Per Olov Enquist - Der fünfte Winter des Magnetiseurs

  • Klappentext:


    Als Wunderheiler zieht Friedrich Meisner durch die Lande, von den einen wie ein Guru verehrt, von den anderen gejagt, weil sie in ihm einen Scharlatan und Volksverhetzer sehen. Dem Begründer des Mesmerismus, Franz Anton Mesmer, hat Enquist seinen Helden in Einzelheiten nachgebildet und eine schillernde Persönlichkeit geschaffen: Zynisch-ironisch im Umgang mit anderen, sieht Meisner sich andererseits in der Nachfolge des Paracelsus und seine Behandlung als Teil einer alles durchdringenden kosmischen Macht. Daher rührt sein Anspruch, dass alle, die sich bei ihm behandeln lassen, unbedingt an ihn und seine Heilkraft glauben sollen. Den fünften Winter auf der Flucht vor seinen Verfolgern, das Jahr 1793, verbringt er in der kleinen bayrischen Stadt Seefond, wo er die blinde Tochter des Arztes Claus Selinger durch Magnetismus und Hypnose zu heilen vermag. Ein spektakulärer Erfolg, mit dem er auch den skeptischen Selinger für sich einnimmt. Bereitwillig assistiert dieser bei den Seancen und führt aufmerksam Protokoll. Eines Tages ertappt er eine Patientin bei einem geradezu grotesken Betrug, der von Meisner bewusst vertuscht wird. Und plötzlich hat der Wunderheiler eine ganze Stadt, die in seinem Bann stand, gegen sich. Zeichenhaft verdichtet stellt Enquist den Konflikt von Wahn und Vernunft, von Glauben und Rationalität dar.


    Nach dem Welterfolg von „Der Besuch des Leibarztes“ nun ein neuer großer Roman des Bestsellerautors Per Olov Enquist.


    „Per Olov Enquist ist ein großer Liebhaber des Halbschattens, ein leidenschaftlicher Experte für die Rückseite der Geschichte, für zwielichtige Figuren und obskure Fanatiker der Wahrheit.“ Süddeutsche Zeitung


    Meine Meinung:


    Ich habe mit Begeisterung „Der Besuch des Leibarztes“ gelesen und war neugierig auf einen weiteren Roman von Per Olov Enquist. Mir hat auch dieses Buch sehr gut gefallen. Enquist hat einen ganz eigenen Erzählstil, in den man sich erst einfinden muss, der dann aber fesselt. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der exzentrische Friedrich Meisner, dessen zwiespältiger Charakter sich erst im Laufe der Geschichte entfaltet. Der Leser ist hin- und hergerissen zwischen Sympathie und Antipathie, zwischen Zustimmung und Ablehnung.


    Für mich der einzige Wermutstropfen: Enquist vermittelt im Laufe der Handlung immer wieder den Eindruck, Meisner sei eine reale Person gewesen, über deren Leben und Werk er äußerst genau recherchiert habe. Bis zum Ende dachte ich, Meisner sei tatsächlich Anton Mesmer, der nach seinem Debakel in Paris einen neuen Namen angenommen habe (und der Autor verleitet m. E. den Leser gezielt zu dieser irrigen Annahme). Am Schluss wird dann aber klar, dass Friedrich Meisner eine fiktive Person ist, und das fand ich schade.


    Trotzdem sehr lesenswert!

  • Hallo...?


    Leider kann ich nicht erkennen, wer das hier editiert hat. Ich hatte das Buch extra unter "Zeitgenössisches" vorgestellt, denn es ist auf jeden Fall der Sparte "Zeitgenössische Literatur" zuzuordnen, jedoch nur im Zweifelsfall dem Genre "Historischer Roman".


    Nach Iris Definition ist dies schon deshalb kein HR, weil Handlung und Hauptperson fiktiv sind. Bei Fantasy wäre das Buch aber komplett am verkehrten Platz!!! Ich fürchte , dass die Fans von HR oder Fantasy mit diesem Buch nicht glücklich werden. Ich würde es eher vergleichen mit "Schlafes Bruder" oder "Das Parfum".


    Daher meine Bitte: Zurück damit in die Rubrik "Zeitgenössisches"!


    Danke, die Waldfee :wave

  • Zitat

    Original von Waldfee
    Nach Iris Definition ist dies schon deshalb kein HR, weil Handlung und Hauptperson fiktiv sind. Bei Fantasy wäre das Buch aber komplett am verkehrten Platz!!!


    :gruebel
    Demnach wären die Romane von Rebecca Gablé und meine und die vieler anderer Autoren zeitgenössische Literatur :wow -- und das habe ich weiß Gott nicht gemeint.


