GEFICKT - Aus dem Leben eines Arschlochs - Tom Liehr

  • Meine Meinung


    Was für ein Buch! Auf jeden Fall ein Liehr, ein früher Liehr.
    Wie gewohnt schnörkellos und rücksichtslos manövriert der Autor uns durch seine Geschichte um den Chaoten Henry und seinen Freund auf der Suche - ja, nach was? Nach Sinn? Nach Lebendigkeit? Nach dem ultimativen Kick?


    Nach den ersten Seiten dachte ich noch, dass es mir zu viel werden würde. Zu viel Naturalismus, zu viel egoistischer Sex oft an der Grenze zur Brutalität. Rasant rast oder schwankt man durch Henrys Leben, den exzessiven Weg seiner persönlichen Freiheit am Rand der Selbstzerstörung, und genau so atemlos bin ich durch den Roman gerast, während die Masken fallen oder in Schminkeschlieren einfach so an nackten Gesichtern herabrinnen.
    Extrem, traurig, grandios!


    Kein Buch für zarte Gemüter.
    Trotzdem von mir eine absolute Leseempfehlung!


    Und, auch wenn ich die wirklich selten vergebe, 10 Punkte von mir!

  • Ich habe diesen Liehr bereits vor einigen Monaten gelesen, komme aber erst jetzt dazu, meine Meinung zu schreiben. Natürlich hatte ich direkt danach viel bessere Worte in meinem Kopf, als ich sie jetzt noch finde ;-)


    Mit großen Ausrufezeichen habe ich in meine Notizen geschrieben: Eine authentische Figur! Damit meine ich nicht - wie Tom sich hier auch vehement gewehrt hat -, dass Henry auf einer realen Vorlage basiert. Sondern, dass er auf mich auf eine faszinierende Art echt wirkt, ich habe zu 100% geglaubt, dass es dort draußen im Berlin der 90er jemanden gegeben hat, der so agiert, gesprochen und gedacht haben kann. Nicht als erste, nicht als letzte stelle auch ich fest: Henry ist ein echtes Arschloch. Würde ich mehr Bücher mit solch Protagonisten von männlichen Autoren lesen (Eine Bemerkung, die Rosha aufregen würde ;-)), dann würde ich entweder meine Haare kurz scheren und für die Unterdrückung der gesamten Mannheit eintreten oder den Rest meines Lebens in einer Phantasiewelt von Disney, Hollywood und Kerstin Gier verbringen, in der Männer strahlen und Frauen auf Sockeln stehen. Denn eines sei klar gestellt: Hier gibt es keine Persönlichkeitsentwicklung, der Looser wird nicht zum Helden, der Arsch nicht zum Gentlemen.


    Beim Lesen habe ich mich oft gefragt: Wo soll das hinführen? Ich denke, so richtig hat es nirgendwo hingeführt. Aber das war gut. Es war einfach der Lebensabschnitt einer Person, die sich mit ihrem Verhalten in einer Abwärtsspirale befindet. Zuviel Alkohol, zuviel Sex, unregelmäßiger Schlaf, unsicherer Arbeitssituation, ne Menge Ärger mit Leuten. Und in lichten Momenten weiß er das eigentlich auch. Es ändert nur irgendwie nichts. Nicht viel. Oder doch? Ich fand die Handlung durchweg spannend, durchweg aufreibend, durchweg katastrophal. Außerdem hat es mir gefallen, so viel Einblick in die Discoszene der 90er Jahre zu bekommen. Als pornografisch empfand ich die Geschichte gar nicht. Es gehörte dazu. Sex war für Henry und Phil omnipräsent und das damit nicht "Liebe machen", sondern "ficken" gemeint war, kam bestens herüber.


    Die Titel "So cool" und "Gefickt" finde ich beide passend, darüber habe ich beim Lesen mehrmals nachgedacht. Es beschreibt andere Aspekte. Henry findet sich cool, es gibt Personen, die dieses Bild auch bestätigen. Er nimmt sich, wen er will (sehr erfolgreich) und tut, wonach ihm ist. Außerdem ist er nun mal Discjockey, ne? Und nicht nur, dass es in der Geschichte reichlich ums F... Verkehren geht, trotz aller Coolheit und Gleichgültigkeit ist Henry schon ziemlich am Arsch, um nicht zu sagen: gefickt.


    Fazit: Zeitgenössische Literatur mit klaren Worten, einem authentischen Anti-Helden und Einblicken in die Discoszene der 90er Jahre in Berlin. Für mich der beste Liehr bisher und eine klare Leseempfehlung.


    9/10 Punkten (Fragt mich bitte nicht, warum der eine Punkt fehlt. In meiner Monatsliste steht eine Wertung von 1,5 -> das macht bei mir immer 9 Punkte im Eulensystem. Wofür ich Abzug gegeben habe, weiß ich nicht mehr.)


    PS: Ich habe auch ein paar Notizen zu kleinen Korrekturpatzern, wenn das noch hilfreich ist.

    Es ist erst dann ein Problem, wenn eine Tasse heißer Tee nicht mehr hilft. :fruehstueck

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  • Hallo, Clare, hallo, JASS.


    Danke für die Rezensionen! :anbet


    Ich muss wirklich mal darüber nachdenken, meine Agentur anzustoßen, um einen Printpartner für das Buch zu finden. Inzwischen sind mehrere tausend Exemplare abgegangen, was mich ziemlich verblüfft (und natürlich auch freut).


    Zitat

    Ich habe auch ein paar Notizen zu kleinen Korrekturpatzern, wenn das noch hilfreich ist.


    Ich habe selbst auch schon einiges gefunden, aber derzeit kein sehr großes Interesse daran, mich an eine Überarbeitung zu setzen. Ich behalte das Angebot aber im Hinterkopf und komme im Zweifelsfall darauf zurück - danke! :-)

  • Zitat

    Original von Tom


    Ich muss wirklich mal darüber nachdenken, meine Agentur anzustoßen, um einen Printpartner für das Buch zu finden. Inzwischen sind mehrere tausend Exemplare abgegangen, was mich ziemlich verblüfft (und natürlich auch freut).


    Mindestens hier im Forum würdest du die ein oder andere Eule sehr glücklich damit machen.

    Es ist erst dann ein Problem, wenn eine Tasse heißer Tee nicht mehr hilft. :fruehstueck

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  • Zitat

    Original von JASS


    Mindestens hier im Forum würdest du die ein oder andere Eule sehr glücklich damit machen.


    Oh ja. :-)

    Zündet man eine Kerze an,erhält man Licht.Vertieft man sich in Bücher,wird einem Weisheit zuteil.Die Kerze erhellt die Stube, das Buch erleuchtet das Herz.


    (Sprichwort aus China)

  • Zitat

    Original von JASS


    Mindestens hier im Forum würdest du die ein oder andere Eule sehr glücklich damit machen.


    :write :write :write :write :write :write :write :write :write :write :write

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.