Queen's play/Dorothy Dunnett

  • Band 2 der "Lymond Chronicles"


    Deutscher Titel: "Gefahr für die Königin" - OOP


    Inhalt:
    Frankreich im Jahr 1550. Die junge schottische Königin Mary lebt am Hof ihres Verlobten, des Dauphin von Frankreich. Anlässlich eines Besuches ihrer Mutter, der Queen Dowager von Schottland, erheben sich Befürchtungen, dass Marys Leben in Gefahr sein könnte, weshalb gewünscht wird, dass sich der bereits in jungen Jahren höchst legendäre Francis Crawford of Lymond am Hof aufhält, um die Augen offen zu halten. Aber um König Henri II nicht vor den Kopf zu stoßen, muss er unauffällig bleiben. Lymond aber hat seine ganz eigenen Ideen, wie man sich unauffällig - und ungebunden - verhält.


    Meinung:
    Ich habe "Queen's Play" - QP - nun zum mindestens dritten Mal gelesen und, wie es bei Dunnett üblich ist, ist es jedes Mal komplett anders. Dieses Mal hat mir das Buch wahnsinnig gut gefallen, nicht zuletzt weil es mich, wie es bei Dunnett üblich ist, vor allem in der zweiten Hälfte so gepackt und mitgerissen hat, dass ich buchstäblich machtlos war gegen diesen Sog. Das muss der wunderbaren Lady D erst noch jemand nachmachen. Vielen ist es bislang noch nicht gelungen, bei einem x-ten Durchgang.


    Sehr stark aufgefallen ist mir diesmal, dass das Buch neben der alles andere als unspannden Handlung vor allem den Charakter von Held Lymond stets hinterfragt, aus der Sicht eines nicht immer freiwilligen Gefährten, der letzten Endes mit Nachdruck daran arbeitet, ihn zu einem besseren Menschen zu machen und zu erziehen, wie er von ihm erzogen wird. Es ist ungeheuer faszinierend, dass ich nunmehr der Meinung bin, nach all diesen Jahren und Lesedurchgängen, Lymond noch ein wenig besser zu kennen und verstehen zu können.
    Außerdem ist das Buch auch ein Lehrstück über Anführer und Charisma und wie man damit umgehen sollte. Ein Buch über Francis Crawford of Lymond eben.


    Aber Lymond, selbst wenn er unüberwindbar im Zentrum dieser Geschichte steht - sobald man herausgefunden hat, hinter welcher Tarnung er sich verbirgt - ist nur einer von einer Vielzahl interessanter und unglaublich lebendiger Figuren hier. Herausgehoben seien der o.a. Gefährte, oder Robin Stewart, der so gerne sein Gefährte wäre, oder die Irin Oonagh, die sich so gar nicht in das Korsett einer klassischen Frauenrolle in enem historischen Roman fügen will. Und dazu kommen noch all die historischen Personen, in deren Dunstkreis Dunnetts Kreationen und zum Leben erweckte historische Fußnoten sich hier tummeln. Nicht übersehen sollte man auch die unauffälligeren Personen, wie zB den wunderbaren Archie.


    Die hier erzählte Geschichte muss sich qualitätstechnisch auch nicht hinter den Personen verstecken, es fügt sich hier, wie es bei Dunnett üblich ist, alles wunderbar zusammen. Allerdings ist QP von den 6 Bänden der "Lymond Chronicles" sicher einer der härteren Brocken. Zumindest diesmal. Ich komme nur sehr schwer darüber hinweg, wie mich die Beschäftigung mit diesen Büchern jedes Mal auf's neue überrascht und verzückt. Wenn es Bücher gibt, die mich ohne jeden Zweifel mein gesamtes Leben begleiten werden und die, zumindest bei denen, die ich nicht ohnehin schon geliebt habe, buchstäblich mit jedem Mal besser werden, dann bin ich hier absolut richtig. Aber habe ich daran wirklich jemals gezweifelt?


    PS: Link zur Leserunde wird angefügt, sobald diese später ihren Platz im Archiv gefunden hat.


    Edit: Das nicht ganz unwichtige Detail des Namens der Autorin ergänzt.
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  • Diesmal machen wir es mal umgekehrt, mit der deutschen Fassung angehängt und ich würde inständig darum bitten, es so zu belassen, denn bei dieser Buchreihe sollten stets die englischen Originalausgaben im Vordergrund stehen, nicht zuletzt da die deutschen vergriffen sind und in der Hälfte der Serie abbrechen.
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  • Ich habe das Buch in der Leserunde gelesen.


    Wie immer bei DD bin ich von dem Schreibstil restlos begeistert. Zu Beginn war ich -genau wie von DD erwartet :lache - verwirrt. Aber das es auch einige der Protagonisten so erging, fühlte ich mich in bester Gesellschaft. Auch viele der zwischenmenschlichen Gespräche fand ich emotional und wunderbar formuliert.
    Francis soll das Leben der kleinen Queen vor Attentaten schützen. Das macht er natürlich auf die gewohnte Lymond Art und Weise ohne Rücksicht auf eigene Verletzungen.
    Sehr gefreut habe ich mich auf das Wiedersehen mit der Familie und Freunden aus Teil 1. Die Brüder verstehen sich (noch).