    Historisch bedeutet (grob gesprochen), daß die Handlung 2-3 Generationen vor der Lebenszeit des Autors liegt.
    Der fünfte Winter des Magnetiseurs spielt im 18.Jh. und das ist wahrhaftig mind. 2-3 Generationen vor Per Olov Enquists Geburt. ;-)
    Ebenso wie Ecos Der Name der Rose oder Baudolino, deren Handlung wie die meisten ihrer Figuren fiktiv sind, sind sowohl Der Besuch des Leibarztes, Das Buch von Blanche und Marie und Lewis Reise sind thematisch gesehen historische Romane, auch wenn der Autor unser Zeitgenosse ist. Bei dieser sachlich-thematischen Einteilung ("Genre") geht es um den Zeitraum, in den die Handlung eingebettet ist, und dazu ist es keineswegs nötig, daß große historische Ereignisse herangezogen werden.


    Falls ihr zwei auf die Unterteilung zwischen "anspruchsvoll" und "trivial" hinauswollt, liegt ihr völlig falsch: "historisch" (ebenso wie "Fantasy"/"Phantastik") bedeutet keineswegs automatisch "trivial", es ist keine qualitative Einordnung.

  • Hallo Iris


    Ja, es kann sein, dass ich schon ein wenig in diese Richting tendierte, trivial und anspruchsvoll. Allerdings kann man dieses Buch auch wunderbar auf die heutige Zeit deuten. Ich bin ja selber Heilpraktikerin, und weiß mit welchen Mittel und Methoden leider viele meiner Kolegen arbeiten. Aber vielleicht hast du Recht ...

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    Allerdings kann man dieses Buch auch wunderbar auf die heutige Zeit deuten.


    Ein guter Roman (wie jedes gute Kunstwerk) transportiert immer etwas, das sich auf jede Zeit übertragen läßt, weil es etwas Allgemeinmenschliches ist.


    Es ist ein gravierender Fehler, "Genre"-Literatur immer gleich als "trivial" hinzustellen. Feuchtwanger, Eco, jetzt auch Kehlmann und viele andere schrieben und schreiben historische Romane. Die Literaturkritik scheut sich oft, diese Roman so zu bezeichnen, weil in gewissen Kreisen dank des hohen Anteils an trivialen Romanen das ganze Genre in Verruf geraten ist. Aber das ist so dumm wie arrogant.
    Ich zitiere in diesem Zusammenhang immer gerne Gertrud von Le Fort, die einmal schrieb: »Ich habe das Historische nie als eine Flucht aus der eigenen Zeit empfunden, sondern als einen Abstand, von dem aus man die eigene Zeit schärfer erkennt.«


    Man kann Romane von Eco, Feuchtwanger, Kehlmann etc. durchaus auch als Unterhaltung lesen, aber sie transportieren mehr. Und so manch ein anderer, weniger berühmter Autor, der thematisch einem bestimmten Genre zugeordnet wird, tut das auch.
    Wenn Leser Werke grundsätzlich als "trivial" einordnen, weil diese einem bestimmten Genre zugewiesen werden, versperren sie sich dadurch auch den Zugang zu einem über das Banale hinausgehende Inhalt eines Werkes.

  • Danke liebe Iris,
    auch ich habe wieder etwas hinzugelernt :-]


    Es ist nur schade, dass man sich dann im Sumpf wirklich verirren kann. Denn wie pickt ein Nicht-Literatur-Kenner sich dann die Rosinen aus dem ganzen Wust heraus?
    Das ist jetzt nicht böse gemeint ;-) Ich hoffe, du verstehst was ich meine.


    Okay, lassen wir es wieder ins Historische wandern :wave

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    Denn wie pickt ein Nicht-Literatur-Kenner sich dann die Rosinen aus dem ganzen Wust heraus?


    Indem man Rezensionen und Buchvorstellungen liest und vergleicht. Mit der Zeit merkt man schon, wie man die einzelnen Rezensenten für sich einschätzen muß und auf wen man getrost hören kann. Kalypso z.B. stellt für meinen Geldbeutel eine große Bedrohung dar ... :lache

  • Ich hätte den Autor (ohne die Inhaltsangabe zu lesen) auch eher zu den Historischen zugeordnet. Meiner Definition nach ist alles, was "früher" als 20. Jhd. spielt, eher historisch.


