und "auch sonst nichts, was durch Zeugung in die Welt gekommen ist".


    Elisabeth ist interessant, aber sie bleibt mir fremd... aber ich finde es spannend, dass sich bestimmte Interessen und Wesenszüge doch schon im Kindesalter abzeichnen.


    Das Personenverzeichnis am Ende habe ich schon studiert und finde es hilfreich. Schade, dass es keine Landkarte gibt.

  • Wido muss wirklich ein merkwürdiger Lehrer gewesen sein. Er hielt sich offenbar nicht an die klassischen Vorgaben zum Lehren. :grin


    Der Roman hatte mich schon nach wenigen Seiten überzeugt. Die Figuren sind übersichtlich in der Anzahl und nach und nach werden auch die Charakterzüge deutlich. Da ich noch nicht mit dem Abschnitt durch bin, schreibe ich später mehr dazu.

  • Elisabeth von Thüringrn und ein Parfait, einer der bonhommes auf Deutsch übersetzt - hätte ich nicht Sabine Weigand auf dem Cover stehen, Seite 50 hätte ich nicht erreicht. Ein Katharer am Höfe des Thüringer Fürsten mag ja noch angehen, aber die Fürstenfamilie verstrickt, dass bedeutet eigentlich Buch in die Ecke pfeffern, aber das ist das Buch von der Autorin, die "Die Seelen im Feuer" geschriebennhat, da wird weitergelesen.

  • Ich habe gestern Abschnitt 1 beendet. Mir fiel der Einstieg mal wieder überhaupt nicht schwer, und Sabine Weigand schreibt so fesselnd, das ist einfach genau das richtige Buch für mich, in genau der richtigen Jahreszeit :) Ich habe keine 3 Seiten gebraucht, schon war ich "drin" und das Kopfkino lief!


    Die kurze Einführung der Figuren fand ich sehr gelungen, am meisten berührt mich allerdings die Mechtel/Primus Geschichte, da bin ich ehrlich. Gisa und die beiden Armen machen die Geschichte durch ihre Erzählungen sehr lebendig.


    Gut gefallen mir (wie auch schon bei die Seelen im Feuer) die eingefügten Briefe in altertümlicher Sprache. Ich lese sowas unheimlich gerne :) Wobei der Brief von Hedwig von SChlesien an Elisabeth schon irgendwie krass war. Lepröse waschen und dann mit dem Wasser die Lippen benetzen... :yikes


    Interessant beschrieben fand ich die ganze Szenerie um den Tod vom Landgraf und seinem ältesten Sohn. Das kennen wir doch schon aus Tanja Kinkels "Das Spiel der Nachtigall" nur kommt in ihrer Version der gute Ludwig nicht ganz so gut weg, wenn ich das richtig in Erinnerung habe?


    Wido: Ich weiß bisher nicht viel über die Katharer, daher finde ich das durchaus interessant. Aus der heutigen Sicht sind sie wohl ganz schöne Freaks, aber damals wohl tatsächlich ziemlich gruselig....

  • Ich finde den Einstieg auch wieder sehr gelungen. Die Figuren sind sehr plastisch und die Sicht Gisas ist sehr lebendig.
    Dazwischen eingestreut immer wieder die Briefe, die zu lesen ich zwar schwierig finde (und ich mich schon sehr anstrengen muss, um sie nicht zu überblättern), die aber einen immer wieder auf den Boden der Zeit holen, in der das Ganze spielt.
    Was der Landgraf wohl gehabt hat? Einen Hirntumor? Schön finde ich, hier Walther von der Vogelweide wiederzutreffen, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass er bei Tanja Kinkel Zahnlücken und einen Ranzen hatte ;-)

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Zitat

    Original von Nachtgedanken
    Schön finde ich, hier Walther von der Vogelweide wiederzutreffen, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass er bei Tanja Kinkel Zahnlücken und einen Ranzen hatte ;-)



  • n8eulchen - oh, das war mir nicht bewusst - ich hätte das Wort niemals dieser Zeit zugeordnet. Danke für die Infomation. :wave


    Die Mechtel/Primus Geschichte geht mir auch recht nahe - man hat das Gefühl, dass das damals kein Einzelfall, sondern bitterer Alltag für die einfache Bevölkerung war.


    Dieser Wido ist schon ein unangenehmer Zeitgenosse - ist sein Verhalten tatsächlich konform mit der Lehre der Katharer, oder ist da auch seine persönliche Arroganz und Lebenseinstellung dabei, wenn er z.B. sich als Perfekten bezeichnet? :gruebel


    Ich glaube, ich muss noch eine ganze Menge Hintergundinformationen lesen, denn, wie immer bei Sabine Weigand, kann man sehr viel lernen.
    Schade, dass sie nicht persönlich dabei ist, um ein paar Fragen zu beantworten...

  • Ich empfehle auf Youtube das Wort Katharer zu suchen, da gibt es in neun Teilen zu je etwa zehn Minuten eine ARTE Dokumentation. Die Katharer hatten eine ebenfalls hierarchisch gegliederte Kirche und die Perfectii, Parfait, oder Perfekten waren die, die eine Endstufe der Gläubigkeit erreicht hatten. Also der Name war eher eine Bezeichnung wie Pfarrer. Keine Arroganz.