    Ich hatte unterhaltsam Stunden und freue mich jetzt auf die nächste LR mit Disorderly Knight.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Queens’ Play - Dorothy Dunnett (Lymond Chronicles 2)


    erstmals erschienen 1964


    Ginge es gerecht zu in der Lesewelt, müßte der erste Satz diese Romans mindestens so berühmt sein, wie die ersten Zeilen eines Jane-Austen-Romans. Führt er doch nicht nur gleich die wichtigste Figur des Romans auf, sondern macht auch deutlich, auf welche Weise das Räderwerk in Gang gesetzt wird, das von da an ein prächtiges Panorama der höfischen Welt Frankreichs aus der Mitte des 16. Jahrhundert vor den Leserinnen entstehen läßt.
    She wanted Crawford of Lymond heißt es. Schlicht steht es da und man ist nicht im mindesten gefaßt auf die Spannung, Farbenpracht, Raffinesse, die Abgründe wie Höhen menschlichen Fühlens, die eine erwarten.


    Abenteuerroman, Kriminalgeschichte, Anhandlung philosophisch, künstlerischer und moralischer Probleme, beispielhafte Beschreibungen des hochadeligen Lebens und der politischen Intrigen der Zeit, Realistisches, Fantastisches, Herzbewegendes, Skurriles, Dunnett zaubert alles aus ihrem Ärmel. Sogar einen Elefanten.


    Die ‚sie’ des Eingangssatzes ist keine geringere als die Königinwitwe von Schottland. Ihre Sorge gilt ihrer kleinen Tochter, der siebenjährigen Mary, die als Braut des Dauphin am französischen Hof erzogen wird. Jemand versucht, die künftige Verbindung der beiden Königshäuser zu verhindern und Mary zu töten. Mary muß beschützt werden. Schottland braucht jedoch auch einen verläßlichen Informanten. Am besten übernimmt jemand diese Aufgabe incognito. Die Königinwitwe hat ihren Mann gewählt. Er übernimmt den Fall.


    Schon hier kann die Leserin anfangen, über seine Motive zu spekulieren ebenso wie über die Verkleidung, in der er sich auf die Reise macht.
    Der Feind, gegen den er antritt, ist schon am Werk, bereits die Überquerung des Ärmelkanals wird zu einem Abenteuer, das beinahe tödlich endet. Danach geht es Schlag auf Schlag, man kommt kaum zum Nachdenken. Die Leserin unablässig zu verblüffen und im Zustand des Staunens zu lassen, ist ein Markenzeichen der Autorin. Die Neugier bleibt dabei immer wach.
    Es gibt soviel zu sehen. Die Angehörigen des französischen Hofs, das Gefolge der schottischen Königin, historisch verbürgte Personen wie erfundene. Lymonds irische Begleiter. das Leben am Hof und in den Straßen, auf Reisen, wenn sich der Hof von Schloß zu Schloß bewegt. Das leben in den Schlössern, in Zimmern und Vorzimmern.


    Die Zusammensetzung der Gruppen wandelt sich oft blitzschnell, man ist als Leserin nie sicher, wem man trauen darf und wem nicht. Hat man sich für etwas entschieden, erkennt man im nächsten schon, daß man getäuscht wurde. Es ist Dunnetts Leistung, daß sie trotz wachsender Verwirrung das Interesse der Leserin über hunderte von Seiten wach hält. Sie schläft nie, ihrem scheinbar allwissenden und doch so verletzbaren Helden ähnlich.


    Allein um den Handlungsablauf spannend zu halten, hat Dunnett sich Großes einfallen lassen. Atemberaubende Prügeleien, Kämpfe mit Schwertern und spitzen Zungen, letztere kaum weniger lebensbedrohlich als erstere. Gift und Pfeil. Eine Jagd über nächtliche Dächer und durch nächtliche Wälder, ein im Wortsinn halsbrecherisches Pferderennen, Brände, von einem eher kleinen, dem Abbrennen eines Himmelbetts über ein abgefackeltes Haus bis hin zu einem Feuerfanal auf einem künstlichen See. Ebenso wie die seelische Anspannung und die psychische Herausforderung ihrer Figuren steigert sie auch die schiere körperliche Anforderung, was der Leserin beispielhaften Actionszenen einbringt.


    Die Leidenschaften, um die es geht, sind ebenso überhöht, wie realistisch. Vorgeführt werden Betrug und Selbstbetrug, falscher und redlicher Ehrgeiz, es wird die Frage diskutiert, welchen Überzeugungen man guten Gewissens folgen kann, ob das überhaupt geht und darum zu erkennen, daß alles, was man tut, Folgen auch für andere hat. Lymond als Hauptfigur ist nicht nur der allwissende Drahtzieher, er macht eine eigene Entwicklung durch, seine Figur gewinnt in diesem zweiten Band viel dazu. Andere Bekannte aus Band eins, die ihre Auftritte haben, entwickeln neue Facetten.


    Faszinierend sind die neuen Figuren. Die Irinnen und Iren, VertreterInnen des französischen Hofs, die englische Partei. Liebevoll werden aber auch Nebenfiguren gezeichnet, Dunnett genügt oft eine Skizze, um die jeweilige Person lebendig werden zu lassen. Es gibt wunderbare Frauenporträts, überraschende Einsichten in weibliches Handeln, die Beschränkungen und Spielräume von Frauen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Vor allem aber geht es um Macht, wie man sie erlangt, wie man sie erhält. Was man tut, wenn man sie gar nicht will. Oder wenn sie einem genommen wird.


    Wunderbar gelehrt, kundig auf vielen Gebieten, schreibt Dunnett auch eine kleine Enzyklopädie über Dichtung und Kunst in diesen Roman ein. Es scheint keine noch so schreckliche Situation zu geben, zu der Lymond nicht ein Zitat der (damaligen) Weltliteratur einfällt. Das muß man ertragen beim Lesen. Man tut es, selbst wenn man ab und zu mit den Zähnen knirscht. Weil es eben Dunnett ist.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus