Literatur-Nobelpreis an Mo Yan
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Why not: Murakami, Roth, Franzen...?
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Murakami
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In diesem Jahr geht der Preis also an einen nicht gänzlich unbekannten Schriftsteller und wieder wirkt die Wahl wie ein politisches Zeichen und auch dem deutschen Lesepublikum dürfte spätestens jetzt klar werden, dass China nicht nur auf dem wirtschaftlichen Vormarsch ist, sondern darüberhinaus noch eine Menge zu bieten hat.
Insgesamt eine spannende Entscheidung, die neue Einblicke in das Reich der Mitte gewähren dürfte. -
beisswenger : Weil sich das Komitee für Mo Yan (eigentlich: Guan Moye) entschieden hat?
Alfred Nobel hatte testamentarisch verfügt, dass den Preis bekommen solle, wer "das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat". Murakami, Roth und vielleicht auch Franzen sind fraglos großartige Autoren, aber diese wiederkehrende Diskussion kann man auch mit hundertausend beliebigen anderen Autorennamen führen. Missverständlich gehen viele offenbar davon aus, der Literatur-Nobelpreis würde für die "großartigste Literatur" vergeben werden. Das ist nicht der Fall. Und mit Verkäufen, internationaler Reputation usw. hat er auch nur wenig zu tun.
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Original von Frettchen
MurakamiKann man so sehen. Nicht wenige halten ihn für einen genialen Blender, der eigentlich nur Blödsinn von sich gibt. Geht mir teilweise auch so.
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Streicheleinheiten für China? Man will diese Weltmacht ja nun auch nicht unnötig verärgern.
Eine hochpolitische Entscheidung für einen systemtreuen, relativ unpolitischen Autor.Why not Eggers, Irving, Liehr oder Beisswenger?
Die können es wenigstens - das Schreiben.... -
Ich habe gerade nach Rezensionen gesucht und keine hier gefunden - falls jemand was "auf Halde" hat, ich bin gespannt. (Ich bin bei "Überdruss" und "Sandelholzstrafe" stecken geblieben - irgendwie ist mir das etwas zu derb gewesen.)
Inwiefern Mo Yan politisch systemtreu ist, kann ich nicht beurteilen. Das war vor 3 Jahren schon ein großes Thema bei der Buchmesse. Einige seiner Texte werden zumindest in China als subversiv empfunden - also beim Hauptadressaten.
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[quote]Original von Tom
Alfred Nobel hatte testamentarisch verfügt, dass den Preis bekommen solle, wer "das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat". [quote]Aber das ist ja nun sehr dehnbar. Was zählt als: in idealistischer Richtung? Zumindest vorzüglich soll es sein. Und da schließe ich Murakami mal aus. Und warum dann nicht Roth oder Irving oder Franzen? Sind die nicht idealistisch genug, weil sie zu viel verdienen mit ihren Büchern?
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Zitat
Und warum dann nicht Roth oder Irving oder Franzen?
Die erzählen amerikanische Familiensagas, um es mal auf den Punkt zu bringen. Natürlich immer vor einem politischen Hintergrund (Roth meistens vor demselben), und fraglos ziemlich großartig, aber einen irgendwie gearteten, ganz besonderen Idealismus kann ich da nicht erkennen - obwohl ich alle drei mag, vor allem Roth.
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Wer Murakami für einen Blender hält (genial und Blender passt nicht so recht zusammen, denn dann wäre es kein Blendwerk mehr) wird von Kafka dasselbe halten.
Und Franzen ist viel tiefsinniger als es ein simpler Familiensageschreiberling zu sein vermag; gerade die Korrekturen sind ein Musterbeispiel für Schicksal, tiefschichtige Beziehungen, Lebenskrisen und Lebenspotenzial.
Roths menschlicher Makel ist ein Meisterwerk - gut, über Irving können wir streiten, er wird dem Anspruch wohl am wenigsten gerecht.
Über Ma Yan weiß ich nix, aber das heißt nix, schließlich ich dilettiere ich in chinesischer Literatur ziemlich unbedarft vor mich hin... Aber vielleicht kann uns Kollegin Salonlöwin mehr dazu sagen ???
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Original von Vulkan
Ich habe gerade nach Rezensionen gesucht und keine hier gefunden - falls jemand was "auf Halde" hat, ich bin gespannt. (Ich bin bei "Überdruss" und "Sandelholzstrafe" stecken geblieben - irgendwie ist mir das etwas zu derb gewesen.)Eine Rezension gibt's schon, siehe
https://www.buechereule.de/wbb2/rezensionen/autor/Mo+Yan
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Original von beisswenger: Aber vielleicht kann uns Kollegin Salonlöwin mehr dazu sagen ???
Deinen Beitrag habe ich jetzt erst gesehen, entschuldige bitte.
"Das rote Kornfeld" kenne ich in der Verfilmung und gelesen habe ich von Mo Yan "Die Schnapsstadt", allerdings vor langer Zeit. Für eine Rezension reicht es leider nicht mehr.
Woran ich mich erinnere, sind die intellektuellen, zuweilen auch langwierigen, Ausschweifungen des Schriftstellers, die dem Leser einiges an Weltoffenheit und kulturellem Verständnis abverlangen. Wer seine westliche Sicht der Dinge, seine Vorurteile ablegen kann und bereit ist, sich auf etwas völlig Neues einzulassen, der wird wie ich zumindest bei "Die Schnapsstadt" belohnt werden.Insgesamt sehe ich die Probleme des deutschen Publikums im Zugang zur chinesischen Kultur darin, dass die Leserschaft einen sehr eingeschränkten und aufgrund unserer Vergangenheit unter einem sehr politischen Blickwinkel liest.
