'Jenseits des Nils' - Seiten 001 - 105

  • Hallo Ayasha,


    Zitat

    Original von Ayasha
    Da ich den Bummelzug erwischt habe, hat es etwas gedauert. Aber inzwischen bin auch ich endlich in Surrey angekommen.... ;-) Und es gefällt mir dort ausgezeichnet! :-)


    Keine Hektik, Ayasha - in Surrey geht's ja ganz gemütlich zu, da können wir das in der Leserunde genauso handhaben! :knuddel1
    Freu mich sehr, dass Du gut angekommen bist! :-)


    Zitat

    Original von Ayasha
    Ich muss gestehen, dass ich ähnlich empfinde wie Emmy - sie hat mir geradewegs aus der Seele geschrieben. :anbet Ich hatte sofort das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein - viel mehr als nur ein Beobachter. Die Figuren sind so lebendig gezeichnet, so dass ich das Gefühl habe, ich müsste nur die Hand ausstrecken, um sie berühren zu können.


    Wie schön. :schuechtern
    Das freut mich immer sehr, wenn die Personen, die ja für mich "real" sind und mit denen ich über Monate hinweg hier im Schreiberstübchen zusammenlebe, für euch dann auch so greifbar und "echt" sind.



    Zitat

    Original von Ayasha
    In den verschiedenen Szenen ist die jeweilige Atmosphäre regelrecht spürbar: die Leichtigkeit während des Ausfluges der jungen Leute, die Strenge und der Druck auf der Kadettenschule, die Schmetterlinge der ersten grossen Liebe - und das ganz ohne unnötigen Kitsch. Auch wenn es schmalzig klingt: Nicole, ich liebe deine Art eine Geschichte zu erzählen! :anbet


    Ich finde das überhaupt nicht schmalzig, Ayasha - das ist ein ganz großes Kompliment für mich, danke! :knuddel1


    Zitat

    Original von Ayasha
    Obwohl ich am Anfang auch ein bisschen mit den vielen verschiedenen Namen zu "kämpfen" hatte, finde ich es total spannend ein Buch zu lesen, indem nicht nur ein oder zwei Protagonisten die Geschichte dominieren. Ich bin immer recht schnell eingeschossen auf bestimmte Figuren. In diesem Falle könnte ich aber nicht sagen, wer ich am meisten oder am wenigsten mag und ich bin schon auf jedes einzelne Schicksal mehr als gespannt.


    Das war für mich auch die Herausforderung und der Reiz an dieser Geschichte, gleich mehrere Personen in den Fokus zu rücken.
    (Ich denke inzwischen nur, ich hätte den Anfang geschickter aufbauen müssen ... :schaem)


    Zitat

    Original von Ayasha
    Und ein neues Wort habe ich auch gelernt: ich muss zugeben, dass ich "erdbeerblond" noch nicht kannte. :schaem


    Ursprünglich wollte ich schreiben, dass es diese Farbbezeichnung auf Deutsch eigentlich gar nicht gibt - aber als ich gerade nach einem Beispiel gegoogelt habe, musste ich feststellen, dass sie inzwischen doch auch im Deutschen verwendet wird. Das ist ein Lehnwort aus dem Englischen, von "strawberry blonde" und meint Blond mit einem Hauch Rot darin, für mein Empfinden ein bisschen zarter als typisches Rotblond.


    Farbbeispiele auf schwarzkopf.de



    Zitat

    Original von Ayasha


    Der Glockenblumenwald - schöner kann sich ihn auch der Leser nicht vorstellen. :-)


    Vielen Dank für die tollen Bilder! :knuddel1


    Sehr gerne, Ayasha!
    Ich bin in Schilderungen des alten Surrey über diese Glockenblumen gestolpert - und da musste ich sie einfach in den Roman mit reinnehmen, das passte für mich so schön. :-]

  • Zitat

    Original von Nicole


    Ursprünglich wollte ich schreiben, dass es diese Farbbezeichnung auf Deutsch eigentlich gar nicht gibt - aber als ich gerade nach einem Beispiel gegoogelt habe, musste ich feststellen, dass sie inzwischen doch auch im Deutschen verwendet wird. Das ist ein Lehnwort aus dem Englischen, von "strawberry blonde" und meint Blond mit einem Hauch Rot darin, für mein Empfinden ein bisschen zarter als typisches Rotblond.


