'Der Stille Don' - 1. Buch, 1. Teil

  • So, dann fange ich auch mal an, selbst wenn ich bisher nur das erste Kapitel gelesen habe. Meine Ausgabe ist eine zweibändige für die Deutsche Buchgemeinschaft bzw. auch Bertelsmann Club aus den 70ern. Die wollte ich, wie es so geht, eigentlich recht bald nach dem Kauf lesen. Und aus dem recht bald wurden dann über drei Jahrzehnte Verbleib auf dem SuB (besser im ZuB). :yikes Aber jetzt ist es ja soweit. :-]


    Nachdem ich mich seelisch und moralisch lange genug vorbereiten konnte, habe ich heute im Wartezimmer das erste Kapitel gelesen. Das ist für meine Begriffe eigentlich eine Art Prolog. Es werden Personen vorgestellt, die im weiteren Buch vermutlich keine Rolle mehr spielen werden, weil sie am Ende des Kapitels schon gestorben sind. Es geht wohl darum, die Herkunft der Hauptfiguren zu erklären. Weshalb allerdings Prokofi anscheinend als einziger ins Zuchthaus mußte, hat sich mir nicht so ganz erschlossen. Aber es ist Zarenzeit, da darf man das nicht so eng sehen bzw. genau nehmen. Das hat sich dann ja unter der Sowjetherrschaft nicht viel verändert, doch das werden wir im Verlauf des Buches sicher noch zu lesen bekommen.


    Der erste Einstieg fiel mir jedenfalls ziemlich leicht, auch weil es ein extrem starker Kontrast zu dem gestern ausgelesenen Buch ist. Letzteres hatte mich auf den letzten fünfzig, sechzig Seiten dermaßen überrascht und mitgenommen, daß ich eigentlich urlaubsreif bin. Insofern hätte ich was anderes als so einen Kontrast lesemäßig momentan überhaupt nicht verkraftet.


    Auf denn ins eigentliche Buch.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Der erste Einstieg fiel mir jedenfalls ziemlich leicht...


    :write


    Zitat

    Letzteres hatte mich auf den letzten fünfzig, sechzig Seiten dermaßen überrascht und mitgenommen, daß ich eigentlich urlaubsreif bin.


    :keks



    Mein erster Eindruck:
    Schade, dass das Buch keine Anmerkungen oder Fußnoten hat. Man muss, wenn man es genau wissen will, schon eine Menge nachschlagen. Gleich am Anfang: „Sashen“. Eine Maßeinheit offensichtlich.


    Und gleich am Anfang auch ein Paradebeispiel dafür, wie das funktioniert mit den Gerüchten, die plötzlich zur unumstößlichen Wahrheit werden, die Blut und Leben fordern. Interessant – auch im weiteren Verlauf des Buches – wie unterschwellig, verdeckt die Aggressivität liegt, eine kleinste Kleinigkeit genügt und schon beginnen Beschimpfungen, Prügeleien und Schlimmeres.


    Was ich nicht so ganz verstehe: Warum duzt Grigori seinen Vater meistens, die anderen siezen ihn? Soll das ein viel vertrauteres Verhältnis zwischen beiden bezeugen – oder auch den mangelnden Respekt des Sohnes?
    Grigori jedenfalls scheint mir in seinen Stimmungen noch ein wenig extremer zu sein als die übrigen Kosaken – oder es fällt nur so auf, weil man ihn meistens beobachtet, die anderen nur am Rande. Mal ist er ganz lieb, ehrerbietig, dann wieder sofort aufbrausend, mal hat er Mitleid mit einer armen Kreatur (beispielsweise dem durchgeschnittenen Entlein, Seite 55 in meiner Ausgabe), mal ist er von einer Mitleidlosigkeit, die mir Unbehagen verursacht. Kind seines Kulturkreises, seiner Zeit ohnehin, das ja sowieso. Er nimmt sich, nicht nur das, was er bekommen kann, sondern das, was er unbedingt haben will, um jeden Preis, ohne Rücksicht auf Verluste. Und, wenn man ihn darauf anspricht, kommen solche Sätze wie: „Wenn die Hündin nicht lässt, springt der Hund nicht so fest.“ Meine Güte! Tur mir ja leid, aber bisher mag ich ihn nicht besonders.


