Titel: Helmut Kohl. Eine politische Biographie
Autor: Hans-Peter Schwarz
Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt (DVA)
Erschienen: September 2012
Seitenzahl: 1056
ISBN-10: 3421044589
ISBN-13: 978-3421044587
Preis: 34.99 EUR
Hans-Peter Schwarz ist mit großer Wahrscheinlichkeit kein Sozialdemokrat und ein Linker ist er ganz sicher schon mal gar nicht, aber auch ein Parteigänger der CDU ist er augenscheinlich nicht. Er zählt zu den angesehensten Politologen und Zeithistorikern Deutschlands. Seine Adenauer-Biographie fand nicht nur in CDU-Parteikreisen große Beachtung. Schwarz ist zudem auch Herausgeber der „Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte“.
Mit dieser politischen Biographie über Helmut Kohl legt er nun ein imposantes – nicht nur wegen des Seitenumfangs von über 1000 Seiten – zeitgeschichtliches Werk vor. Ohne detailverliebt zu sein, geht Schwarz in seiner Schilderung des politischen Lebens von Helmut Kohl sehr akribisch vor. Und es ist eben nicht nur ein Buch über den politischen Helmut Kohl, es ist auch ein Buch über die politische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, wenn eben auch die politischen Abläufe an der Person Kohls festgemacht werden. Schwarz beschönigt nichts, aber er verurteilt nicht und klagt auch nicht. Er schildert die politischen Abläufe so, wie sie sich offensichtlich auch zugetragen haben. Dabei ist Schwarz kritisch, nie aber verletzend oder polemisch.
Allerdings kann er sich auch kleine Seitenhiebe auf das linksliberale Lager nicht immer verkneifen. Da spricht er dann gern einmal von den „Hamburger Zeitungen“ und meint damit ohne Frage SPIEGEL, STERN und die ZEIT. Ihnen wirft er durch die Blume vor, das sie Helmut Kohl immer „niedergeschrieben“ haben, dass sie von Beginn der Kohl-Ära an immer eine nicht immer freundliche Gegnerschaft zu ihm gepflegt haben. Aber wie man sieht hat Kohl trotzdem sechzehn Jahre als Bundeskanzler regiert – mit welchem Erfolg oder Misserfolg mag jeder für sich beurteilen.
Hans-Peter Schwarz hat ohne Frage auch ein engagiertes Buch geschrieben. Auch wenn er versucht, seine ganz persönliche Meinung der Leserschaft nicht zuvorderst mitzuteilen, so merkt man doch wohin sich seine Sympathien richten. Müsste man ihn politisch einordnen, so könnte man ihn sich gut beim liberalen Flügel der CDU (von Weiszäcker, Leisler-Kiep) vorstellen. Trotz allem versucht Schwarz eine möglichst objektive Darstellung des politischen Geschehens. Er beschreibt, analysiert dafür aber weniger. Und so hat jede Leserin und jeder Leser die Möglichkeit sich anhand der vorgebrachten Fakten ein ganz eigenes Urteil zu bilden.
Dieses Buch ist ohne Frage ein echtes Highlight wenn es um die Darstellung der zeitgeschichtlichen Abläufe geht. Dazu gut und sehr verständlich geschrieben. Schwarz will berichten, nicht für eine ausgewählte Clique abgehobener Historiker, nein, er will, das jedermann in der Lage ist dieses Buch zu lesen und zu verstehen und so verzichtet er auf die Unverständlichkeit der Damen und Herren Politologen; Schwarz lässt sie in ihrem Elfenbeinturm sitzen, mögen sie gern für sich allein vor sich hinwerkeln; ihm geht es um Verständlichkeit und das Begreifen zeitgeschichtlicher Vorgänge.
Schwarz liefert keine sensationellen Erkenntnisse und wer beispielsweise irgendwelche Enthüllungen erwartet, der sollte dieses Buch vielleicht nicht lesen. Trotzdem kann man beim Lesen als politisch interessierter Mensch ggf. für sich neue Erkenntnisse gewinnen, da vieles was vorher als Detail irgendwo aufgeschnappt wurde nun im Zusammenhang geschildert wird.
Vielleicht ist dieses Buch aber auch ein Buch gegen die Politikverdrossenheit. Denn es wäre möglich, dass man durch die Lektüre dieses Buches wieder Freude an der Politik im Allgemeinen und an der politischen Auseinandersetzung im Besonderen gewinnt.
Und Hans-Werner Schwarz macht auch deutlich, dass Kohl, von vielen nie richtig ernst genommen und belächelt, ein echtes politisches Schwergewicht war. Nach Adenauer und Brandt war Kohl der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, der dieses Land in politischer Hinsicht am meisten geprägt hat, der zusammen eben mit Adenauer und Brandt die nachhaltigsten politischen Fussspuren hinterlassen hat. Auch wenn andere Kanzler ggf. bessere Sympathiewerte hatten als Helmut Kohl, so war Kohl ein echter Macht- und Instinktpolitiker. Aber er war auch ein Mensch – etwas, das von vielen seiner Gegner leider sehr oft vergessen wurde.
Hätte ich einen Wunsch an Hans-Peter Schwarz frei, so wünschte ich mir von ihm eine politische Biographie über Helmut Schmidt, den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, der von mir immer die absolut höchsten Sympathiewerte erhalten hat.
„Helmut Kohl. Eine politische Biographie“ ist ein unbedingt lesenswertes Buch. Und der Umfang von 1000 Seiten sollte nicht abschrecken – man vergisst beim Lesen sehr schnell die Seitenzahl, denn es fällt schwer dieses Buch wieder aus der Hand zu legen.
Fazit: Eine sehr lesbare und klar verständliche politische Biographie über Helmut Kohl. Ein Buch das Zeitgeschichte dem Leser nahe bringt und das darüber hinaus durchaus auch spannend zu lesen ist. Eine unbedingte Leseempfehlung von mir.
10 Eulenpunkte