Der Herr der schwarzen Gärten – André-Marcel Adamek

  • Verlag Donata Kinzelbach
    Gebundene Ausgabe, 2002
    Aus dem belgischen Französisch übersetzt von Heinz Klüppelholz


    Kurzbeschreibung:
    Da treffen zwei völlig unterschiedliche Paare aufeinander, zum einen das altansässige ältere Bauernehepaar, zum anderen die neu zugezogene junge Familie mit 3 Kindern. Die neuen werden misstrauisch beäugt, ihre Gewohnheiten taxiert. Um an Informationen zu gelangen, scheint jedes Mittel Recht – sei es, dass man ihnen einen Korb Eier bringt, sei es, dass der Bauer die Nachbarin zuerst verborgen, dann immer unverhohlener beobachtet.
    Scheint zwischen den so unterschiedlichen Paaren auf den ersten Blick keine Verbindung zu bestehen, so werden sie zunehmend schicksalhaft aneinander gekettet…


    Über den Autor:
    André-Marcel Adamek, 1946 geboren, 2011 gestorben, war einer der großen zeitgenössischen Erzähler Belgiens. Er schrieb Novellen und Romane.


    Mein Eindruck:
    Das Buch beeindruckt durch den archaisch wirkenden ländlichen Schauplatz in Belgien, der in aller Lebendigkeit und starken Unwettern gezeigt wird. Ebenso faszinierend ist der symbolträchtige Roman durch seinen besonderen Erzählstil.
    Es geht um zwei Paare. Simon und Rachel, ein schon etwas älteres Bauern-Ehepaar und eine neu zugezogene Familie aus der Stadt. Anais und Quentin haben drei Kinder. Die Tochter der Familie ist geistig behindert. Das ist sehr schön beschrieben, wie die 13jährige Yolanda von ihren Brüdern und Eltern umsorgt und geliebt wird.


    Die Perspektive wechselt jedes Kapitel zwischen dem Bauern Simon und der Städterin Anais.
    So verschieden sie sind, besitzen sie doch eine schicksalhafte Gemeinsamkeit. Wie das konstruiert ist, hat mir als Leser sehr gefallen.
    Es sind teilweise die gleichen Ereignisse, die jeweils aus anderer Sicht erzählt werden. So werden unterschiedliche Details deutlich. Und aus der jeweiligen Sicht der Erzähler und ihren genau beobachtenden Blick erfährt man mit der Zeit immer mehr über die Protagonisten. So ist Quentin kein Faulpelz, wie die Bauerin ihn einschätzt, sondern in Wirklichkeit herzkrank und muss sich schonen.


    Der Roman hat trotz der ländlichen Umgebung etwas Kammerspielartiges und nimmt durch ein weit reichendes Ereignis schließlich eine entscheidende Wendung.


    Am Ende gibt es noch ein erhellendes Nachwort des Übersetzers, dass das Buch sinnvoll ergänzt.


    Zu gerne würde ich weitere Bücher von diesem bereits verstorbenen belgischen Autor lesen, aber leider gibt es anscheinend sonst keine deutschen Übersetzungen.

  • Ich freue mich sehr, endlich einmal etwas aus Belgien gelesen zu haben. Noch dazu ein Buch, das mir sehr gefallen hat.


    Wenn eine Familie aus der Stadt auf das Land zieht, möchten die Nachbarn ihre unbezwingbare Neugier befriedigen, das liegt wohl in der Natur des Menschen. Hier jedoch zeichnet sich von Anfang an ab, dass die Geschichte mit einem großen Knall enden und jemand verletzt werden wird.


    Die älteren Bauersleute, deren Sohn sie doppelt verraten hat, indem er a) den Hof nicht übernehmen will und b) eine Schwarze geheiratet hat, ergeht sich, auch voller Hass aufeinander, in Spekulationen über das neue Paar von gegenüber, das Paar mit den drei Kindern, von denen eins "eine Idiotin" ist, und sowieso müssen die Kinder alle von verschiedenen Vätern sein, die neue Nachbarin sieht schließlich so aus, als sei sie "so eine".


    Erzählt wird aus Sicht des Bauern, der es nicht lassen kann, seine attraktive neue Nachbarin, zunächst versteckt, dann jedoch immer offener zu beobachten.


    Erzählt wird im Gegenzug jedoch auch aus Sicht der Frau, die hier zum vermeintlichen Opfer wird.


    Eine große Rolle spielen auch die "Schwarzen Gärten", braches, unwirtliches, ja vergiftetes Land des Bauern, und Ruinen eines Dorfes, das einst komplett durch den schwarzen Tod, die Pest, ausgelöscht wurde, sowie eine alte Legende...


    Eine kleine Rolle spielt auch ein Hund...
    und die unerwartete, überraschende Verknüpfung der beiden Familien.


    Sehr schade, dass es von diesem Autor nicht mehr auf deutsch gibt. Mein Französisch ist leider nicht gut genug, um in der Originalsprache lesen zu können.


    FAZIT: Unbedingt lesenswert und empfehlenswert, für 10 Punke ist es leider etwas zu kurz, aber immer noch saftige 9 Punkte wert!
    Absolut zu vergleichen mit skandinavischen Größen dieser Sparte wie z. B. Marie Hermanson.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“