    Mir gefällt einiges nicht, unter anderem, wie die Frauen (oft genug als „Weiber“ bezeichnet) gezeichnet sind. „Hündische Treue“ wird Aksinja attestiert, als sie zu ihrem Eheliebsten aufschaut, der ja immerhin auf einem Pferd sitzt. Was soll denn wohl eine solche Formulierung? Aber das arme Mädchen hat schon eine Menge mitgemacht, das muss man wohl sagen. Ob diese Beschimpfungen ihrerseits (zum Beispiel als Pantelej ihr die Meinung sagt) zum dortigen allgemeingültigen Wortschatz gehören? Ich meine, denkt sich niemand etwas dabei? Ist es völlig normal, so zu sprechen?
    In diesem Zusammenhang: Was Frauen anscheinend wert sind, verdeutlicht die Szene, in der Grigori seine (zukünftige) Braut mustert, nämlich „wie ein Pferdehändler“. Na ja, gut, um viel mehr als Handel und „Zucht“ ging es ja wohl auch kaum und darum, dass es sich auch lohnen muss – sh. das Gespräch zwischen Miron und Pantelej in XVIII (meine Ausgabe Seite 101).


    Was mir auffällt: Es gibt mehrere kleine, fast versteckte Äußerungen, die fast beleidigend wirken (sollen?), zum Beispiel (in meiner Ausgabe Seite 38) die Leibgardisten, die alle „etwas einfältig“ seien. Nicht besonders nett, selbst wenn es denn gestimmt haben sollte, was ich allerdings bezweifle.


    Man bekommt jedenfalls einen guten Einblick in die Lebensweise der Kosaken, in ihre Wert- und Ehrgefühle, von den Tisch- und Trinksitten mal ganz abgesehen. Viel zu lachen hatte ich bisher nicht, die Tanzszene bei der Hochzeit, die ich mir sehr lebhaft vorstellen kann, macht aber einiges wieder wett.


    Bisher habe ich aber noch niemanden entdecken können, der „meine Figur“ ist, dem meine uneingeschränkte Sympathie gehört.

  • Eins kann ich schon sagen: Wer sich nicht mit den Verwendungen der russischen Namen, der Vor- und Vatersnamen und der diversen Kosenamen eines einzelnen Namens auskennt, der wird es erstmal schwer haben :grin


    Der Einstieg ins Buch fiel mir überhaupt nicht schwer. Die Bildhaftigkeit der Sprache, ihr Ausführlichkeit, die man in so vielen russischen und frühen sowjetischen Romanen findet, hat mich sofort gefangen genommen.
    Im Mittelpunkt stehen die Don-Kosaken, die ihren Stolz vor sich her tragen wie einen abgetragenen Mantel, der mit den Jahren fadenscheinig geworden ist. Sie werfen sich gegenseitig als Beleidigung vor, dass sie bäurisch geworden wären. Es herrscht ein rauer Ton. Sie gehen sich gerne mal an die Kehle und fluchen was das Zeug hält, Männer wie Frauen.


    Was aber auch in diesem ersten Abschnitt deutlich und klar gezeichnet wird ist das Bild der Russischen Seele, die in der Literatur immer wieder eine zentrale Rolle spielt, diese gewisse Schwermut und Sehnsucht und Lust am Alkohol...
    Der Don fließt durch die ersten Kapitel. Mal ist er ruhig, mal vom Sturm bewegt und schäumend. Ich weiß nicht, ob sich das weiter so gestalten wird, aber er scheint als Bild für die Stimmung und das Leben der am Fluss lebenden Kosaken gebraucht zu werden.
    Sehr deutlich wird die Heimatliebe, die Verbundenheit mit "Mütterchen Erde". Es gibt eine starke Liebe zur eigenen Scholle.


    Ich weiß nicht, was ich von Grischa und Aksinjas Liebe halten soll. Sie ist bereit, alles zu riskieren für ihn. Er genießt, mal sehen wie lange.
    Interessant fand ich die Bemerkung, dass er Aksinjas "späte Liebe" ist. Hallo? Sie ist Mitte 20! :yikes Gut, sie ist schon verheiratet, vielleicht deshalb.


    Zitat

    Original von SiCollier
    ...
    Nachdem ich mich seelisch und moralisch lange genug vorbereiten konnte, habe ich heute im Wartezimmer das erste Kapitel gelesen. Das ist für meine Begriffe eigentlich eine Art Prolog. Es werden Personen vorgestellt, die im weiteren Buch vermutlich keine Rolle mehr spielen werden, weil sie am Ende des Kapitels schon gestorben sind. Es geht wohl darum, die Herkunft der Hauptfiguren zu erklären. Weshalb allerdings Prokofi anscheinend als einziger ins Zuchthaus mußte, hat sich mir nicht so ganz erschlossen. Aber es ist Zarenzeit, da darf man das nicht so eng sehen bzw. genau nehmen. Das hat sich dann ja unter der Sowjetherrschaft nicht viel verändert, doch das werden wir im Verlauf des Buches sicher noch zu lesen bekommen.


