Luxemburger Mord - Martine Ventura

  • Es beginnt, kriminell und gruselig, mit einem brutalen Mord. Die Entdeckung der Leiche von Yvonne Faber bringt nicht nur die Familienangehörigen durcheinander, auch die ermittelnden PolizeibeamtInnen stehen vor einem anscheinend unlösbaren Rätsel. Es gibt offenbar kein Motiv für die Tat. Jede Annahme löst sich umgehend in Nichts auf.


    Dieser Kriminalroman gehört in die seit einigen Jahren stark wachsende Gruppe der sog. Regionalkrimis. Neu daran ist zuerst einmal die Region, er spielt in Luxemburg. Entsprechend gibt es Lokalkolorit, und natürlich wird auch ein ganz neues ErmittlerInnenteam eingeführt, Commissaire Marc Olinger, Inspecteur Carmen Meyer und ihr Kollege Gilles Kahn. Erzählt wird nicht unspannend, auch die auftretenden Personen sind recht interessant. Die Hintergründe des Mordfalls können durchaus als überraschend gelten und runden die Geschichte ab.


    Trotzdem gibt es einiges Problematisches an diesem Krimi. Sein Hauptproblem ist die Kürze. Das Ganze hat gerade 124 Druckseiten, aufgeteilt in 24 zum Teil sehr kurze Kapitel. Der Text ist überaus großzügig auf den Seiten verteilt. Das läßt zu wenig Raum für Entwicklungen gleich welcher Art. Vieles wirkt nur angerissen. Über eigentliche Polizeiarbeit erfährt man nahezu nichts. Tatsächlich taumeln die ermittelnden BeamtInnen eher durch den Fall, als daß sie tatsächlich arbeiteten. Das macht den Eindruck, als seien AmateurInnen unterwegs, nicht Menschen, die dieser Arbeit berufsmäßig nachgehen. Da hätte gründlich nachgebessert gehört.


    Auch andere Betroffene werden zu abrupt eingeführt, ihrer Charakterisierung zu wenig Zeit gegeben. Die Grundlagen für ein Interagieren der Figuren, das das Ganze eindringlicher gemacht hätte, sind gelegt. Ausgeführt wird kaum etwas. Hin und wieder werden Äußerlichkeiten zur Charakterisierung verwendet, die im Verhältnis zu den Lücken, die in dem Bereich tatsächlich bestehen, den entsprechenden Textstellen einen plötzlich völlig laienhaften Ton verleihen, der angesichts des Niveaus anderer Textstellen verblüfft und auch ärgert. Lebendigkeit geht verloren, weil Anbehauptetes aufeinander gehäuft wird, anstatt mit ein paar Sätzen mehr das Beschriebene einzubetten und sich ausdehnen zu lassen. Die Autorin traut der Eigendynamik ihrer Erzählung nicht und verläßt sich nicht auf ihren eigenen Tonfall. Da herrscht viel zu viel Schüchternheit.


    Der Lokalkolorit hilft nicht auf, im Gegenteil wirken diese Stellen am wenigsten durchgearbeitet und eher wie Stellen aus einem Reiseführer, unlustig wiedergegeben, als Pflichtprogramm oder, schlimmer noch, wie ein nachträglicher Einfall, um das Ganze ‚luxemburgischer’ zu machen. Der Ort der Handlung spielt eine viel zu untergeordnete Rolle, er bleibt unlebendig. Fünfzig oder sechzig Seiten mehr hätten aus dem Bestehenden einen ‚runden’ Krimi gemacht. Hier wurden Chancen verschenkt.


    Insgesamt eine nette kleine Kriminalgeschichte, mit Maßen unterhaltsam, die man bei einer Tasse Kaffee schnell wegliest. In Erinnerung bleibt sie kaum. Was bleibt, ist vor allem das Bedauern über erzählerisches und handwerkliches Potential, das ungenutzt blieb.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Lange habe ich überlegt, ob ich mich zu diesem Buch äußern soll.
    Es ist ein immer wieder auftretendes Eulendilemma: Leidet der Kavalier und schweigt, oder soll er doch lieber den Mund aufmachen?


    Ich kam zu diesem Buch wie die Jungfrau zum Kind, und da der letzte Luxemburg-Krimi, den ich gelesen habe, einfach nur grottig war, war ich der Ansicht, dass es eigentlich nur besser werden könne. Leider wurde es das nicht, während des Lesens kam ich aus dem Kopfschütteln einfach nicht heraus.


    Der Krimi beginnt in der Tat gruselig, aber das liegt weniger an dem grausamen Mord, sondern der vollkommen atmosphärefreien Schilderung desselben. Man stelle sich vor: da liegt eine schutzlos im Bett, ein Mörder befindet sich im Zimmer und wird gleich zuschlagen, eine alptraumhaftere Situation ist wohl kaum vorstellbar. Das schaurigste in diesem Kapitel ist jedoch „der schlechte Mundgeruch ihres Angreifers“, ansonsten ist die Szene ähnlich aufregend wie eine Radiobeitrag über eine japanische Teezeremonie.
    Im Folgenden wird schnell klar, woran das gesamte Buch krankt. Und das ist so einiges.