    Edith meint, wer über den Glauben der Katharer etwas in einem historischen Roman lesen will hat Breite Auswahl. Zuletzt den von unserer Miteule Tereza

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • @beo - ich habe neulich schon einen sehr interessanten Film auf arte zu dem Thema gesehen. Auf mich wirkte nicht die Bezeichnung "Perfekter" so arrogant, sondern die Ansicht, dass es ihn über die anderen erhebt und er bei dieser Abendmahlsfeier, die Gisa heimlich beobachtet, nur alleine das Vaterunser sprechen darf, weil die anderen nicht rein genug waren.
    Das halte ich für Arroganz und deshalb die Überlegung, ob das eine persönliche Ansicht von Wido oder Glaubenslehre der Katharer war. Ich sehe mir morgen mal die Filmchen an, vielleicht wird das dann klarer. Danke für den Tipp. :wave


    edit: Ich habe nun einen sehr interessanten Artikel bei Wiki dazu gefunden - wow, ziemlich gruselige Leute waren das...Die Ansichten waren erschreckend... :yikes

  • War der Landgraf von Thüringen wirklich ein Katharer oder ist das reine Fiktion?
    Mir tut die Landgräfin sehr leid, sie hatte wirklich Angst um ihren Mann.


    Wido eckelt mich an. Er berührt die Mädchen selbst bei einem Segen nur durch ein Tuch.

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach

  • Lili - Schau mal bei Wikipedia. Frauen wurden tatsächlich nur so berührt...


    Zitat Wiki: Frauen konnten ebenso wie Männer das Consolamentum erhalten, um gerettet zu werden. Jedoch war der Ritus für Frauen etwas abgeändert: Sie durften während der Zeremonie nicht berührt werden. Daher wurde ein Tuch über sie gedeckt. Da die Katharer annahmen, dass die Seele von Natur aus männlich sei, wurde nach Ansicht der Katharer beim Tod einer Perfecta ihre Seele in den ursprünglichen Zustand versetzt – sie wurde männlich. Die Perfecta wurde der Theorie nach zu einem asexuellen Wesen, ihr Geist löste sich vom Körper und erinnerte sich seines ursprünglich männlichen Zustandes.


    Schwangeren Frauen durfte kein Consolamentum erteilt werden, da sie nach Ansicht der Katharer einen Dämon im Leib hatten. Die Katharer lehnten generell die Zeugung von Kindern ab, da Adam und Eva ursprünglich ohne Sexualität gelebt hätten und vom Teufel zur Sünde der Reproduktion verführt worden seien.


    Ich habe nichts darüber gefunden, dass der Landgraf Katharer war. In diesem Roman hat er aber deutlichen Sympathien für die Sekte, obwohl es sich eigentlich ja widerspricht, wenn er nach wie vor seinem luxuriösem Lebensstil treu bleibt... :-)

  • Bin zwar erst Mitte des ersten Abschnitts, aber ich verfolge mit Begeisterung die Postings hier. Wieder mal ein so hochwertiger historischer Roman, dass man immer wieder mal was nachschlagen oder googeln muss. Einige Begriffe sind mir neu - oder ich habe sie schon wieder vergessen gehabt. Saufedern z.B. Hörte sich ja nicht nach einer Waffe an. War aber eine hab ich jetzt nachgeschaut. Oder Grundholde - klingt wie aus einem Fantasyroman. :grin Das Register hinten ist für meine Bedürfnisse leider viel zu klein.
    Bin froh, dass ihr hier schon voll dabei seid. Die Sache mit dem Urlaub z.B. Und nach euren Postings habe ich ein ganz neues Bild von Wido. Er ist gar nicht besonders bigott oder exzentrisch sondern einfach nur genau auf der Linie des Karthaer-Glaubens. Das ist für mich eine sehr wichtige Info, da man sonst schnell mal zu voreingenommen bei einer Person ist. Dieser Glauben ist was Frauen betrifft ja noch rigider als der katholische. Und die Schwangere hat einen Dämon im Leib, dass ist ja der Überhammer. So was von verquerer Glauben. :pille

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Ich hatte auch etwas Probleme am Anfang mit den ganzen Personen und dem Einstieg der Handlung. Nach einer Weile ging das aber.
    Ich habe bisher ein Buch von Sabine Weigand gelesen (Die Seelen im Feuer) und fand das richtig gut. Auch hier ist der Schreibstil wieder sehr ansprechend und lebhaft, nachdem man den Einstieg geschafft hat.


    Die verschiedenen Erzählperspektiven und alten Dokumente finde ich sehr spannend und interessant.


    Die Personen finde ich sehr greifbar.
    Das Schicksal von Mechtels Tochter ging mir sehr nahe und Wido lässt mir unheimliche und kalte Schauer über den Rücken laufen.
    Von Gisa lese ich auch am liebsten.


    Das Personenverzeichnis finde ich auch super und bei historischen Bücher wie ich finde ein Muss. Eine Landkarte hätte ich mir auch gewünscht.


    Ansonsten bekommt man einen guten Einblick in die damalige Zeit und die dortigen Verhältnisse und ich bin schon gespannt wie es weitergeht. :-)

  • Hallo liebe Mitleser,


    auch ich kann endlich in die Leserunde einsteigen, nachdem ich die ersten 125 Seiten weggeschmöckert habe.


    Auf den ersten 20 - 30 Seiten habe ich mir etwas schwer damit getan die Charaktere auseianderzuhalten bzw. richtig einzuordnen. Sehr hilfreich war dabei das Namensregister am Ende des Buches. Danach war ich aber mitten in der Geschichte, die mich dann auch erfreulicherweise sehr schön mitgerissen hat.


    Wie gewohnt ist Sabine Weigands Schreibstil dem mittelalterlichen Plot angepasst und wirkt dadurch sehr authentisch. Immer wieder steigt die Spannungskurve an, so dass die Handlung bisher noch an keiner Stelle langweilig wurde.


    Besonders sympathisch ist mir Gisa. Obwohl Primus im Moment noch wie ein unschuldiges Kind wirkt, befürchte ich doch, dass man sich vor ihm noch in acht nehmen werden muss.


    Insgesamt bin ich doch sehr gespannt, wie es mit Elisabeth und ihrem strengen Glauben weitergehen wird.