    Farbbeispiele auf schwarzkopf.de


    Vielen Dank für die Erklärung und den Link! Ich habe eine Freundin mit solcher Haarfarbe - jetzt werde ich immer an Erdbeeren denken, wenn ich sie sehe... ;-)

  • Nach Verlassen des Dons musste ich einfach noch einen Zwischenstopp in Frankreich ("Brief an D.") einlegen, aber jetzt habe ich auch endlich angefangen:


    Weil ich es gerade gelesen habe: Literatur, so sagt die beeindruckende Rosa Yasin Hassan, sei „Genuss“, nicht aber „Zeitvertreib“ (LiteraturNachrichten Nr. 114, Seite 21). Das, so denke ich, darf ich zumindest in meinem Fall auf das Lesen erweitern und stelle fest, Genuss ist es für mich immer wieder, aufs Neue aufzubrechen ins Nicole-Land, mich von ihr mitnehmen zu lassen in Gefilde, die vor ihr kein menschlich Auge je erblickt. Zum Genuss gehört für mich aber auch, dass der Text mir Fragen stellt und Fragen aufwirft.
    Und da wäre ich gleich bei Nr. 1: Der eisige Schneesturm von Seite 12 ist vermutlich so geschehen?
    Entschuldigung, aber das interessiert mich wirklich.


    Die Einführung des Personals gefällt mir gut; Ada, ach das arme Kind, wie vielen „kleinen“ Schwestern (die manchmal auch die großen sind) ist es wohl so ergangen wie ihr? Und diese Peinlichkeiten, in die man immer wieder gerät …
    Grace ist … beeindruckend. Auf ihre Ecken und Kanten bin ich gespannt (sie wird doch hoffentlich welche haben – aber warum frage ich eigentlich?)
    Die jungen Herren: Stephen hat dort nichts zu suchen, in Sandhurst, meine ich, schade, dass die Tradition immer noch so große Macht hat. Leonard und Royston sind sich ihres Standes ziemlich bewusst, ebenso wie Simon, allerdings unterscheidet sich der in seinem Fall doch deutlich. Jeremy … hmmm … jemand, der aneckt und nichts dabei findet, jemand, der keine Diskussion scheut, aber ist er auch jemand, der von seinen Überzeugungen abzurücken vermag? „Plebejischer Nestbeschmutzer“ (Seite 23) wird er genannt, vermutlich wird er dem gar nicht einmal widersprechen mögen. Allerdings geht der Vorwurf ein wenig ins Leere, aber Mr. Highmore macht mir in den wenigen Worten, die er in diesem Abschnitt zu sagen hat, nicht unbedingt den Eindruck einer Geistesgröße (und eigentlich, Pardon, könnte er sich ja mit Cecily zusammentun, die ist ja auch auf … das hocherhobene Näschen bedacht). Das Statement von Colonel Sir jedenfalls – auf Seite 27 – gibt mir zu denken. Ideale, Idealvorstellungen sind zweifellos dazu da, ihnen nachzueifern, dienen aber auch dazu, an der Realität, der Angst des Augenblicks zu scheitern und einen Grund zur Verurteilung eines Menschen zu geben. Nun ja, was soll man sonst noch dazu sagen?


    Seite 34: Diese kleine, feine Beobachtung des gravierendsten Unterschieds zwischen Hund und Katze. :anbet


    Shamley Green und seine Bewohner: Die Beschreibung erinnerte mich an etwas, es hat mich einige Zeit gequält, bis ich darauf gekommen bin. Nicht an Jane Austen, sondern an E. M. Forster. Ist das nicht verrückt?
    Constance Norbury: Sie scheint mir mehr oder weniger das Ideal einer – adeligen (ja, das Wort muss dazu erwähnt werden) – Mutter zu sein. Colonel (das Sir darf ich ja jetzt, weil privatim, weglassen): Ein Mann, Offizier durch und durch, der die durch die Umstände gewonnenen Seiten eines Raubeins an sich entdecken würde, wenn er sich denn die Mühe machte, nach ihnen zu suchen. Ein Mann, dem Familie wichtig ist, seine Vorstellungen von Familie aber vielleicht noch ein bisschen mehr.
    Seite 48 ist ziemlich … einerseits entlarvend, andererseits auch deprimierend, wenn ich so überlege, was man von den Töchtern hielt. Gut, sie sollten so gut wie möglich versorgt sein, aber … Aber das Thema hatten wir ja schon oft genug. Deprimierend finde ich auch seine Einstellung, sein Sohn solle „durch die Erfahrung eines Krieges“ fürs Leben … lernen. Was ist das nur für ein Bild, dass der Junge als Versager gilt, weil er beim Militär keine Karriere macht, machen will? Aus meiner heutigen Sicht jedenfalls ein mitleiderregendes.