Als bekannt wurde, dass Mo Yan den Nobelpreis erhielt, wurden sofort Stimmen laut, die ihm nicht ausreichend Distanz zum System vorwarfen. Dabei haben meines Erachtens die Kritiker übersehen, dass die eigentlichen Probleme der chinesischen Bevölkerung, insbesondere der auf dem Lande, ganz woanders liegen. Fehlende Infrastrukturen, medizinische Unterversorgung usw. beschäftigen die Landbewohner mehr als ein politischer Umsturz und so simpel es klingen mag, formuliere ich die Situation mit den Worten meiner chinesischen Freunde:" Konsum, Handy und Internetverbindungen sind uns wichtiger als eine neue Regierung."
Mo Yan schaut zumindest auf diese Probleme und gibt der Landbevölkerung ein Gesicht, wenn auch keines, das für eine Vielzahl der deutschen Lesern reizvoll sein dürfte. -
Zitat
Original von Vulkan: Ich habe gerade nach Rezensionen gesucht und keine hier gefunden - falls jemand was "auf Halde" hat, ich bin gespannt. (Ich bin bei "Überdruss" und "Sandelholzstrafe" stecken geblieben - irgendwie ist mir das etwas zu derb gewesen.)
Das Prädikat "derb" darf Mo Yan wohl nicht nur für sich allein beanspruchen; in der Rückschau der wenigen chinesichen Literatur, die ich gelesen habe, werden Ereignisse doch recht punktgenau und wenig zurückhaltend beschrieben.
Die Ästhetik und Beherrschtheit, wie man sie u.a. in der japanischen Literatur findet und vielleicht uns mehr anspricht, ist mir in der modernen chinesischen Literatur auch noch nicht begegnet. Wer gegenteilige Beispiele kennt, darf sie gern nennen und sollte sich hier am Austausch beteiligen. -
Mein Problem mit chinesischen Romanen war schon immer, dass sie sich meist um lange vergangene Ereignisse zur Maozeit drehen und mir darin die "Fähigkeit zu trauern" völlig fehlt. Es werden derbe, blutige, groteske Ereignisse beschrieben - nur, was soll ich als westlich sozialisierter Leser daraus für Schlüsse ziehen?
Ein Beispiel für eine frustrierende Leseerfahrung war Gerettete Worte, in dem entweder die Interviewten historische Ereignisse als "Schicksal" bagatellisierten oder aber die Interviewerin die Gespräche in dem Moment abbrach, in dem persönliche Konsequenzen aus Fehlern der Vergangenheit zur Sprache kamen. Auch das neueste von mir gelesene Buch China in zehn Wörtern vollzieht m. A. keinen Schritt vom Erkennen von Zusammenhängen (die Zerschlagung der Familien zur Zeit der Kulturrevolution) zu persönlichen Konsequenzen. Der Autor erkennt zwar als Erwachsener, warum Gewalt seine Träume und sein Werk bestimmten - aber wen kümmert es? Mir fällt kein Roman eines chinesischen Autors ein, den ich spontan empfehlen würde. Denn selbst eine tragikomische, ironische Geschichte wie Warten setzt landeskundliche Kenntnisse voraus, um wirken zu können.
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Danke für die Infos, Salonlöwin,
die Schnappstadt werde ich unter meinen potenziellen SUB-Favoriten speichern. -
Zitat
Original von Salonlöwin
Das Prädikat "derb" darf Mo Yan wohl nicht nur für sich allein beanspruchen; in der Rückschau der wenigen chinesichen Literatur, die ich gelesen habe, werden Ereignisse doch recht punktgenau und wenig zurückhaltend beschrieben.
Die Ästhetik und Beherrschtheit, wie man sie u.a. in der japanischen Literatur findet und vielleicht uns mehr anspricht, ist mir in der modernen chinesischen Literatur auch noch nicht begegnet. Wer gegenteilige Beispiele kennt, darf sie gern nennen und sollte sich hier am Austausch beteiligen.
Ich fand Ma Jian mit PekingKoma schon wesentlich eleganter, wenngleich natürlich da auch Brutalitäten beschrieben werden, aber insgesamt fand ich Ma Jian extrem eindrucksvoll, ich habe dann noch Red Dust gelesen, das mich nicht ganz so fasziniert hat, aber immer noch sehr gefallen hat.Auch bei Ha Jins "Warten" habe ich keine so derben Erinnerungen.
Was ich allerdings sehr wichtig finde, ist Dein Statement zur Frage der Regimekritik. Einerseits bezweifle ich, dass wir chinaunkundigen Leser überhaupt subversive Kritik unbedingt erkennen und verstehen, zum anderen besteht auch die Frage, inwiefern für die Landbevölkerung das ein Hauptthema ist.
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Die oberlehrehafte Kritik der selbstgefälligen westlichen Gutmenschenliga, die überhaupt nicht weiß, wie man in einem Schurkenstaat der 2. Liga lebt, ist lächerlich.
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Ich weiß, ich bin hier damit völlig falsch und bitte jetzt schon um Entschuldigung, aber....VULKAN???? Hallooooooooooooo!
*und wieder weg* -
Gummi ist Online! Ich dachte schon, Du tauchst gar nicht mehr auf!
*undweg*