Er ist wieder da
Timur Vermes
ISBN: 978-3847905172
Eichborn Verlag
396 Seiten, 19,33 Euro
Über den Autor: Timur Vermes wurde 1967 in Nürnberg als Sohn einer Deutschen und eines Ungarn geboren. Er studierte in Erlangen Geschichte und Politik und arbeitete anschließend als Journalist. Er schrieb bis 2001 für die „Abendzeitung“ und den „Kölner Express“, dann arbeitete er für mehrere Magazine, zuletzt für die Mode- und Fitness-Zeitschrift „Shape“. Seit 2009 veröffentlichte er als Ghostwriter vier Bücher, zwei weitere sind in Vorbereitung.
Kurzbeschreibung: Frühjahr 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva. Im tiefsten Frieden, unter Tausenden von Ausländern und Angela Merkel. 66 Jahre nach seinem vermeintlichen Ende strandet der Gröfaz in der Gegenwart und startet gegen jegliche Wahrscheinlichkeit eine neue Karriere - im Fernsehen. Dieser Hitler ist keine Witzfigur und gerade deshalb erschreckend real. Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zynisch, hemmungslos erfolgsgeil und auch trotz Jahrzehnten deutscher Demokratie vollkommen chancenlos gegenüber dem Demagogen und der Sucht nach Quoten, Klicks und "Gefällt mir"-Buttons. Eine Persiflage? Eine Satire? Polit-Comedy?
Meine Meinung: In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts zählte die Adolf-Serie von Walter Moers zu den größten Erfolgen bei Eichborn. Das Buch von Timur Vermes soll laut Verlag in dieser Tradition gesehen werden.
Es ist schon eine interessante Idee, Hitler wieder erwachen zu lassen und mit seinen Augen einen Blick auf die heutige Gesellschaft tun zu lassen. Dieser Hitler, der so plötzlich auf einem leeren Grundstück in Berlin erwacht, ist zuerst einmal nicht das Monster, das man nun erwartet, sondern ein Einzelgänger, der, nachdem er sich von dem ersten Schrecken erholt hat, sich in der heutigen Welt zurecht finden muss. Die toleranten Berliner sind auf jeden Fall nicht erschrocken ihn zu sehen, sondern reagieren eher amüsiert auf ihn:“ Verzeihung, es mag Sie überraschen, aber ich …benötige sofort den kürzesten Weg zur Reichskanzlei.“ „Sind Sie vom Stefan Raab?“ „Bitte?“ „Oder der Kerkeling? Einer von Harald Schmidt?“ – Alle, an die er gerät, nehmen ihn nicht ernst und recht bald interessieren sich die Mitarbeiter einer Show für ihn. Hitler, der der Meinung ist, das Schicksal habe ihn zurück ins Leben gerufen, um sein Reich wieder zu gewinnen, darf plötzlich seine Meinung im TV einer breiten Öffentlichkeit präsentieren und sorgt so für höhere Einschaltquoten und erlebt das Hochgefühl, wenn seine Videos auf MyVideo angeklickt werden. Er wird von der unersättlichen Mediengesellschaft vereinnahmt und doch er bleibt sich selbst immer noch treu.
Als ich zu lesen begann, fragte ich mich zuerst, ob man Hitler auf solch eine Art und Weise darstellen darf – klar denkend, präzise analysierend, sehr menschlich und gar nicht mal unsympathisch. Darf man das? Timur Vermes geht der Frage nach, was ein Mensch wie Hitler heute noch bewirken könnte. Durch die Sicht Hitlers auf die Gegenwart, wie wir sie kennen, kommen erschreckende Dinge zum Vorschein. Denn mit sehr deutlicher Sprache erklärt dieser ungewöhnliche Protagonist dem Fernsehpublikum und uns als Lesern, woran es seiner Meinung nach in der heutigen Gesellschaft hapert und selbst, wenn man die Person Hitlers ablehnt, so sind einige Anregungen zum Nachdenken dabei. Teilweise vergisst man darüber, wer es ist, der unsere heutige Lebensweise so hinterfragt.
Oft sehr komisch, manchmal aber auch ziemlich böse und beleidigend setzt er sich mit den aktuellen Politikern auseinander und insgesamt stellt sich beim Lesen immer wieder die Frage, was ein Autor darf. Was darf er seine Figuren sagen lassen, und was nicht? Sollte ein Massenmörder als Sympathiefigur dargestellt werden dürfen, wie in diesem Fall? Sind Autoren wirklich frei, alles unter dem Deckmantel der Fiktion zu äußern? Ich denke, das ist etwas, was man gerade bei diesem Buch diskutieren könnte.
Mein Fazit: Ich bin in der Beurteilung dieses Buches hin- und hergerissen, denn die Idee und die Umsetzung haben mir sehr gut gefallen und trotzdem hat es mir wegen der o.g. Fragestellung auch ein wenig Bauchweh bereitet. Eines ist auf jeden Fall sicher: Diese bitterböse Satire wird polarisieren und ihre Leser finden. 7 von 10 Eulenpünktchen dafür.