    In Bezug auf Seite 49: Mit zunehmendem Alter erwärme ich mich immer mehr für einen „bodenständigen Laib Brot“. Und wenn schon Buttercremetorte, dann bitte Mokka. :grin


    Ein bisschen gewundert habe ich mich über die Freiheiten, die die jungen Leute hatten. Gut, sie waren zum Großteil seit Kindheit an miteinander vertraut, aber gerade weil die Damen ins heiratsfähige Alter vorgerückt waren, hätte ich gedacht, dass zumindest offiziell so eine Art „Anstandswauwau“ mit dabei sein musste. Egal, ob zum Picknick, nach Sandhurst oder zum Reitausflug (zwei auf einem Pferd – Seite 77f. - … das wäre doch eine Szene gewesen, wenn das beliebte verarmte, ältliche Cousinchen oder so hätte eingreifen müssen und nicht können. Ach, vielleicht gut, dass es sie im Buch nicht gibt, mit der Armen hätte ich doch wieder mitgelitten).


    Frage Nr. 2: Ist man nur ein Jahr auf/in Sandhurst? Das erscheint mir wenig, um Offizier zu werden, oder wurde wohl davon ausgegangen, dass die Absolventen sowieso von Haus aus „vorgebildet“ waren?
    Was mich zwanglos zu Frage Nr. 3 überleitet: Wieso ist Jeremy eigentlich so sicher unter denen, die nicht Seinesgleichen sind? Pures Selbstbewusstsein wird trotzdem irgendwann anecken, wenn man beispielsweise nicht weiß, welches Besteck wozu benutzt wird.
    Frage 4: Baudelaire (der Junge traut sich was...) - Übersetzung oder Original? Und wieso "vergilbt, muffig riechende Seiten"? (Entschuldigung, ich will mich ja nur über den Bildungsstand schlau machen, und wieso jemand aus der Mittelschicht undsoweiterundsofort).

  • Liebe Lipperin,


    Zitat

    Original von Lipperin
    Nach Verlassen des Dons musste ich einfach noch einen Zwischenstopp in Frankreich ("Brief an D.") einlegen, aber jetzt habe ich auch endlich angefangen:


    Vom Don über Frankreich nach Surrey finde ich eine schöne Reiseroute! :-]
    Schön, dass Du gut hier angekommen bist! :knuddel1


    Zitat

    Original von Lipperin
    Weil ich es gerade gelesen habe: Literatur, so sagt die beeindruckende Rosa Yasin Hassan, sei „Genuss“, nicht aber „Zeitvertreib“ (LiteraturNachrichten Nr. 114, Seite 21). Das, so denke ich, darf ich zumindest in meinem Fall auf das Lesen erweitern und stelle fest, Genuss ist es für mich immer wieder, aufs Neue aufzubrechen ins Nicole-Land, mich von ihr mitnehmen zu lassen in Gefilde, die vor ihr kein menschlich Auge je erblickt.


    Ein schönes Zitat, gefällt mir sehr gut.
    (Und ich freue mich unglaublich, dass es Dir mit meinen Büchern so geht.)


    Zitat

    Original von Lipperin
    Zum Genuss gehört für mich aber auch, dass der Text mir Fragen stellt und Fragen aufwirft.


    ... worüber ich mich jedes Mal sehr freue. :wave


    Zitat

    Original von Lipperin
    Und da wäre ich gleich bei Nr. 1: Der eisige Schneesturm von Seite 12 ist vermutlich so geschehen?
    Entschuldigung, aber das interessiert mich wirklich.


