'Schuld und Sühne' - Kapitel 21 - 30

  • Bin zwar noch nicht weit in diesem Teil, aber es hat gereicht um meine ohnehin schon nicht große Sympathie für Raskolnikow gegen Null schmelzen zu lassen. Was fällt ihm eigentlich ein, sich gegenüber Sonja als arroganter Moralapostel aufzuspielen???


    Zitat

    "Es wäre vernünftiger, tausendmal vernünftiger und gerechter, einfach ins Wasser zu gehen und allem ein Ende zu machen!"
    Fischer-Ausgabe S. 435


    Er, der Mörder, macht ihr auf übelste Art Vorwürfe, schlägt ihr sogar Suizid als "Lösung" für ihr "erbärmliches" Leben vor, weil sie sich prostituiert um ihre Familie zu ernähren, ich glaub jetzt gehts los... :fetch :fetch :fetch


    Empörte Grüße,
    milla

  • Hmmm irgendwie fühl ich mich ein bisschen alleine auf weiter Flur in dieser Leserunde.... HAAAAALLLOOOOO? Naja kommt bestimmt noch jemand :-]


    Ich schreib trotzdem noch was dazu, sonst vergesse ich das wieder.


    Was mir in diesem Teil richtig richtig gut gefallen hat, war das Verhör aaah nein, das Gespräch zwischen dem Staatsanwalt Porfirija und Raskolnikow. Der Staatsanwalt war so herrlich undurchsichtig, zuerst erklärt er R. was er machen würde, wenn er einen Verdacht hätte (seine Argumentation passt bis ins Detail auf den Verdacht, dass R. der Täter ist) und stellt sich gleichzeitig aber sehr naiv. Als R. die Tat leugnet, verhält sich der SA wie die Unschuld vom Lande - die russische Version von Columbo, super!

  • Jetzt beginnt es richtig fies zu werden.


    Raskolnikoff schwebt ständig zwischen Selbstzweifeln, dem Wunsch, sich zu stellen und der Arroganz, dass es doch nicht so schlimm wäre. Seine Gefühlsschwankungen und Ausbrüche sind wirklich heftig.


    Die Charaktere drehen langsam aber sicher alle total durch, habe ich das Gefühl... gleichzeitig gibt es nicht einen unter ihnen, der nicht auch eine gute Tat vollbringt ( außer Lujin...) Und trotzdem nutzt Dostojewski diese Taten mit keinem Wort in seiner Vorstellung von Sühne, die ja nun auch angedeutet wird. "Die Last auf sich nehmen." Ich frage mich, wie die Sühne wohl aussehen wird.


    Die Anbandlung zwischen Dunja und Rasumichin gefällt mir, aber wirklich was passieren tut da nicht.


    Die "Liebe" zwischen Sonja und Raskonlikoff wirkt komplett verdreht auf mich.


    Ich erwarte ständig, dass Raskolnikoff noch jemandem umbringt. Die Auflösung mit dem komsichen Mann, der sich für seinen Verdacht entschuldigt, war etwas enttäuschend. Keine bedeutende Rolle gespielt, der Mann.


    JAss :keks



  • ich fand diesen Dialog sehr spannend: mir schien es, dass R. seine eigene Unzulänglichkeit auf Sonja projiziert, diese in ihr zu bekämpfen versucht. Klang für mich auch so, als würde er selbst immer wieder mit dem Gedanken spielen, seinem Leben ein Ende zu setzen, obwohl er sich das ja nicht traut :grin Sonja dient ihm hier anscheinend irgendwie als Spiegel.

  • @ mina


    Das kann sein! Andererseits erlebt man es ja wirklich täglich, dass gerade Menschen, die keine weiße Weste haben, besonders gerne auf die Fehler anderer hinweisen - fällt mir im Nachhinein noch einmal auf. Dabei habe ich allerdings nicht den Eindruck, dass sie ein Schuldbewusstsein ihrem eigenen Verhalten gegenüber haben :gruebel Nun ja, menschlich *g*

  • Das Gespräch ganz am Anfang zwischen Swidrigailow und Raskolnikow fand ich nun schon recht eigenartig. Dass sich jemand das Jenseits als kleines Zimmer vorstellt, in dem in jeder Ecke Spinnen sitzen, also so etwas habe ich wirklich noch nirgends gehört oder gelesen. Ist ja richtig eklig!
    Und den Grund für diesen Besuch erfährt man überhaupt erst so nebenbei.
    Wenn man sich die beiden so vorstellt, wie sie da sitzen und sich mit weit aufgerissenen Augen minutenlang anstarren, wie es einmal heißt, da hat die ganze Szene für mich schon eher etwas von einem bühnenartigen Auftritt.
    Ich hatte dieses Gefühl der Bühnenhaftigkeit überhaupt schon öfter während des Lesens dieses Romans, besonders dann, wenn die handelnden Personen einfach in den Wohnungen anderer Leute auftauchen, nicht anklopfen, sich einfach hinsetzen, den Wohnungsinhaber anstarren, ohne etwas zu sagen.
    War das so der Brauch im Russland von Dostojewski, oder ist das sein Stilmittel um Spannung zu erzeugen? Oder ist Raskolnikow vielleicht doch geisteskrank?
    So ganz klar ist mir das derweilen noch nicht.
    Umso spannender das Weiterlesen!