    Ja, es werden ziemlich viele Personen vorgestellt, und du wirst dich vielleicht wundern, wie viele davon immer wieder auftauchen. Ich bin gerade mit dem 2. Abschnitt durch, und die wieder auftauchenden Personen nehmen für mich langsam aber sicher wirklich Gestalt für mich an.


    Prokofi musste als Einziger ins Zuchthaus, weil er sich dem Druck der Masse gebeugt hat und sie umgebracht hat. Eine harte Zeit, gewaltbereite Menschen, viel Unwissenheit...was soll man da sagen...


    Zitat

    Der erste Einstieg fiel mir jedenfalls ziemlich leicht, auch weil es ein extrem starker Kontrast zu dem gestern ausgelesenen Buch ist. Letzteres hatte mich auf den letzten fünfzig, sechzig Seiten dermaßen überrascht und mitgenommen, daß ich eigentlich urlaubsreif bin. Insofern hätte ich was anderes als so einen Kontrast lesemäßig momentan überhaupt nicht verkraftet.


    Auf denn ins eigentliche Buch.


    Nun bin ich ganz neugierig, was du als Letztes gelesen hast.

  • Zitat

    Original von Lipperin


    Was ich nicht so ganz verstehe: Warum duzt Grigori seinen Vater meistens, die anderen siezen ihn? Soll das ein viel vertrauteres Verhältnis zwischen beiden bezeugen – oder auch den mangelnden Respekt des Sohnes?


    Grigori wird als der Lieblingssohn seines Vaters beschrieben, vielleicht liegt es daran.


    Zitat

    Grigori jedenfalls scheint mir in seinen Stimmungen noch ein wenig extremer zu sein als die übrigen Kosaken – oder es fällt nur so auf, weil man ihn meistens beobachtet, die anderen nur am Rande. Mal ist er ganz lieb, ehrerbietig, dann wieder sofort aufbrausend, mal hat er Mitleid mit einer armen Kreatur (beispielsweise dem durchgeschnittenen Entlein, Seite 55 in meiner Ausgabe), mal ist er von einer Mitleidlosigkeit, die mir Unbehagen verursacht. Kind seines Kulturkreises, seiner Zeit ohnehin, das ja sowieso. Er nimmt sich, nicht nur das, was er bekommen kann, sondern das, was er unbedingt haben will, um jeden Preis, ohne Rücksicht auf Verluste. Und, wenn man ihn darauf anspricht, kommen solche Sätze wie: „Wenn die Hündin nicht lässt, springt der Hund nicht so fest.“ Meine Güte! Tur mir ja leid, aber bisher mag ich ihn nicht besonders.


    Ich glaube, man muss ihn auch nicht mögen. Er ist der Bruder Leichtsinn, der zwar fleißig ist, aber nur zu seinem Vergnügen zu leben scheint. Wie er mit Aksjutka umgeht, ist wirklich stellenweise kaum zu ertragen. Er nimmt sich, was er will, aber er hat keine Lust auf Komplikationen, mit denen er sie erstmal allein stehen lässt.


    Zitat

    Mir gefällt einiges nicht, unter anderem, wie die Frauen (oft genug als „Weiber“ bezeichnet) gezeichnet sind. „Hündische Treue“ wird Aksinja attestiert, als sie zu ihrem Eheliebsten aufschaut, der ja immerhin auf einem Pferd sitzt. Was soll denn wohl eine solche Formulierung? Aber das arme Mädchen hat schon eine Menge mitgemacht, das muss man wohl sagen. Ob diese Beschimpfungen ihrerseits (zum Beispiel als Pantelej ihr die Meinung sagt) zum dortigen allgemeingültigen Wortschatz gehören? Ich meine, denkt sich niemand etwas dabei? Ist es völlig normal, so zu sprechen?
    In diesem Zusammenhang: Was Frauen anscheinend wert sind, verdeutlicht die Szene, in der Grigori seine (zukünftige) Braut mustert, nämlich „wie ein Pferdehändler“. Na ja, gut, um viel mehr als Handel und „Zucht“ ging es ja wohl auch kaum und darum, dass es sich auch lohnen muss – sh. das Gespräch zwischen Miron und Pantelej in XVIII (meine Ausgabe Seite 101).