    Ja, den gab es tatsächlich, auch die sonstigen Angaben stimmen, der kalte Frühling und der frühe, im Verhältnis zu den Jahren davor und danach lange, warme und trockene Sommer.


    Vielleicht übertreibe ich es da ein klein wenig, weil es vermutlich nie jemand nachprüft - aber ich versuche schon immer herauszufinden, wie tendenziell das Wetter am jeweiligen Schauplatz zum Zeitpunkt X war (allein schon deshalb, weil mich da meine eigene Neugierde antreibt); dito müssen für mich die Mondphasen mit dem Datum übereinstimmen, wenn ich z.B. einen Neumond oder einen Vollmond erwähne.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Die Einführung des Personals gefällt mir gut; Ada, ach das arme Kind, wie vielen „kleinen“ Schwestern (die manchmal auch die großen sind) ist es wohl so ergangen wie ihr? Und diese Peinlichkeiten, in die man immer wieder gerät …


    Ja, für mich ist das eine ganz klassische Geschwisterkonstellation.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Grace ist … beeindruckend. Auf ihre Ecken und Kanten bin ich gespannt (sie wird doch hoffentlich welche haben – aber warum frage ich eigentlich?)


    Vielleicht, weil sie doch ein bisschen glatt und zu perfekt rüberkommt? :-)


    Zitat

    Original von Lipperin
    Die jungen Herren: Stephen hat dort nichts zu suchen, in Sandhurst, meine ich, schade, dass die Tradition immer noch so große Macht hat. Leonard und Royston sind sich ihres Standes ziemlich bewusst, ebenso wie Simon, allerdings unterscheidet sich der in seinem Fall doch deutlich. Jeremy … hmmm … jemand, der aneckt und nichts dabei findet, jemand, der keine Diskussion scheut, aber ist er auch jemand, der von seinen Überzeugungen abzurücken vermag?


    Sehr, sehr spannende Frage, Lipperin! :-)


    Zitat

    Original von Lipperin
    „Plebejischer Nestbeschmutzer“ (Seite 23) wird er genannt, vermutlich wird er dem gar nicht einmal widersprechen mögen. Allerdings geht der Vorwurf ein wenig ins Leere, aber Mr. Highmore macht mir in den wenigen Worten, die er in diesem Abschnitt zu sagen hat, nicht unbedingt den Eindruck einer Geistesgröße (und eigentlich, Pardon, könnte er sich ja mit Cecily zusammentun, die ist ja auch auf … das hocherhobene Näschen bedacht).


    Da hast Du sowohl Freddie als auch Cecily treffend charakterisiert.
    Ich habe Freddie auch deshalb so dargestellt, um zumindest anzudeuten, dass nicht alle in Sandhurst die großen Leuchten waren ...


    Zitat

    Original von Lipperin
    Das Statement von Colonel Sir jedenfalls – auf Seite 27 – gibt mir zu denken. Ideale, Idealvorstellungen sind zweifellos dazu da, ihnen nachzueifern, dienen aber auch dazu, an der Realität, der Angst des Augenblicks zu scheitern und einen Grund zur Verurteilung eines Menschen zu geben. Nun ja, was soll man sonst noch dazu sagen?


    Ein sehr guter und wichtiger Gedanke.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Seite 34: Diese kleine, feine Beobachtung des gravierendsten Unterschieds zwischen Hund und Katze. :anbet


    :zwinker


    Zitat

    Original von Lipperin
    Shamley Green und seine Bewohner: Die Beschreibung erinnerte mich an etwas, es hat mich einige Zeit gequält, bis ich darauf gekommen bin. Nicht an Jane Austen, sondern an E. M. Forster. Ist das nicht verrückt?


    Mich macht diese Assoziation sehr glücklich; ich verehre E.M. Forster über alle Maßen. :anbet
    Und es gibt im Buch die eine oder andere Szene, die von seinem "Room With A View" inspiriert ist - in meinen Augen nicht sein bester Roman (das wird für mich immer "Howard's End" sein), aber mir der liebste.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Constance Norbury: Sie scheint mir mehr oder weniger das Ideal einer – adeligen (ja, das Wort muss dazu erwähnt werden) – Mutter zu sein. Colonel (das Sir darf ich ja jetzt, weil privatim, weglassen): Ein Mann, Offizier durch und durch, der die durch die Umstände gewonnenen Seiten eines Raubeins an sich entdecken würde, wenn er sich denn die Mühe machte, nach ihnen zu suchen. Ein Mann, dem Familie wichtig ist, seine Vorstellungen von Familie aber vielleicht noch ein bisschen mehr.