    Die Dialoge verdienen diesen Namen nicht, so redet kein Mensch.
    Zum Beispiel eine Dienstbesprechung, kurz nachdem der Mord entdeckt wurde:


    „Wir haben irgendetwas übersehen, irgendeine kleine Spur muss es doch geben“ [...]
    „Gilles, wie sollen wir deiner Meinung nach jetzt vorgehen?“[...]
    „Das ist einer der Fälle, die nicht gelöst werden können. Der nächste wird vielleicht leichter zu lösen sein“


    Mal abgesehen davon, dass die Polizei bis zu diesem Punkt keinerlei Versuche unternommen hat, überhaupt eine Spur zu finden, lässt diese letzte Bemerkung doch ernsthafte Zweifel an der Kompetenz der Luxemburger Polizei aufkommen. Überhaupt erinnern die Ermittlungsarbeiten eher an einen wenig originellen Kinderkrimi, als an echte Polizeiarbeit. Spurensicherung, Personenabfrage: Fehlanzeige, nicht mal an anständiges Verhör findet statt. Hat der Verdächtige keine Lust, mit der Polizei zu sprechen, fällt das Gespräch eben aus, er wird wohl eh unschuldig sein.
    Überhaupt stolpern die mutmaßlichen Täter meist ohne irgendwelches Zutun der Polizei in den Roman, erweisen sich kurz darauf als unschuldig, aber ein neuer Verdächtiger zeigt sich prompt am Horizont. Was den Commissaire zu dem für das ganze Buch charakteristischen Satz veranlasst:


    "So einen interessanten Fall hatten wir schon lange nicht mehr. Immerhin haben wir jetzt eine neue Spur, die wir verfolgen können."


    Genaugenommen setzt sich in den hölzernen Dialogen lediglich der Stil fort, der das gesamte Buch bestimmt: Schlichte Sätze wechseln sich mit seltsam gestelzten Formulierungen ab. Das erinnert stark an einen Schulaufsatz, bei dem sich der Schüler den Rat der Lehrerin zu Herzen genommen hat, nicht immer die gleichen Verben und Adjektive, sondern Synonyme zu verwenden und führt ebenso wie dort zu unfreiwillig komischen Stilblüten.


    Figurenzeichnung ist nicht vorhanden, die Charaktere sind genau das nicht, sondern absolut frei von irgendwelchen menschlichen Eigenschaften. Da erfährt eine Figur Ungeheuerliches, Dinge, die jeden Menschen schwer aus der Bahn werfen würden, Dinge, die das ganze Leben aus den Angeln heben sollte, und was tut er? Er schüttelt erstaunt den Kopf und isst weiter.


    Überhaupt besitzt keiner der Handelnden ein Minimum an Stringenz, die Motivation für ihr Tun bleibt vollkommen schleierhaft. Es reicht eben nicht, den Personen einige wenige Attribute zu verpassen, „gut gekleidet“ etwa, oder „faul“, um aus ihnen einen Menschen zu machen. Sie bleiben Marionetten, die das tun, was die Puppenspielerin, also die Autorin, ihnen vorgibt.


    Die Knappheit in der Ausarbeitung der Figuren steht in seltsamen Kontrast zu der Redseligeit, mit der Szenen geschildert werden, die mit der Geschichte als solcher rein gar nichts zu tun haben. Da wird ausgiebig die Parksituation in der Luxemburger Innenstadt geschildert, oder die genaue Beschaffenheit einer Portion Eis, während wir doch eigentlich darauf brennen, zu verstehen, was da vor unseren Augen passiert.


    Es tut mir wirklich leid, dass meine Kritik so vernichtend ausgefallen ist, aber ich habe mich bei der Lektüre wirklich geärgert. Womöglich ist es da nur fair, dass ich mich mit meinem Leseeindruck wie zuvor die Autorin "in die Öffentlichkeit" wage. Zur Disputation stehe ich natürlich zur Verfügung.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Martine Ventura: Luxemburger Mord
    ISBN: 9782879531496
    Editions Schortgen, 130 Seiten, 13.95€


    Über die Autorin:
    Martine Ventura, geboren 1977, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Luxemburg. Lesen war schon immer ihre Leidenschaft. Durch einen Schreibwettbewerb entdeckte sie ihre Liebe zum Schreiben. "Luxemburger Mord" ist ihr erster Krimi.


    Inhalt:
    Yvonne Faber, eine beliebte Lehrerin und geschätzte Kollegin, wird kurz vor ihrer Pension erstochen in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Die Ermittlungen führen Commissaire Marc Olinger und Carmen Meyer quer durch Luxemburg. Niemand im Freundes- und Familienkreis des Opfers scheint als Täter in Frage zu kommen, doch die Ermittler geben nicht auf. Dann schlägt der Täter ein weiteres Mal zu...