    Hm, ich glaube, daran iwrst du dich ein Bisschen gewöhnen müssen. Das erste Buch spielt in der Zarenzeit. Diese Frauenverachtung wird wohl erst weniger werden im Buch, wenn wir lesend in Richtung Kommunismus gehen. Ich denke, die Rückschrittlichkeit soll gezeigt werden. Ich habe schon einige Russische Romane gelesen, und Scholochow hat das nicht erfunden.


    Zitat

    Bisher habe ich aber noch niemanden entdecken können, der „meine Figur“ ist, dem meine uneingeschränkte Sympathie gehört.


    Wenn du eine solche Figur brauchst, dann wünsche ich dir, dass du sie findest! Ich habe sie noch nicht entdeckt...
    Aber damit komme ich klar.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Man bekommt jedenfalls einen guten Einblick in die Lebensweise der Kosaken, in ihre Wert- und Ehrgefühle, von den Tisch- und Trinksitten mal ganz abgesehen.


    :write So kommt mir das im Großen und Ganzen auch vor. Die Sitten sind rauh, die Ansichten bisweilen seltsam (Seite 51, im Kapitel 12): „Warum sollt’ ich mich fürchten? Du bist seine Frau, du hast dich zu fürchten...“
    Aber es entspricht weitgehend dem, was ich mir von den Kosaken so vorgestellt habe, oder vorgestellt hätte, wenn ich länger drüber nachgedacht hätte.


    Stilistisch komme ich ganz gut zurecht, nur manchmal habe ich das Gefühl, der Autor springt zu sehr, die Handlung ist „abgehackt“. Aber vielleicht habe ich auch nur die Szenenwechsel nicht richtig mitbekommen.



    Zitat

    Original von Clare
    Eins kann ich schon sagen: Wer sich nicht mit den Verwendungen der russischen Namen, der Vor- und Vatersnamen und der diversen Kosenamen eines einzelnen Namens auskennt, der wird es erstmal schwer haben


    Nun, zumindest das wird mir eher weniger Probleme bereiten, weil ich weiß, wie sich russische Namen zusammensetzen. Vor „Urzeiten“ (so Mitte der 80er Jahre) habe ich einige Semester lang Russisch an der VHS gelernt. Ein paar Dinge sind über die Jahre hinweg doch hängengeblieben.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Bisher habe ich aber noch niemanden entdecken können, der „meine Figur“ ist, dem meine uneingeschränkte Sympathie gehört.


    Ich auch nicht. Aber vielleicht gibt es so jemanden im Buch überhaupt nicht? Ich entsinne mich, daß in Stifters „Witiko“ die eigentliche Hauptfigur Böhmen ist. Und in irgendeiner Rezi habe ich geschrieben, daß die Hauptfigur das Volk, nicht eine einzelne Person ist. (Wenn ich nur noch wüßte, zu welchem Buch das war. :gruebel)



    OT

    Zitat

    Original von Clare
    Nun bin ich ganz neugierig, was du als Letztes gelesen hast.


    Die beiden Bücher:
    Die Sehnsucht ihrer Mutter - Francine Rivers
    Die Hoffnung ihrer Tochter - Francine Rivers
    Ohne diese LR hier hätte ich mit Sicherheit für mindestens eine Woche keinen Roman angefaßt. (Daß sich beide Rezis in gewisser Weise widersprechen, weiß ich. Aber wie dort erwähnt, die letzten etwa fünfzig Seiten hatten es dann mehr als in sich.)
    Mit meiner Rezi zum zweiten Band bin ich nicht so sehr zufrieden. Aber die beiden Bände würdigen kann man nur, wenn man auch den Inhalt von Anfang bis zum Ende miteinbezieht bzw. kennt. Eben die letzten fünfzig Seiten.
    OT Ende

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Gestern habe ich erst spät mit dem Lesen beginnen können, bin demzufolge auch erst auf Seite 63 angekommen. Grigori ist noch nicht verheiratet (worden).


    In das Buch bin ich sehr schnell und gut gekommen. Mit den russischen Namen habe ich keine Probleme. Aber die alten russischen Maßeinheiten ließen mich dann doch mal bei Wikipedia nachlesen. Hier der Link dorthin.


    Schnell erkennt man, die Zeiten waren hart und so ist auch der allgemeine Umgangston. Hart, aber auf die andere Art auch mit einer nicht immer gleich erkennbaren Herzlichkeit.