    Absolut, ja.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Seite 48 ist ziemlich … einerseits entlarvend, andererseits auch deprimierend, wenn ich so überlege, was man von den Töchtern hielt. Gut, sie sollten so gut wie möglich versorgt sein, aber … Aber das Thema hatten wir ja schon oft genug.


    Ja, da kommt man nicht drumherum, wenn man um Frauenleben im 19. Jahrhundert schreibt oder liest.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Deprimierend finde ich auch seine Einstellung, sein Sohn solle „durch die Erfahrung eines Krieges“ fürs Leben … lernen. Was ist das nur für ein Bild, dass der Junge als Versager gilt, weil er beim Militär keine Karriere macht, machen will? Aus meiner heutigen Sicht jedenfalls ein mitleiderregendes.


    Wir haben da auch heute eine komplett andere Sicht darauf.
    Stephen entspricht nicht dem gängigen Männerbild, und mit der Psychologie seiner Zeit, sicher auch mit seinem familiären wie persönlichen Hintergrund geht der Colonel ganz einfach davon aus, dass das Militär aus seinem Sohn einen "ganzen Kerl" machen würde.


    Zitat

    Original von Lipperin
    In Bezug auf Seite 49: Mit zunehmendem Alter erwärme ich mich immer mehr für einen „bodenständigen Laib Brot“. Und wenn schon Buttercremetorte, dann bitte Mokka. :grin


    Für die Herrenhäuser im Buch gab es übrigens jeweils tatsächlich existierende Vorbilder:


    Shamley Green


    Givons Grove



    Zitat

    Original von Lipperin
    Ein bisschen gewundert habe ich mich über die Freiheiten, die die jungen Leute hatten. Gut, sie waren zum Großteil seit Kindheit an miteinander vertraut, aber gerade weil die Damen ins heiratsfähige Alter vorgerückt waren, hätte ich gedacht, dass zumindest offiziell so eine Art „Anstandswauwau“ mit dabei sein musste. Egal, ob zum Picknick, nach Sandhurst oder zum Reitausflug (zwei auf einem Pferd – Seite 77f. - … das wäre doch eine Szene gewesen, wenn das beliebte verarmte, ältliche Cousinchen oder so hätte eingreifen müssen und nicht können. Ach, vielleicht gut, dass es sie im Buch nicht gibt, mit der Armen hätte ich doch wieder mitgelitten).


    So ungewöhnlich war das nicht, das man junge Leute in einer Gruppe unter sich sein ließ; man ging selbstverständlich davon aus, dass da die Mädchen gegenseitig aufeinander aufpassen, sich die Jungs im Zweifel gegenseitig im Zaum halten. (Obwohl der Colonel sich ja da schon so seine Gedanken macht ...)
    Zu zweit auf einem Pferd war dann natürlich doch nicht sonderlich schicklich ... Aber ich denke, da waren und sind junge Leute zu allen Zeiten gleich, indem sie sich über die Konventionen ihrer Eltern einfach mal hinwegsetzen. (Erfährt ja sicher keiner. Bleibt ja unter uns.)
    Genauso unschicklich ist es natürlich von Grace und Jeremy, einfach zu zweit im Wald zu verschwinden - und diese Szene endet ja auch damit, dass die anderen nach ihnen suchen. Da greift dann die soziale Kontrolle innerhalb der Gruppe.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Frage Nr. 2: Ist man nur ein Jahr auf/in Sandhurst? Das erscheint mir wenig, um Offizier zu werden, oder wurde wohl davon ausgegangen, dass die Absolventen sowieso von Haus aus „vorgebildet“ waren?


