Titel im Original: In One Person
Kurzbeschreibung:
Auf der Laienbühne seines Großvaters in Vermont lernt William, dass gewisse Rollen sehr gefährlich sind. Und dass Menschen, die er liebt, manchmal ganz andere Rollen spielen, als er glaubt: so wie die geheimnisvolle Bibliothekarin Miss Frost. Denn wer sich nicht in Gefahr begibt, wird niemals erfahren, wer er ist.
Meine Meinung:
Der Ich-Erzähler Billy erinnert sich hochbetagt an sein Leben als Bisexueller, vom Entdecken seiner sexuellen Ausrichtung in den prüden 60er Jahren über die sexuelle Freizügigkeit in den 70ern bis hin zur AIDS-Epidemie in den 80ern und den Jahren bis heute. Irving schildert die homoerotischen Erlebnisse seines Helden ausführlich, zu ausführlich für meinen Geschmack, auch wenn die Intention dahinter klar ist. Der gesamte Text ist ein einziger Aufruf zu Toleranz; dazu, homosexuelle und bisexuelle Zeitgenossen nicht als anormal oder gar als abartig zu betrachten, sondern sie so zu akzeptieren, wie sie sind.
So löblich und sicher auch heute noch wichtig diese Botschaft auch ist, so hätte sie Irving nicht auf über 700 Seiten breittreten müssen. Zwar gibt es wieder (wie in eigentlich all seinen Romanen) einige wirklich bemerkenswerte Figuren, zwar schwingt oft Humor mit und ist der Schreibstil obligatorisch fabelhaft, doch kommt doch an einigen Stellen Ermüdung und auch fast so etwas wie Langeweile auf. Die richtig beeindruckenden und anrührenden Szenen (etwa der Besuch beim todkranken Jugendfreund Tom oder überhaupt die Verheerungen der AIDS-Epidemie) gehen etwas unter in der Masse an Text.
Schön eingebunden sind die Shakespeare-Stücke, die zunächst vom Laientheater und in der Folge vom Schultheater aufgeführt werden. Ich bin zwar kein Shakespeare-Kenner, doch diese Passagen waren doch durchgehend interessant und stilistisch klug eingesetzt.
Was bleibt noch zu sagen? „In einer Person“ ist kein neuer großer Wurf Irvings, es ist aber auch kein schlechter Roman – sondern ein wichtiger gerade in Anbetracht der schicksalshaften Wahl, vor der Amerika steht. Ich habe dieses Buch übrigens an einem Wochenende ausgelesen, also dürfte es doch auf eine diffuse Art fesselnd sein.
7 Punkte von mir