    Kurzkritik:
    "Luxemburger Mord" ist ein klassischer Krimi, der direkt mit einem Verbrechen beginnt und im Anschluss die Ermittlungsarbeit fokussiert. Mit Marc Olinger und Carmen Meyer hat sich die Autorin zwei potenziell interessante Charaktere ausgedacht, die im Verlauf der Geschichte allerdings zu blass bleiben. Damit kommen wir auch gleich zum zentralen Problem dieses Buches: Bei einem Umfang von 130 Seiten ist an eine ausführliche Skizzierung der beteiligten Figuren natürlich nicht zu denken. Das ist sehr schade, denn gerade die etwas schrulligen Bewohner im Mehrfamilienhaus von Yvonne Faber sowie ein spannender Erbschaftsfall hätten noch so viele erzählerische Möglichkeiten geboten, die im Endeffekt aber leider ungenutzt blieben.


    Hinzu kommt die Tatsache, dass einige Kapitel viel zu abrupt enden. Als Leser bekommt man dadurch den Eindruck, dass sich die Ermittler wohl lieber auf Zufälle verlassen anstatt selbst die Initiative zu ergreifen. Bei einer Befragung der Tochter des ersten Opfers wirkt Commissaire Marc Olinger beispielsweise völlig überfordert und hilflos, zumal das Treffen nach zweieinhalb Seiten auch schon wieder vorbei ist. Die tendenziell gute Spannungskurve erleidet dadurch leider immer wieder kleinere Einknicke.


    Was bleibt also festzuhalten? Martine Venture besitzt definitiv ein Talent zum Schreiben. Sie erzählt in diesem Buch eine nette kleine Kriminalgeschichte, die man an einem regnerischen Nachmittag bequem am Stück lesen kann. Den Charakteren mangelt es allerdings schmerzlich an erzählerischer Tiefe, so dass man als Leser nicht immer von der Story gepackt wird. Wer sich für Kurzkrimis interessiert wird mit diesem schön gestalteten Buch zufrieden sein, für mich bleibt allerdings der bittere Beigeschmack, dass hier noch viel mehr drin gewesen wäre.

  • Dank einer Leserunde durfte ich "Luxemburger Mord" von Martine Ventura lesen - welcher mit eben diesem beginnt. Ohne Vorgeplänkel wird der Leser mit der Geschichte rund um das Opfer Yvonne Faber konfrontiert. Commissaire Olinger und Inspecteur Carmen Meyer nehmen die Ermittlungen auf un so folgt der Leser den Spuren...
    Leider gibt es für mich bei der Umsetzung der guten Grundgeschichte einige Kritikpunkte:
    Die Kapitel sind sehr kurz, das Buch mit seinen einhundertnochwas Seiten leider auch recht knapp, daher war mir vieles zu unausgegoren und ich hatte das Gefühl einen Bericht zu lesen, keine Geschichte. Dank der Kürze blieb leider auch die Ausarbeitung der Figuren auf der Strecke, sie blieben blass und mir einfach fern, nicht greifbar. Wäre das Buch länger gewesen, so hätte ich mich den Schilderungen der Umgebung hingeben können und sie genießen können, denn diese mag ich bei sogenannten Regionalkrimis sehr gerne, nur nahmen sie diesmal Platz ein, der der Geschichte besser getan hätte. Von Ermittlungsarbeit bekam man leider nicht viel mit, die Kommissare schienen viel Glück an ihrer Seite zu haben. Soviel Glück, das mir das Ende dann doch zu glatt gewesen ist. So kam bei mir nur leider wenig Spannung auf.
    Aber, die Grundidee gefiel mir wirklich gut, und auch der Schreibstil der Autorin lässt auf mehr hoffen, denn sie kann was. Nur leider hat sie ihr Potential bei diesem Buch bei weitem nicht ausgenutzt.

  • Die Story an sich hat mir gut gefallen. Leider wurde aber viel zu schnell durch die Geschichte gehastet. Es hätte ein sehr guter Krimi werden können wenn die Charaktere und die Ereignisse besser beschrieben und ausgebaut worden wären.

  • Der Krimi-Erstling von Martine Ventura mag zwar nicht preisverdächtig sein, er hat mich aber dennoch unterhalten.


    Die Geschichte ist flüssig geschrieben und der Kriminalfall ist gut konstruiert. Allerdings hätte ich mir die Beschreibung der Ermittlerarbeit ausführlicher gewünscht. Aber nicht nur in dieser Hinsicht hätten dem Krimi ein paar Seiten mehr sehr gut getan. Was mich gar nicht überzeugt hat, war die Charakterzeichnung der Figuren. Sie blieben allesamt eher blass und kraftlos.



    Das Buch bekommt von mir 6 von 10 Punkten.