    Die Szene mit dem Entlein hatte ich noch gut in Erinnerung, obwohl seit der Erstlektüre sicher 30 Jahre ins Land gezogen sind. Sie hat mich sehr berührt und zeigt doch, wie sensibel so ein ungehobelter Kerl sein kann.


    Zitat


    Original von Clare
    Was aber auch in diesem ersten Abschnitt deutlich und klar gezeichnet wird ist das Bild der Russischen Seele, die in der Literatur immer wieder eine zentrale Rolle spielt, diese gewisse Schwermut und Sehnsucht und Lust am Alkohol...


    Das ist es eigentlich, was ich an russischer/sowjetischer Literatur so mag, die russische Seele wird so deutlich, die Schwermut und auf der anderen Seite die unbändige Lebenslust, auch der Hang zum Alkohol - wahrscheinlich zum Betäuben.


    Ja, der Stellenwert einer Frau ist nicht unbedingt hoch. Das "Weib" kann ein Indiz dafür sein, muss aber nicht unbedingt, denn "Weib" war ja nicht immer so negativ besetzt wie heuzutage. Die Männer sehen darin sicher auch nichts außergewöhnliches, so mit ihren Frauen umzugehen, die Frauen wohl auch nicht. Ich glaube, damit haben wir in unserer heutigen Zeit wesentlich mehr Probleme. Es war damals am Don eben so üblich.


    Die Beschreibungen des Dons gefallen mir auch gut, da geht man horchen in welcher Lautstärke er fließt, um zu wissen, ob die Fische heute beißen. Schön.


    Eine Figur, mit der ich mich identifizieren kann, wird es wohl für mich nicht geben.

  • Zitat

    Original von Karthause
    Das "Weib" kann ein Indiz dafür sein, muss aber nicht unbedingt, denn "Weib" war ja nicht immer so negativ besetzt wie heuzutage.


    Das hatte ich vorhin vergessen zu schreiben. "Weib" hatte früher, wobei "früher" noch gar nicht so lange zurück liegt, eine andere Bedeutung als heute. Nämlich die, die heute das Wort "Frau" hat. Ich entsinne mich, daß es in meiner Jugend im Ave Maria noch hieß "Gebenedeit seist du unter den Weibern". Wann das in "Frauen" geändert wurde, weiß ich nicht mehr, ich schätze (ohne Gewähr), Ende der 60er, erste Hälfte der 70er Jahre.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • So, nun habe ich die erste Einteilung auch gelesen. Wir werden zu Beginn in die Geschichte der „Türken“ Melechow eingeführt und springen dann gleich eine Generation weiter zu Pantelew und seinen Kindern: Pjotr auch Petro mit Darja, Grigori auch Grischa oder Grischka sowie Dunjaschja (habt ihr auch ein Personenverzeichnis?).
    Danach springt der Erzähler wieder etwas in die Zukunft, der Vater schimpft Grischa aus, er soll nichts mit verheirateten Frauen anfangen, und dann erst wird die Geschichte von Grischa und Axinja erzählt.
    Diese Konstellation ist natürlich sehr prekär. Denn Stepan, ihr Mann, musste schon diese Vergewaltigung von Axinja schlucken, jetzt geht sie fremd und im grunde seines Inneren liebt er sie sehr – blöde Situation für ihn. Axinja liebt Grischa, und Grischa heiratet Natascha, die ihn auch wirklich zum Mann haben möchte. Die Geschichte ist noch nicht ausgestanden ;-)


    Zitat

    Original von Lipperin
    Schade, dass das Buch keine Anmerkungen oder Fußnoten hat. Man muss, wenn man es genau wissen will, schon eine Menge nachschlagen. Gleich am Anfang: „Sashen“. Eine Maßeinheit offensichtlich.


    Mein Buch hat Anmerkungen, sogar direkt als Fußnote unten drunter, so dass man gar nicht blättern muss. Ich besitze die Bertelsmann Lesering Ausgabe, Lizenzausgabe des Paul List Verlag, keine Jahresangabe, zwei Bände, einer 700 Seiten und der Zweite 900 Seiten lang. Übersetzung von Olga Halpern.


    Hm, das mit dem Duzen ist mir gar nicht aufgefallen, welche Übersetzung liest du denn?


    Zitat

    Original von Lipperin
    Mir gefällt einiges nicht, unter anderem, wie die Frauen …


    Bisher habe ich aber noch niemanden entdecken können, der „meine Figur“ ist, dem meine uneingeschränkte Sympathie gehört. .


