KLAPPENTEXT:
Motte ist sechzehn Jahre alt, als der Tod an seinem Fenster kratzt. An einem harmlosen Wochenende kurz vor Mitternacht bekommt er eine anonyme eMail:
Sorry für die schlechte Nachricht, aber wenn du aufwachst wirst du tot sein. Wir wollten nur, dass du das weißt.
Was für ein mieser Scherz denkt Motte und löscht die Mail. Er wird aber dennoch nervös und beschließt, die Nacht durchzumachen. Natürlich schläft er ein und natürlich wacht er auf - und fühlt sich wie immer. Bis darauf, dass sein Herz nicht mehr schlägt. Und dann sind da noch diese Flügel auf seinem Rücken ...
Es ist der Anfang von einem Chaos, das Jahrhunderte zurückgeht und in der Gegenwart seine Auflösung findet. Der letzte Engel auf Erden ist geboren und die Vergangenheit setzt sich in Bewegung, um ihn aufzuspüren. Von nun an wird Motte gejagt - von toten Mädchen und trainierten Söldnern, uralten Damen, der eigenen Familie. Denn er ist der Schlüssel zu einem Plan, der vor nichts und niemandem Halt macht. Auch nicht vor dem Ende der Menschheit.
AUTOR:
(Quelle: cbj)
Zoran Drvenkar wurde 1967 in Kroatien geboren und zog mit seinen Eltern nach Berlin. Seit über 20 Jahren arbeitet er als freier Schriftsteller und schreibt Romane, Gedichte und Theaterstücke über Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Zoran wurde für seine Bücher mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und lebt heute in der Nähe von Berlin in einer ehemaligen Kornmühle.
EIGENE MEINUNG:
"Bestimmt hätte es Mona in dem Moment geholfen, wenn sie gewusst hätte, dass Vergangenheit ein Gewebe der Zeit ist, das sich aus Erinnerungen zusammensetzt. Jeder Faden zählt, jede Verknüpfung ist wichtig, sonst wird das Gewebe löchrig und fällt auseinander. Erinnerung lässt sich nicht ändern, sie lässt einen zurückschauen, aber sie ist unantastbar."
Mona lebt mit Erinnerungen. Nicht nur ihren eigenen, sondern auch denen von Anderen. Sie kann die Erinnerungen anderer heraufbeschwören, in dem sie diese berührt. Nicht nur körperlich berührt, sondern auch geistig. Diese Gabe ist es, die sie rettet, als das Heim, in dem sie lebt von Auftragsmördern angegriffen wird und alle ihre Schwestern getötet werden. Sie flieht und versucht mit Hilfe der Erinnerungen denjenigen zu finden, der über das Schicksal entscheiden soll: Der letzte Engel. Und der heißt Motte ist ein völlig normaler, etwas schüchterner Teenager und weiß noch nichts von seinem Glück, bis diese mysteriöse eMail auf seinem Computer auftaucht und seinen Tod ankündigt. Und ehe er sich versieht wacht er mit Flügeln auf dem Rücken neben seinem Leichnam auf und schneller als sein Puls einmal geschlagen hat, dreht und wendet sich sein Leben ...
Die Atmosphäre in Zoran Drvenkars neustem Roman ist düster und geheimnisvoll, zerrt an den Nerven und ist unglaublich bedrückend. Genau so, wie ich mir einen Roman über Engel wünsche. Ohne Kitsch, Liebeleien und religiösen Hintergrund setzt er die Figur des Engels als Synonym für die Wünsche der Menschen, ihre Sehnsüchte nach Vollkommenheit und ewigem Leben ein. Dabei spielt er mit ihnen, lässt sie immer wieder auflaufen und an eben jenen Hoffnungen zerbrechen. Eine große Rolle spielen hierbei Erinnerungen. Die "Ruinen in unserem Leben", die ihre Zerstörer ohne Gnade einholen und zur Rechenschaft ziehen.
"Und jetzt im Park, ein knappes Jahr später begreift Lars, dass Erinnerungen manchmal dafür da sind, uns ins Gedächtnis zu rufen, wer wir eigentlich sind."
Deutlich zu spüren, dass Drvenkar einer der ganz Großen im Schrifsteller Gewerbe ist. Der nicht nur mit Worten umzugehen weiß, sondern auch mit seinen Lesern. Der mich gekonnt in Bann zog und mit Abgründen fesselte. Immer wieder entstehen neue Geheimnisse, die nur Häppchenweise oder aber gar nicht aufgelöst werden. "Wenn ich mich selbst überrasche, überrasche ich den Leser" so Drvenkar in einem kleinen Filmchen über sein neustes Werk "Der letzte Engel". Allerdings überrascht und lockt er nicht nur, sondern verwirrt auch und hätte mich damit fasst in die falsche Richtung getrieben, doch wir beide haben noch schnell genug die Kurve gekriegt und plötzlich gibt es kein entkommen mehr. Es fällt gar nicht auf, in welchem Maße die Zeit vergeht. Manchmal sind es hundert Jahre, manchmal nur wenige Minuten und ich immer mittendrin, alles um mich herum vergessen.
"Vielleicht erwache ich in einer geschlossenen Anstalt und bin so psychotisch, dass sie mcih jeden Abend mit einem Eimer voller Pillen ins Bett schicken, die ich dann wie Smarties wegfuttern darf."
Die Denkweise des Autors hat mich unglaublich fasziniert. Er verbindet eine geheime Bruderschaft mit moderner Wissenschaft und den Brüdern Grimm. Wie ist das möglich? Das Endprodukt eine Geschichte, die mich mit Genialität und Irrsinn an den Film "Crank" erinnert und doch so viel besser ist, da einfach viel atmosphärischer und weil Bücher natürlich eh besser sind. Sie frisst sich in den Leser und lässt nicht mehr los und auch, wenn ich jetzt immer noch nicht weiß warum Motte der letzte Engel auf Erden ist (es war mir als wären da auch noch andere gewesen) und was die Gräfinnen im Schilde führen bin ich überaus erfreut dieses Buch gelesen zu haben und setzte alle Hoffnungen darauf, dass sich viele meiner Fragen vielleicht im nächsten Roman aufklären werden ...
"Und so endet alles an diesem Tag und. Und so nahm es seinen Anfang."
FAZIT:
Motte ist der letzte Engel, aber ich vermutlich nicht der letzte Leser, der begeistert und gefesselt sein wird von der Genialität von Drvenkars Gedankengängen, seinen Ideen und seiner Umsetzung. Auch wenn ich für allgemeine Verwirrungen einen Punkt Abzug geben muss, ist dies Buch eines der Highlights, die ich in diesem Jahr gelesen habe und ich rate dazu das Buch selbst in die Hand zu nehmen und sich von Mona, Esko, den Gräfinnen und all den anderen düsteren, aber auch zum Teil einfach nur sympathischen Charakteren in die geheimnisvolle Welt von Familie und Bruderschaft entreißen zu lassen.