  • Es tut mir leid, dass ich schon wieder etwas schreiben muss, aber es ist einfach nur spannend.
    Die Szene, in der Raskolnikow Sonja trifft, hat mich sehr berührt. Ich sehe ihn da nicht als Moralapostel, wie es in einem der Postings aus der alten LR heißt. Der Mörder und die Buhlin, wie es im Buch heißt, treffen sich nach meinem Verständnis durchaus auf derselben Ebene. Indem er ihr die Füße küßt, zeigt er, dass er Verständnis für ihre Lage hat. Und seine Frage, warum sie noch nicht ins Wasser gegangen sei, ist für für mich eher gleichbedeutend mit der Frage: Wie hältst du dieses Leben aus?


    Dass er wegen der verpfändeten Gegenstände sogar zum Untersuchungsrichter geht, ist für mich ein Hinweis darauf, dass er sehr unter seiner Tat leidet. Er will tatsächlich verhaftet werden, zumindest aber möchte er Gewißheit haben. Bin ich für die Behörde verdächtig? Wenn nicht, dann laßt mich in Ruhe.
    Der Untersuchungsrichter macht das ja auch sehr geschickt. Er wirft ihm praktisch seine Schuld an den Kopf, zeigt sich aber sehr besorgt, als ihm schlecht wird, und bestreitet sogar jeden Verdacht gegen ihn.
    Jetzt kommt auch noch der Handwerker und bezichtigt sich selber der Tat. Nun bin ich ja sehr neugierig, wie das weitergeht, ob das womöglich nur eine List ist, damit Raskolnikow endgültig zusammenbricht.

  • So, ich hoffe, ich bin jetzt richtig hier im 2. Teil der LR.
    Ich lese gerade die Szene, in der Sossimow (Arzt) Raskolnikow und Rasumichin besucht und Rasumichin Sossimow zu der Feier einlädt.
    Ich bin gerade an dem Teil der Szene hängengeblieben, in denen Sossimow an den eingeladenen Gästen rummäkelt und Rasumichin sich dagegen werht:
    "Und wenn man jeden auf alle Arten unter die Lue nimmt- wie viele gute Menschen bleiben dann übrig? Ich bin überzeugt, daß man dann für mich samt allen Eingeweihten [oder Eingeweiden??] höchsten eine gebackene Zwiebel geben würde... Stößt Du einen Menschen zurück, wirst Du ihn nicht bessern"


    Ich fand die Stelle bemerkenswert und wollte sie mit Euch teilen. :-) Was meint Ihr?

  • Vulkan
    Diese Stelle, die Du da zitierst, zieht sich in Variationen irgendwie durch das ganze Buch. Es geht auch immer wieder um den Wert des Menschen in der Gesellschaft. Das wird auch für das Tatmotiv noch wichtig.
    Rasumichin ist auch ganz sympathisch und hilfsbereit; Raskolnikows Ansichten zu dem Thema haben mich eher befremdet.
    Jedenfalls war es für mich auch eine 1. Schlüsselstelle zu den Ansichten, die da später noch an den Tag kommen, aber vieles wird erst im Rückblick klarer.
    Mehr sollte ich aber nicht dazu schreiben, um nicht vorzugreifen.

  • Da geht's ganz schön rund im alten Russland.
    Ich dachte schon, jetzt geht's dem guten Rodion an den Kragen, aber dann taucht der Handwerker Nikolaj auf und klagt sich selbst des Mordes an.
    Mir ist aber nicht klar geworden, warum er das tut. Habt Ihr das durchschaut?

  • Zitat

    [i]Original von Sylli7

    Zitat


    Da geht's ganz schön rund im alten Russland.
    Ich dachte schon, jetzt geht's dem guten Rodion an den Kragen, aber dann taucht der Handwerker Nikolaj auf und klagt sich selbst des Mordes an.
    Mir ist aber nicht klar geworden, warum er das tut. Habt Ihr das durchschaut?



    quote von Sylli - eigentlich gehört das Zitat nach oben, sorry
    Dass er wegen der verpfändeten Gegenstände sogar zum Untersuchungsrichter geht, ist für mich ein Hinweis darauf, dass er sehr unter seiner Tat leidet. Er will tatsächlich verhaftet werden, zumindest aber möchte er Gewißheit haben. Bin ich für die Behörde verdächtig? Wenn nicht, dann laßt mich in Ruhe.
    Der Untersuchungsrichter macht das ja auch sehr geschickt. Er wirft ihm praktisch seine Schuld an den Kopf, zeigt sich aber sehr besorgt, als ihm schlecht wird, und bestreitet sogar jeden Verdacht gegen ihn.
    Jetzt kommt auch noch der Handwerker und bezichtigt sich selber der Tat. Nun bin ich ja sehr neugierig, wie das weitergeht, ob das womöglich nur eine List ist, damit Raskolnikow endgültig zusammenbricht.
    ende quote[/I]




    An der Stelle bin ich jetzt angelangt. Ich habe beim Lesen vorhin gedacht, daß R. jetzt wirklich irre wird/ist. Es ist wirklich so spannend, gehe wieder zum Buch :lesend

  • Ich habe gerade den Abschnitt beendet und heute das Kapitel mit dem Leichenschmaus gelesen.


    Über den früheren Verlobten von Dunja (Luschin) könnte ich mich ja endlos aufregen. Den 100-Rubel-Schein Sonja unterzuschieben, nur aus dem Grunde, damit er sich bei Raskalnikow (u.a. wegen der geplatzten Verlobung) rächen kann - unmöglich. Aber der Typ war mir von Anfang an nicht geheuer.

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    Ab hier Wiederaufnahme der Leserunde 2015
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")