Die Rezension bezieht sich auf die englische Ausgabe, daher können einige meiner Begriffe von der deutschen Übersetzung abweichen
Klappentext:
Sein Leben ist eine Lüge, seine Macht geraubt.
Gavin Guile stirbt.
Der hoch geehrte Lord Prisma glaubte, er hätte noch fünf Jahre zu leben – doch jetzt bleibt ihm nicht mal mehr eines. Viel zu wenig Zeit, um auch nur seine drängendsten Probleme zu lösen: Denn die alten Götter werden wiedergeboren und setzen sich an die Spitze einer unbesiegbaren Armee, die Tausende von verängstigten Flüchtlingen vor sich hertreibt. Gavins einzige Chance, dem tödlichen Chaos Einhalt zu gebieten, könnte ausgerechnet sein Bruder sein – dessen Leben er vor sechzehn Jahren raubte …
Meinung:
Brent Weeks ist ein Gigant unter den Fantasy-Autoren, seine Bücher Meisterwerke. Mit seinem zweiten Band der Lichtbringer-Trilogie, 'Die Blendende Klinge' (The Blinding Knife) führt er die Geschichte um Gavin Guile und seinen in ein unterirdisches Luxin-Gefängnis eingesperrten Zwillingsbruder, um den heranwachsenden Kip, um Gavins unerreichbare Liebe Karris Weißeiche und all die anderen faszinierenden Charaktere fort - eine Geschichte, die so groß und episch und faszinierend und schillernd bis hinunter ins kleinste Detail ist, dass sich einem die Kehle zuschnürt und die Brust beim Lesen eng wird.
Eine Geschichte, die wieder einmal mit einem tödlichen Cliffhanger endet, der im Grunde noch schrecklicher ist, als im ersten Band.
Brent Weeks versteht es wie kein Zweiter, noch den größten, überwältigensten Sieg mit einer persönlichen Tragödie zu vermengen, so dass man es als Leser nicht wagt, sich nur einen Moment zu entspannen. In seinem Licht ist immer Dunkel, und in der tiefsten Verzweiflung stets ein Hoffnungsschimmer.
Gavin Guile, der scheinbar unbesiegbare Lord Prisma mit einem düsteren Geheimnis, der reines Licht spalten und zu beliebigen Farben wandeln kann, verliert die Fähigkeit, Blau zu sehen, und damit blaues Luxin zu wirken. Verzweifelt müht er sich, den Makel geheim zu halten. Denn zu den Aufgaben des Prismas gehört es, die Farben im Chromeria-Universum auszubalancieren, und Blau liegt nun außerhalb seiner Reichweite. Bald bildet sich irgendwo draußen auf dem Meer etwas, das früher ins Reich der Legenden gehörte: Blau materialisiert sich zu einem übermächtigen Nexus und aus seiner Mitte droht sich ein Gott zu erheben - etwas, das Gavin unbedingt verhindern muss, soll nicht alles in Chaos versinken.
Zugleich bedrohen die immer weiter anschwellenden Armeen des Farbprinzen die bekannte Welt. Ihm ist es nur recht, dass die alten Götter wiedererstehen, denn er will Freiheit für alle Farbwandler, will das Diktat der Chromeria brechen und eine neue Weltordnung erschaffen.
Und nicht genug damit, muss Gavin seine Feinde innerhalb der Chromeria bekämpfen, allen voran sein intriganter und unfassbar mächtiger Vater, Andross Guile.
Während Gavin unterwegs ist, um eine neue Heimat für die zehntausenden Kriegsflüchtlinge von Garriston zu finden und den sich erhebenden Gott zu vernichten, soll Kip in der Chromeria seine Ausbildung zu einem Schwarzgardisten und Wandler erhalten. Doch Andross Guile nutzt Gavins Abwesenheit, um Kip sofort aller Privilegien zu berauben und in ein schreckliches Verhängnis zu treiben. Regelmäßig beschwört er den Jungen zu einem Kartenspiel, dessen Regeln Kip kaum kennt, während Andross darin ein Meister ist. Andross zwingt Kip, um schwindelerregende Einsätze zu spielen - wie das Leben seiner neugewonnenen Freunde unter den Schwarzgardisten. Wann immer Kip verliert, verliert er etwas enorm Wichtiges. Und die Einsätze werden mit jedem Mal höher...
Und dann ist da immer noch Dazen, der Gefangene, Gavins Bruder und alter Feind, für den Gavin sich ausgibt, eine Verwechslung, die in der Folge immer größere und schreckliche Probleme nach sich zieht. Dazen, dem es unbemerkt gelingt, aus der blauen Gefängniszelle zu fliehen...
Stärker noch als beim ersten Band braucht man bei diesem hier etwas Geduld. Man muss sich auf das Buch einlassen, man muss akzeptieren, dass sich die Dinge zu Beginn langsamer entwickeln - und wird zum Ende hin mit einem umso furioseren und ergreifenderen Finale belohnt.
Die Fäden entwickeln sich langsam, ziehen sich fast unmerklich zusammen und führen am Ende zu einer Eskalation der Ereignisse, die anders nicht hätte geschehen können. Das Buch überrascht immer wieder mit unerwarteten Wendungen und neuen Facetten seiner Charaktere, mit denen man als Leser nicht rechnet. Oder vielleicht doch - alles ist möglich, bei diesem Autor. Er schont seine Figuren nicht, doch manchmal reicht er ihnen auch die Hand, wenn alles verloren scheint.
Ein kleiner Kritikpunkt sind die Längen, zu denen sich das Buch im Mittelteil zieht. Der Schwerpunkt dieses Bandes liegt bei Kip und seiner Entwicklung, seinem Durchkämpfen am Hof der Chromeria, seinem Straucheln und Überleben trotz der vielen Fallstricke, die ihm in den Weg gelegt werden. Und er entwickelt sich, entwickelt sich prächtig, man entwickelt eine Menge Sympathien für ihn. Doch das erfordert zuerst Geduld. Die Einführung seiner vielen neuen Mitschüler, die Beschreibungen der Trainings-Prozeduren, der Tests, der erneuten Trainings ... das alles wird nach einiger Zeit mühsam und ich hatte Momente, in denen ich mich fragte, ob ich in einem Highschool-Büchlein gelandet sei.
Allen, denen es ähnlich geht: Haltet durch, es lohnt sich. Es lohnt sich wirklich.
Das letzte Drittel des Buches entschädigt für alle Qualen
Alles in allem ein fantastisches, furioses Leseerlebnis.
'Die Blendende Klinge' ist der zweite Band eines Fantasy-Epos, das seinesgleichen sucht und sich mit seinem Weltentwurf und seinem innovativen, lichtbasierten Magiesystem, vor allem aber seinen eindringlichen Figuren deutlich eigenständig präsentiert. Ein zweiter Band mit kleinen Schwächen, der aber zum Ende hin wieder zu den Qualitäten von Teil 1 aufschließt.
Jeder, der epische Fantasy liebt, kommt an Brent Weeks nicht vorbei.