Der Autor (Quelle Wiki)
Thomas Metzinger (* 12. März 1958 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Philosoph und Professor für theoretische Philosophie an der Universität Mainz. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Philosophie des Geistes, die Wissenschaftstheorie der Neurowissenschaften und die Neuroethik. Er war von 2005 bis 2007 Präsident der deutschen Gesellschaft für Kognitionswissenschaft, ist Adjunct Fellow am Frankfurt Institute for Advanced Studies und Mitglied des Beirates der Giordano Bruno Stiftung. Von 2008 bis 2009 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.
Kurzbeschreibung
Die Erkenntnisse der Hirn- und Bewusstseinsforschung zeigen für Thomas Metzinger, dass unser "Selbst" ein Konstrukt unseres Gehirns ist. Was bedeutet das für unser Menschenbild? Brauchen wir neben der Neuroethik eine Bewusstseinsethik? Wir stellen uns unser "Selbst" als etwas Eigenständiges vor, als einen Kern, der wir im Innersten sind. In seinem Buch Der Ego-Tunnel zeigt der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger dagegen: Dieses "Selbst" existiert gar nicht. Das bewusst erlebte Ich wird lediglich von unserem Gehirn erzeugt, und was wir wahrnehmen, ist nichts als "ein virtuelles Selbst in einer virtuellen Realität". Zum Beleg liefert Metzinger eine Vielzahl von Beobachtungen aus den Neuro- und Kognitionswissenschaften. So haben manche Menschen, denen von Geburt an ein Arm oder Bein fehlt, oft dennoch die Empfindung, diese Gliedmaßen tatsächlich zu besitzen. Oder es ist - mit Hilfe moderner Technik - sogar möglich, das elementare Ichgefühl in ein computergeneriertes dreidimensionales Bild des eigenen Körpers im Cyberspace hineinzuversetzen. Wenn es stimmt, dass unser erlebtes Ichgefühl eine Schöpfung unserer Hirnfunktionen ist und dass sich unsere subjektive Wirklichkeit bald immer genauer manipulieren lässt, dann wirft dies drängende Fragen auf: Gibt es überhaupt so etwas wie eine Seele und einen freien Willen? Werden auch Roboter bald Selbstbewusstsein besitzen? Thomas Metzinger führt den Leser in die moderne Bewusstseinsforschung ein und macht ihn mit den für die Diskussionen der Zukunft wichtigen Fragen vertraut. In einer Zeit, in der Hirnforschung, Kognitionswissenschaften und Neuroethik so kontrovers diskutiert werden wie einst die Evolutionstheorie, eröffnet Der Ego-Tunnel einen ebenso faszinierenden wie fundierten Zugang zur geheimnisvollen Welt des menschlichen Geistes.
Meinung
Eine neue Philosophie des Selbst ist es noch nicht, doch lesenswert sind die Gedanken des Philosophen allemal. Das Wort "Selbst" hat es Metzinger angetan. Es kommt im Buch bestimmt tausend Mal vor. Zwar bestreitet er, dass es existiere; seiner Meinung nach haben wir nur ein vom Gehirn konstruktiertes Selbstmodel, dass die Wirklichkeit simuliere und bestenfalls einer Repräsentation der Realität, einem Ego-Tunnel, gleiche. Das erinnert ein weinig an Platons Höhlengleichnis und ist wirklich nichts Neues. Dann nennen wir das Selbst eben Ego-Tunnel, so what?
Und im Grunde fällt dem Autor auch nichts Besseres ein, als das Selbst durch die Hintertür wieder einzuführen, denn er gibt zu, dass wir gerade eine Entzauberung des Selbst erleben, unser Ego-Tunnel ein absolutes Unikat sei und Selbstmodelle eine Erfindung der Evolution seien. Die Evolution habe den Menschen nicht für dauerhaftes Glück optimiert, in der Bilanz sei das Leiden zahlreicher (das erinnert an Schopenhauer). Schließlich meint er, dass das bewusste Selbst weder eine Form von Wissen, noch eine Illusion sei, es sei einfach, was es ist! Also hat der Autor ein wenig zu hoch gepokert und gibt zum Schluss freimütig zu, dass es das Selbst ja doch gibt, wenn auch nicht so, wie wir uns das heute vorstellen.
Interessant wird es zum Schluss, dort, wo er schreibt, das Ego vermittle die Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Es strebe nach emotionaler und physischer Sicherheit und habe einen Drang zu bizarren Glaubenssystemen. Der religiöse Glaube sei der Versuch, dem Leben eine tiefere Bedeutung zu geben - es sei der zutiefst menschliche Versuch, sich endlich zu Hause zu fühlen. Und die Wissenschaft (die materialistische oder naturalistische, denn ein Idealist ist Metzinger wirklich nicht) stehle dem Menschen seinen Glauben, was ein Grund für das gegenwärtige Anwachsen des religösen Fundamentalismus sein könnte.
Was tun? fragt Metzinger! Nimmt man uns den Glauben weg, müssen wir das Vakuum füllen, damit die Gesellschaft zusammenhalte, denn fehlende moralische Institutionen und Werte destabilisieren das Zusammenleben. Aber viel mehr als: Legalize it! fällt dem Autor dazu nicht ein. Er empfiehlt uns "Soma", damit wir unser entzaubertes "Gottes-Gen" durch spirituelle Erfahrungen ersetzen. Kosmetische Psychopharmakologie sei der neue Zaubertrank - Bewusstseinsethik das neue Zauberwort. Der wünschenswerte moderne Bewusstseinszustand müsse drei Bedingungen erfüllen:
1. Minimierung von Leid
2. Fähigkeit zur Einsicht und zur Wissenserweiterung
3. Generierung eines Verhaltens, das weitere wertvolle Bewusstseinszustände ermöglicht
Um diesen Bewusstseinszustand zu erreichen, empfiehlt der Autor die Einführung eines flächendeckenden Meditationsunterrichts sowie einen Kurs in Medienhygiene an Schulen. Ziel sei es, die Achtsamkeit und Autonomie der Schüler zu stärken, um in der Moderne (über)leben zu können.
Was uns fehle, schreibt Metzinger auf der drittletzten Seite, sei nicht Glauben sondern Wissen. Wenige Seiten zuvor empfiehlt er uns aber das, was Gläubige, also Schamanen und Yogis, schon seit Jahrhunderten tun - auch das ist keine neue Erkenntnis.
Trotz der vielen Widersprüche ist es ein sehr gutes Buch, das darüber hinaus auch gut zu lesen ist.