    Ja, es war tatsächlich nur ein Jahr Ausbildungszeit (zum Vergleich: im amerikanischen West Point waren es damals vier Jahre) - und definitiv zu wenig, ich glaube, das ist uns allen klar.
    Und mehr Vorbildung als der Umgang mit Schusswaffen, vielleicht noch das, was zuhause Gesprächsthema war an Politik, an Anekdoten aus dem Krieg von Vater, Großvater, Onkel, sonstigen Verwandten, dürfte auch nicht vorhanden gewesen sein; zumindest enthielt der Lehrplan in Cheltenham (in mehr als einem Aspekt eine typische Schule der damligen Zeit) nichts Entsprechendes.
    Haarsträubend.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Was mich zwanglos zu Frage Nr. 3 überleitet: Wieso ist Jeremy eigentlich so sicher unter denen, die nicht Seinesgleichen sind? Pures Selbstbewusstsein wird trotzdem irgendwann anecken, wenn man beispielsweise nicht weiß, welches Besteck wozu benutzt wird.


    Mit Sicherheit. Daher auch sein Zögern, als Len ihn für dieses Wochenende nach Givons Grove einlädt - und sein Unbehagen im Ballsaal.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Frage 4: Baudelaire (der Junge traut sich was...) - Übersetzung oder Original? Und wieso "vergilbt, muffig riechende Seiten"? (Entschuldigung, ich will mich ja nur über den Bildungsstand schlau machen, und wieso jemand aus der Mittelschicht undsoweiterundsofort).


    Das Original. :-)
    Im Roman ist es eine antiquarische Ausgabe, die an diesem Sommertag eine ganz eigene Hintergrundgeschichte hat und die viel weiter hinten im Buch dann auch kurz erzählt wird.


    Auch wenn es ein bisschen abstrakt und kalkuliert klingt: ich wollte mit diesem Roman auch ein bisschen die gesellschaftlichen Verhältnisse und Strömungen jener Zeit rüberbringen. Während die Oberschicht noch an ihren alten Verhaltensmustern hängt und auch kaum davon abweicht, ist die Mittelklasse sehr in Bewegung und bestrebt, die ihr bisher gesteckten Grenzen der Bildung, der Berufswahl, des Lebensstandards und auch des Wohnorts aufzuweichen und neue Wege zu gehen, vor allem auch "nach oben". Eine demographische Wandlung, die da schon ihren Anfang nimmt, wenn sie auch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirklich relevant und augenfällig wird.
    Im Roman wird das durch Jeremy symbolisiert, der über seinen Tellerrand schaut, der wißbegierig ist und ehrgeizig und der etwas aus seinem Leben machen will.

  • Zitat

    Original von Nicole



    Vielleicht, weil sie doch ein bisschen glatt und zu perfekt rüberkommt? :-)


    Vermutlich eher, weil Grace und ich uns noch nicht so gut kennengelernt haben.


    Zitat

    Mich macht diese Assoziation sehr glücklich; ich verehre E.M. Forster über alle Maßen. :anbet
    Und es gibt im Buch die eine oder andere Szene, die von seinem "Room With A View" inspiriert ist - in meinen Augen nicht sein bester Roman (das wird für mich immer "Howard's End" sein), aber mir der liebste.


    Meiner auch!


    Zitat


    Für die Herrenhäuser im Buch gab es übrigens jeweils tatsächlich existierende Vorbilder:


    Shamley Green


    Givons Grove


    Vielen Dank für die Fotos, schön sind sie, die Häuser!




    Zitat


    Ja, es war tatsächlich nur ein Jahr Ausbildungszeit (zum Vergleich: im amerikanischen West Point waren es damals vier Jahre) - und definitiv zu wenig, ich glaube, das ist uns allen klar.
    Und mehr Vorbildung als der Umgang mit Schusswaffen, vielleicht noch das, was zuhause Gesprächsthema war an Politik, an Anekdoten aus dem Krieg von Vater, Großvater, Onkel, sonstigen Verwandten, dürfte auch nicht vorhanden gewesen sein; zumindest enthielt der Lehrplan in Cheltenham (in mehr als einem Aspekt eine typische Schule der damligen Zeit) nichts Entsprechendes.
    Haarsträubend.


    Danke für die Erklärung! Meine Gedanken gingen in eine etwas andere Richtung, nämlich das "Abschauen" des autoritären Auftretens, das Befehlen resp. Anweisen der Bediensteten, Selbstsicherheit ...


    Zitat

    Das Original. :-)
    Im Roman ist es eine antiquarische Ausgabe, die an diesem Sommertag eine ganz eigene Hintergrundgeschichte hat und die viel weiter hinten im Buch dann auch kurz erzählt wird.