    Danke für die Rezi, das hört sich interessant an.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Warum soll's Dir besser gehen als mir? :lache


    @ Iris + Pelican:
    Tzz, und warum sollte es euch wohl besser gehen als mir, denn schließlich bin ich durch euch auch schon paar Euronen losgeworden? Beruht also alles nur auf Gegenseitigkeit :-]


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Wenn du Enquist kaufst, bin ich nicht schuld! Der nervt mich kollossal mit seiner Dreiwortsatzsprache und seinen kühlen Mantras. Mir ist völlig schleierhaft, was daran Literatur sein soll ... :rolleyes


    Ich bin rheinländisch-katholisch sozialisiert, ich brauche Feuer, Leidenschaft, Sprachgewalt ... eben Sünde und Fegefeuer und die Hoffnung auf das Paradies! :lache

  • Zitat

    Original von Iris
    Wenn du Enquist kaufst, bin ich nicht schuld! Der nervt mich kollossal mit seiner Dreiwortsatzsprache und seinen kühlen Mantras. Mir ist völlig schleierhaft, was daran Literatur sein soll ... :rolleyes


    :wow :cry
    Jetzt hast du mich aber erschreckt, denn ich habe „Der Besuch des Leibarztes“ noch im SuB liegen. Mal schauen, wie es mir gefällt.



    Zitat

    Original von Iris
    Ich bin rheinländisch-katholisch sozialisiert, ich brauche Feuer, Leidenschaft, Sprachgewalt ... eben Sünde und Fegefeuer und die Hoffnung auf das Paradies! :lache


    :lache Ja, so ungefähr!


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zitat

    Original von Iris
    Wenn du Enquist kaufst, bin ich nicht schuld! Der nervt mich kollossal mit seiner Dreiwortsatzsprache und seinen kühlen Mantras. Mir ist völlig schleierhaft, was daran Literatur sein soll ... :rolleyes


    Ich bin rheinländisch-katholisch sozialisiert, ich brauche Feuer, Leidenschaft, Sprachgewalt ... eben Sünde und Fegefeuer und die Hoffnung auf das Paradies! :lache



    Siehst du, und genau deshalb hatte ich Bedenken, ihn euch ins Forum "Historische Romane" zu werfen. Sozusagen Perlen vor die Säue... :grin

    Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Waldfee ()

  • Zitat

    Original von Waldfee
    Siehst du, und genau deshalb hatte ich Bedenken, ihn euch ins Forum "Historische Romane" zu werfen. Sozusagen Perlen vor die Säue... :grin


    Du solltest wissen, daß ich auch kein Fan des üblichen "historischen Romans" bin. :lache
    Bis auf wenige Ausnahmen gilt für die ganze Rubrik in meinem Fall: "Perlen vor die Sau ...". Wenn Dekolletés auf dem Einband sind und es laut Klappentext um 'ne Frau geht und der Autor nicht Gustave Flaubert oder Lion Feuchtwanger heißt, dann muß ich schon ausdrücklich lobende Empfehlungen von Leuten bekommen, von denen ich weiß, daß sie einen ähnlichen Lesegeschmack haben wie ich, damit ich es überhaupt in Erwägung ziehe. :lache

  • Zitat

    Original von Iris
    Du solltest wissen, daß ich auch kein Fan des üblichen "historischen Romans" bin. :lache
    Bis auf wenige Ausnahmen gilt für die ganze Rubrik in meinem Fall: "Perlen vor die Sau ...". Wenn Dekolletés auf dem Einband sind und es laut Klappentext um 'ne Frau geht und der Autor nicht Gustave Flaubert oder Lion Feuchtwanger heißt, dann muß ich schon ausdrücklich lobende Empfehlungen von Leuten bekommen, von denen ich weiß, daß sie einen ähnlichen Lesegeschmack haben wie ich, damit ich es überhaupt in Erwägung ziehe. :lache


    @ Iris


    Wenn das so ist, werde ich mich auch mal an den einen oder anderen Lesetipp von Kalypso wagen. Was würdest du mir denn von Flaubert und Feuchtwanger ans Herz legen?

  • Zitat

    Original von Waldfee
    Was würdest du mir denn von Flaubert und Feuchtwanger ans Herz legen?


    Gustave Flaubert:

    • Salammbô (s.u., es geht um Karthago, aber Flaubert ist überhaupt großartig)


    Lion Feuchtwanger (bei atv):

    • Die Jüdin von Toledo (Spanien im 13.Jh.),
    • Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis,
    • Die Josephus-Trilogie (3 Bde., über den jüdisch-römischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus, der den Krieg Kaiser Titus gegen die Juden, Stichwort: Massada),
    • Jud Süß (Württemberg, 17./18.Jh., hat mit dem Nazihetzfilm nichts zu tun!),
    • Die Füchse im Weinberg (Frankreich spätes 18.Jh., es geht um den amerikanischen Unabhängigkeitskampf und die französische Revolution),
    • Die häßliche Herzogin (Kärnten/Tirol 14.Jh., eine Landesfürstin zwischen Habsburgern, Wittelsbachern und Kirche),
    • Narrenweisheit oder Tod und Verklärung des Jean-Jacques Rousseau (Frankreich, 18.Jh., Rousseau, sein Werk, sein Nachwirken),
    • Jefta und seine Tochter (das Märchen vom Vater, der das erste, was ihm zuhause begegnet, als Opfer gelobt, übertragen in die Welt des Alten Testaments)