Originaltitel: Crossbones Yard (2012)
Ullstein Verlag 2012, 444 S.
Der 1. Fall für Psychologin Alice Quentin
Über den Inhalt:
... eine Hand: direkt neben meinem Fuß auf dem dunklen Gehweg. Sie war klein und lag geöffnet da, als warte sie darauf, dass irgendein Passant ihr ein paar Münzen gab ... In den Straßen Londons treibt ein brutaler Killer sein Unwesen. Er tötet junge Frauen. Sein Markenzeichen: Er ritzt blutige Kreuze in die Haut seiner Beute. Sie könnte sein nächstes Opfer sein: Alice Quentin, Psychologin im Dienste der Polizei. Die Jägerin wird zur Gejagten. Erst gerät ihr Bruder unter Verdacht, dann verschwindet ihre Freundin. Und bald beherrscht Alice nur noch ein Gedanke: Er wird mich nicht bekommen.
Über die Autorin:
Kate Rhodes wurde in London geboren. Sie ist promovierte Literaturwissenschaftlern und lehrte jahrelang an amerikanischen und britischen Universitäten. Für ihre Lyrik wird sie von der Presse hoch gelobt und erhält regelmäßig Preise. Sie lebt in Cambridge, nahe des Flusses für dessen Erkundung sie sich extra ein Kanu zugelegt hat. Im Totengarten ist der Auftakt zu einer Serie um die Kriminalpsychologin Alice Quentin.
Meine Meinung:
Die Psychologin Alice Quentin entdeckt beim Joggen eine Frauenleiche, deren Wunden Ähnlichkeiten aufweisen mit einem sechs Jahre zurückliegenden Fall. Von den damaligen Tätern ist einer gestorben und der andere sitzt im Gefängnis. Wer versucht sie zu kopieren? DCI Burns bittet Alice um Mithilfe bei den Ermittlungen.
Das Cover ist schön, hat aber ebenso wie der Buchtitel keinen Bezug zum Inhalt. Der Text auf der Buchrückseite ist irreführend – man sollte ihn nicht lesen, weil er schon zuviel vorwegnimmt -, und hier werden Tempo und Action suggeriert, die man im Buch vergeblich sucht. Denn es geht nicht in erster Linie um die Jagd nach dem Killer. Im Mittelpunkt des Romans stehen Alice und ihr turbulentes Umfeld. Gleich im Prolog erfährt man genug über ihre Kindheit, den gewalttätigen Vater, die machtlose Mutter, den Bruder, der tatenlos danebensteht, dass man sich gut vorstellen kann, welches Trauma sie davongetragen hat. Und wie kann es anders sein, Alice wird Psychologin. Zunächst ist sie auch gar nicht begeistert, als DCI Burns sie um Unterstützung bittet. Ihr Beruf nimmt sie voll in Anspruch und ihr Privatleben enthält genug Komplikationen. Entspannung findet sie beim Laufen durch London und so folgt der Leser ihr häufig durch Londons nächtliche Straßen.
Die Krimihandlung selbst bietet nichts Neues, wurde so oder ähnlich schon dutzendfach erzählt. Schilderungen der Gewalt erspart die Autorin ihren Lesern, es gibt auch nur sehr wenige Actionszenen. Vieles an diesem Buch ist klischeehaft und vorhersehbar einschließlich der spätestens nach zwei Dritteln erkennbaren Auflösung.
Und trotzdem habe ich es nicht ungern gelesen, weil der Autorin die Figuren sehr gut gelungen sind und zwar tatsächlich alle Figuren. Die Ich-Erzählerin Alice Quentin hat mir gefallen, eine unabhängige und erfrischend sympathische Frau, die sich ihren Humor bewahrt hat und gleichzeitig eine starrköpfige Kämpferin sein kann. Nur die Scheuklappen vor ihren Augen in Bezug auf ihren Bruder Will haben mich leicht genervt. Dass der Killer Kontakt per Brief zu ihr aufnimmt – geschenkt. Die Nebenfiguren sind interessant und lebendig, von der quirligen besten Freundin Lola, dem überarbeiteten Hauptermittler DCI Burns bis hin zu seinem Stellvertreter Ben Alvarez, mit dem sich schnell eine Romanze anbahnt. Glaubwürdig dargestellt sind vor allem auch ihre egoistische Mutter und ihr drogensüchtiger Bruder Will.
Kurz gesagt: die Handlung – Flop, die Figuren – top.
Das ist wieder ein Roman aus der von mir so benannten Gruppe der „Krimis für Lese-Anfänger“. Erfahrene Krimi- und Thrillerleser werden das Buch vielleicht nach spätestens 100 Seiten genervt zuklappen, wer aber noch nicht viele Thriller gelesen hat, wird das Buch durchaus spannend finden und sollte hier ruhig zugreifen. Die Sprache ist flüssig und bis auf einige Längen im Mittelteil, wo die Handlung nicht recht vorankommt, lässt es sich gut lesen.
Da ich doch gern wüsste, wie es mit Alice weitergeht, werde ich der Fortsetzung eine Chance geben.