Der AcabusVerlag hat mich schon mehrere Male mit einem lesenswerten amüsanten oder ernsthaften Buch überrascht und so schaue ich regelmäßig in sein Angebot hinein. Vor einiger Zeit landete dadurch der Debütroman von Sven R. Kantelhardt mit dem Titel Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden auf meinem SuB.
Wofür das R. in seinem Namen steht, weiß ich nicht; aber Kantelhardt wurde 1976 in Gießen geboren. Er studierte Humanmedizin und Ökotrophologie, promovierte 2003 und arbeitet als Neurochirurg. Daneben reist er gerne, interessiert sich für Geschichte und verfasst Fachartikel in medizinischen Zeitschriften.
Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden ist, wie bereits erwähnt, sein Debütroman. Die Covergestaltung ist Schwarz mit einem schmalen Streifen Grau, in das ein Ausschnitt eines handschriftlichen Skripts eingebettet scheint, wie es Mönche in ihren Skriptorien verfassten. Ferner zeigt es eine hölzerne Stele einer slawischen Gottheit, zu deren Fuße sich einige Knochen befinden. Damit passt sie schon mal zur Inhaltsangabe, die folgendes verrät.
ZitatDas Siedlungsgebiet Schleswig-Holstein im 9. Jahrhundert: Sachsen, Abodriten und Wikinger treffen aufeinander. Teilweise bereits christlich, teilweise noch heidnisch, stehen sich die Stämme meist feindlich gegenüber. Es ist eine Zeit der Umbrüche. Grausamkeiten, Kriege und Raubzüge sind an der Tagesordnung. In seiner „Hamburgerischen Kirchengeschichte“ aus dem Jahr 1076 berichtet Adam von Bremen knapp von einem fast vergessenen Abenteuer. „…wo Burwido gegen einen Kämpen der Slawen einen Zweikampf bestand und denselben tötete. Zum Andenken daran ist auch an jene Stelle ein Stein gesetzt.“ Dieses Ereignis hat der Autor in eine lebendige Geschichte aus dem frühen Mittelalter eingebunden.So schreibt der Mönch Wilfrith eine Chronik über die Ereignisse des Winters 880/881, eine Geschichte voller Abenteuer, Glauben und Zweifel, Kampf und Liebe. Von Hamburg aus bricht er mit einer Handvoll Gefährten auf und durchquert die Sümpfe, Wälder und Meere jenseits des limes saxoniae und des Danewerk, um seinen verschollenen Lehrer, den Missionar Dietrich, zu suchen. Doch die Reise führt weiter als Gedacht und die Zeit drängt, denn der nordelbischen Heimat droht eine unerwartete Gefahr ….
Gleich eingangs führt der Autor eine Liste der Hauptfiguren auf, die teils geschichtlich belegt sind. Es folgt ein Inhaltsverzeichnis und der Prolog bevor Kantelhardt seinen Mönch mit der eigentlichen Chronik in 16 Kapitel tätig werden, und das Buch mit einem Epilog, historischen sowie medizinischen Anmerkungen, einer Erklärung alter Maßeinheiten, Hinweisen zur Schreibweise der Ortsnamen und zwei Karten inklusive dazu passender Legende ausklingen lässt. Die einzelnen Kapitel beginnen jeweils mit einem großen, verzierten Initial und in den Kapiteln wiederum gibt es Unterteilungen nach einzelnen Personen, die nicht immer wirklich chronologisch sind.
Doch was erwartet den Leser in der Geschichte selbst? Keine Mainstreamgeschichte – das wird jedem sehr schnell klar. Ortsnamen, die ungewöhnlich klingen, etwa Hammaburg für Hamburg oder Starigard für das holsteinische Oldenburg. Und auch die eine oder andere Bezeichnung mag gewöhnungsbedürftig sein. Diese werden zwar sehr gut erklärt, doch genau das dürfte den einen oder anderen beim Eintauchen in die Geschichte oder im Lesefluss selbst stören. Die Erklärungen erfolgen nicht im zeitnahen Verlauf der Geschichte. Vielmehr befinden sie sich am Ende der betreffenden Kapitel. Wenn man – wie ich etwa – wissen will, was sie bedeuten, blättert man natürlich sofort hin und her. Und genau das stört dann in der Fülle, in der sie vorkommen. Zudem startet die Geschichte eher gemächlich und die Ausführlichkeit, mit der Kantelhardt manches beschreibt, stört die angekündigte Spannung.
Doch durchhalten lohnt durchaus, denn was einerseits die Spannung stört, vermittelt andererseits eine bedrückende Atmosphäre, zeichnet harte Lebensumstände und anschauliche Ereignisse. Kantelhardt verzettelt sich bei seinen Beschreibungen nicht und er geht nicht sehr zartfühlend mit seinen Figuren um. Die Handlung spielt im tiefsten Winter, unter widrigen Wetterbedingungen, in Sümpfen und Wäldern. Doch das ist es nicht alleine. Denn um Dietrich zu suchen, müssen Wilfrith und seine Gefährten es auch mit Heiden aufnehmen, ohne auch nur andeutungsweise zu wissen, ob ihre Suche tatsächlich zum Erfolg führt oder ob der vermisste Lehrmeister noch lebt. Sie verlassen eine zwar harte aber doch halbwegs sichere Heimat und begeben sich unter Heiden in die Fremde.
Das schlicht gehaltene Cover spiegelt sich nicht nur die Inhaltsangabe, sie passt auch hervorragend zu der von Kantelhardt gewählten schlichten Sprache. Überflüssige Darstellungen seiner Figuren lässt er weg. Manche Dialoge wirken zugegebenermaßen flach. Doch die kurz gehaltene Erzählweise reflektiert das damalige Leben sehr gut. Seine in den Roman einfließenden Recherchen, die nicht immer im korrekten Kontext von ihm wiedergegeben werden (worauf er in seinen historischen Anmerkungen hinweist), lassen Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden jedoch gleichfalls üppig ausfallen. Illustrativ wird die gefahrvolle und beschwerliche Suche beschrieben. Plausibel wirkt auch die Schilderung der Glaubenskonflikte oder die ungleichen Lebensanschauungen der Figuren. Missionieren bedeutete damals Lebensgefahr. Und diese Gefahr bekommt man trotz des stellenweise unterbrochenen oder durchhängenden Spannungsbogens durchaus gut vermittelt.
Fazit:
Keine ganz leichte Kost, kein Lesequickie. Kantelhardts Debütroman verlangt dem Leser etwas Durchhaltevermögen ab und gehört nicht zu den spannendsten Büchern die ich gelesen habe. Aber er ist nach heutigem Wissen um die damalige Zeit lebensnah und eindrücklich gestaltet, vermittelt einiges über das Leben im Mittelalter. Und irgendwann, ohne es zu merken, tauchte ich wider Erwarten darin ein. Deshalb möchte ich für Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden drei von fünf Punkten vergeben.
Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)