35:20 Stunden
ungekürzte Lesung
Sprecher Philipp Schepmann
Hörprobe *klick*
Zum Autor
Ken Follett, geboren 1949 in Wales, von Beruf Journalist, wurde mit seinem Thriller 'Die Nadel' weltberühmt. Brillante Erzählkunst verbindet sich in seinen Büchern mit fundierter Sachkenntnis.
Zum Sprecher
Johannes Steck, geb. 1966, ist als Schauspieler einem großen Fernsehpublikum bekannt. Seit 2004 widmet er sich verstärkt seiner Leidenschaft, den Hörbüchern, und hat schon Büchern von Simon Beckett, Ken Follett, Markus Heitz u.v.a. seine Stimme geliehen.
Zum Inhalt
Der Krieg ist vorbei. Doch der Friede ist trügerisch. In Deutschland verspricht der Führer dem Volk eine große Zukunft. In den USA kämpft der Präsident gegen die Folgen der Weltwirtschaftskrise. Und in Russland zerbricht die Hoffnung der Revolution unter dem Terror der Bolschewisten.
Der zweite Teil von Folletts großer Jahrhundert-Saga erzählt eine Geschichte von Heldentum und Tragödie, Anpassung und Widerstand, Liebe und Hass. Während sich die einen in Verblendung und Schuld verstricken, werden den anderen die Augen geöffnet für das Unmenschliche, das im Namen der Ideologie geschieht.
Meine Meinung
Fast zwei Jahre lang war die Wartezeit auf die Fortsetzung zu "Sturz der Titanen" und es hat sich gelohnt.
Die Handlung schließt 1933 fast nahtlos an die Ereignisse der Vorgängers an und wie schon im ersten Teil seiner so genannten "Jahrhundert-Saga" webt Follett auch in "Winter der Welt" ein dichtes Netz, verflicht die Schicksale der Figuren aus dem ersten Band und deren Nachkommen miteinander und mit historischen Ereignissen. War die Atmosphäre schon im ersten Teil meist nicht gerade heiter, wird es hier noch düsterer, egal ob in Großbritannien, Deutschland, den USA oder Russland. Die Figuren werden nicht geschont, einige Male musste ich schwer schlucken. Die Atmosphäre jener Zeit wird spürbar, unter anderem auch dank zahlloser kleiner Details, die den Hörgenuß noch verstärkten.
Die walisische Familie Williams, deren Zweig um Ethel mittlerweile in London lebt, taucht genauso wieder auf wie die adligen Fitzherberts, die aus dem russischen Arbeitermilieu stammenden Peschkows, die deutsch-österreichische Adelsfamilie von Ulrich und die amerikanische Familie Dewar.
Wieder werden durch die Augen der sehr unterschiedlichen Hauptfiguren die Lebensumstände jener Zeit in der Ober- und Unterschicht vermittelt, wobei das Rad der Fortuna für so manche Änderung gesorgt hat. Es tauchen etliche bekannte Figuren aus "Sturz der Titanen" auf und wieder fieberte ich mit ihnen, auch wenn bei Einigen das Schicksal mit heutigem Wissen vorgezeichnet schien. Durch die lange Zeitspanne, die der Roman umfasst, wird auch gezeigt, wie einige der Figuren ihre Ansichten im Lauf der Handlung verändern, welche Auswirkungen politische und persönliche Entscheidungen auf das Leben der Bevölkerung in den jeweiligen Ländern hatte.
Kämpften Maud Fitzherbert und Ethel Williams im ersten Band noch um das Wahlrecht für Frauen, ist es hier Mauds Tochter Carla, die zu Beginn als Elfjährige Ausschreitungen der Nazis im Büro ihrer Mutter miterlebt und nicht Ärztin werden darf, sondern Krankenschwester und ihr Sohn Erik, der Medizin studieren könnte, sich aber für einen anderen Weg entscheidet. Ethels Sohn Lloyd muss im Spanischen Bürgerkrieg einige Ideale beerdigen und auch die Geschwister Woody und Chuck Dewar erleben harte Zeiten. Sie wachsen unter gänzlich anderen Umständen auf als ihre Eltern.
Durch ihre Augen werden so einige Zusammenhänge deutlicher als in der Schule im Geschichtsunterricht. Die zahllosen Gespräche und Diskussionen des Romans lassen die Handlung sowohl lebendiger als auch eindringlicher werden, Gefühle und persönliche Veränderungen deutlicher und außerdem wirkt die Erzählung weniger belehrend als es leicht hätte der Fall sein können. An einer Stelle gibt es schon Andeutungen auf mögliche Ereignisse im nächsten Band in punkto Rassentrennung in den USA.
Die Schauplätze wechseln und mit ihnen die Sicht auf die historischen Ereignisse, Nachfahren wechseln Kontinente und ermöglichen den Zuhörern bzw. Lesern so wiederum andere Einblicke. Besonders interessant waren die Vergleiche der Kriegsführung im ersten und zweiten Weltkrieg, die Erklärungen der technischen Fortschritte und die Wahrnehmung dieser Veränderungen durch die Figuren. Die Situation in der UdssR kam mir persönlich diesmal etwas zu kurz und auch die Gründe für den Aufstieg der NSDAP. Bei den Kriegsschauplätzen versucht Follett nicht, alle wichtigen Schauplätze abzuklappern, sondern konzentriert sich auf wenige, diese dafür mit mehr Details und mir bis dahin unbekannten Hintergrundinformationen, wie z.B. Einblicken in die damalige Technik der Entschlüsslung codierter Nachrichten und das Rennen um die Entwicklung der Atombombe. Interessanterweise stellte Follett nicht die Verbrechen in den Konzentrationslagern in den Mittelpunkt, sondern die Euthanasiemorde der so genannten Aktion T4 und nicht Stalingrad sondern die Schlacht um Moskau und einige andere.
Oft kritisiert werden die zahlreichen Zufälle und Folletts einseitige, angeblich indoktrinierende Darstellung. Über erstere macht er sich selbst in einer Szene gegen Ende lustig, ich habe allzu zufällige Begegnungen eher mit Humor genommen. Sicherlich scheint Manches zu kurz zu kommen, aber bei der Fülle an Ereignissen mussten Schwerpunkte gesetzt werden und auch an der Darstellung mancher historischen Ereignisse bzw. Entwicklungen habe ich mich nicht gestört.
Philipp Schepmann liest auch diesmal mit stets passender Intonation, wirkt bei den tragischen Szenen betroffen und verleiht den Figuren eigene Stimmen, ohne jemals übertrieben oder aufgesetzt zu wirken. Chapeau für den gelungen Vortrag dieser oft drastischen Ereignisse.
Fazit
Ein fesselnder, vielseitiger und stellenweise etwas oberflächlich wirkender Einblick in eine düstere Zeit, der zu Recht den Titel "Winter der Welt" trägt und dessen Hauptfiguren man nicht um ihr Schicksal beneidet. In den gut 900 Seiten bzw. über 35 Stunden verbirgt sich eine Fülle interessanter Informationen, historischer Details und unglaublich umfassender Recherche. Gegen Ende ging es mir ein wenig zu schnell und ich hätte gerne mehr erfahren über das Schicksal der Figuren, die inzwischen zu guten Bekannten geworden sind. So bleibt die Vorfreude auf das Wiedersehen im dritten Band namens "The Cold Peace" (Der kalte Frieden).