    Ein Grund mehr, schneller zu lesen. :-]


    Zitat

    Auch wenn es ein bisschen abstrakt und kalkuliert klingt: ich wollte mit diesem Roman auch ein bisschen die gesellschaftlichen Verhältnisse und Strömungen jener Zeit rüberbringen. Während die Oberschicht noch an ihren alten Verhaltensmustern hängt und auch kaum davon abweicht, ist die Mittelklasse sehr in Bewegung und bestrebt, die ihr bisher gesteckten Grenzen der Bildung, der Berufswahl, des Lebensstandards und auch des Wohnorts aufzuweichen und neue Wege zu gehen, vor allem auch "nach oben". Eine demographische Wandlung, die da schon ihren Anfang nimmt, wenn sie auch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirklich relevant und augenfällig wird.
    Im Roman wird das durch Jeremy symbolisiert, der über seinen Tellerrand schaut, der wißbegierig ist und ehrgeizig und der etwas aus seinem Leben machen will.


    Auch wenn ich noch ziemlich am Anfang bin (na gut, Anfang des zweiten Abschnitts): Das kommt bei mir auch so an. Es war ja schon eine Zeit großer Umbrüche, nicht nur die Oberschicht musste anfangen, umzulernen, sondern auch die Herren der Schöpfung. Ich bin dankbar, dass das ein Echo im Buch finden wird.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Vermutlich eher, weil Grace und ich uns noch nicht so gut kennengelernt haben.


    Das kann ich gut verstehen. Für mich ist sie jemand, bei dem man ein bisschen "graben" muss, um zu ihrem inneren Kern vorzudringen - genau wie sie selbst auch.


    Zitat

    Original von Lipperin


    Meiner auch!


    ... und der Film, ach, der Film. :anbet
    Der Beginn meiner Liebe zu den Merchant-Ivory-Produktionen.


    (und ich kenne doch tatsächlich jemanden, der jemanden kennt - bzw. kannte, leider inzwischen verstorben - , der als Student in Cambridge mal bei E.M. Forster zum Tee war. Ist das nicht unglaublich?)



    Zitat

    Original von Lipperin
    Danke für die Erklärung! Meine Gedanken gingen in eine etwas andere Richtung, nämlich das "Abschauen" des autoritären Auftretens, das Befehlen resp. Anweisen der Bediensteten, Selbstsicherheit ...


    Das mit Sicherheit. Da konnte man in jedem Fall davon ausgehen, dass die Jungs das von der Wiege an gelernt hatten.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Auch wenn ich noch ziemlich am Anfang bin (na gut, Anfang des zweiten Abschnitts): Das kommt bei mir auch so an. Es war ja schon eine Zeit großer Umbrüche, nicht nur die Oberschicht musste anfangen, umzulernen, sondern auch die Herren der Schöpfung. Ich bin dankbar, dass das ein Echo im Buch finden wird.


    Schön, dass das da schon für Dich spürbar wird. :schuechtern

  • Zitat

    Original von Nicole



    ... und der Film, ach, der Film. :anbet


    Den Film kenne ich leider nicht.
    Meine Freundin pflegte aber immer zu sagen, es sei das besondere Licht des Romans, dass sie und auch mich so anziehen würde. Ich verstehe zwar (in meinem Herzen), was sie damit gesagt haben wollte, kann es aber (mit meinem Verstand) nicht ausdrücken. - Hoffentlich ist das jetzt verständlich ?( -


    Zitat

    (und ich kenne doch tatsächlich jemanden, der jemanden kennt - bzw. kannte, leider inzwischen verstorben - , der als Student in Cambridge mal bei E.M. Forster zum Tee war. Ist das nicht unglaublich?)


    Wow, denjenigen hätte ich auch gerne kennengelernt...

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Den Film kenne ich leider nicht.
    Meine Freundin pflegte aber immer zu sagen, es sei das besondere Licht des Romans, dass sie und auch mich so anziehen würde. Ich verstehe zwar (in meinem Herzen), was sie damit gesagt haben wollte, kann es aber (mit meinem Verstand) nicht ausdrücken. - Hoffentlich ist das jetzt verständlich ?( -


    Ist es. Ich empfinde es auch so. :-)