    Auch ich denke hierbei, dass du dich daran gewöhnen werden musst. Das ist die damalige Zeit, um diese Zeit sah es für Frauen in Deutschland, vielleicht nicht ganz so extrem, aber auch noch arg aus. Und das Buch spiegelt seine Zeit, sein Land und seine Leute wieder und nichts anderes möchte ich lesen.
    Vielleicht entwickelt sich Axinja noch zu deiner Lieblingsfigur, ich denke, von ihr kann der Leser noch etwas erwarten.


    Zitat

    Original von Karthause
    Die Beschreibungen des Dons gefallen mir auch gut, da geht man horchen in welcher Lautstärke er fließt, um zu wissen, ob die Fische heute beißen. Schön.


    Ja, Scholochow hat sehr schöne Beschreibungen parat. Leider setzt er sie ein wenig unbedarf, manchmal wirklich unpassend. Wenn der Leser unbedingt weiter die Handlung verfolgen möchte, irgendwo mitten drin. Außer bei der Beschreibung vom Ackerfeld, die Umschreibung von Axinja, das fand ich dann wirklich sehr gekonnt und prägnant. Aber wie schon versucht zu umschreiben, irgendwie scheinen sie gesetzt zu sein, sie fließen nicht in die Handlung ein. Also wie nachträglich eingebaut – ja so, jetzt hab ich es.

  • Zitat

    Original von Clare
    Wenn du eine solche Figur brauchst, dann wünsche ich dir, dass du sie findest! Ich habe sie noch nicht entdeckt...
    Aber damit komme ich klar.



    In der Regel komme ich auch ohne Lieblingsfigur klar - es hilft nur so ungemein, wenn der Roman sich (für mich) zieht.

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Das hatte ich vorhin vergessen zu schreiben. "Weib" hatte früher, wobei "früher" noch gar nicht so lange zurück liegt, eine andere Bedeutung als heute. Nämlich die, die heute das Wort "Frau" hat. Ich entsinne mich, daß es in meiner Jugend im Ave Maria noch hieß "Gebenedeit seist du unter den Weibern". Wann das in "Frauen" geändert wurde, weiß ich nicht mehr, ich schätze (ohne Gewähr), Ende der 60er, erste Hälfte der 70er Jahre.


    Ja, das habe ich mir im Stillen ja auch alles gesagt und ich würde es auch so für mich hinnehmen, aber Scholochow benutzt ebenso das Wort "Frauen" und das Wort "Weib" oder "Weiber" nicht nur in direkter Rede. Entschuldigung, aber mir bereitet das Unbehagen.

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    So, nun habe ich die erste Einteilung auch gelesen. Wir werden zu Beginn in die Geschichte der „Türken“ Melechow eingeführt und springen dann gleich eine Generation weiter zu Pantelew und seinen Kindern: Pjotr auch Petro mit Darja, Grigori auch Grischa oder Grischka sowie Dunjaschja (habt ihr auch ein Personenverzeichnis?).


    Ich habe auch kein Personenverzeichnis. Je weiter man im Buch kommt, um so vertrauter werden mir die Figuren und ihre Namen.


    Zitat

    Danach springt der Erzähler wieder etwas in die Zukunft, der Vater schimpft Grischa aus, er soll nichts mit verheirateten Frauen anfangen, und dann erst wird die Geschichte von Grischa und Axinja erzählt.
    Diese Konstellation ist natürlich sehr prekär. Denn Stepan, ihr Mann, musste schon diese Vergewaltigung von Axinja schlucken, jetzt geht sie fremd und im grunde seines Inneren liebt er sie sehr – blöde Situation für ihn. Axinja liebt Grischa, und Grischa heiratet Natascha, die ihn auch wirklich zum Mann haben möchte. Die Geschichte ist noch nicht ausgestanden ;-)


    Die Vergewaltigung in der Familie fand ich auch heftig. Als ob das nicht schon schlimm genug für Aksinja wäre, geht sie auch noch mit einem Makel, dem Makel der verlorenen Jungfräulichkeit, in die Ehe. Wenn ich mich recht erinnere, dann hat der Bräutigam von dieser Schmach auch erst erfahren, als sie getraut waren. Vielleicht hat auch erst dieser Betrug erst Stepans grundlose Brutalität gegenüber Aksinja ausgelöst hat.



    Zitat

    Original von Heidi Hof
    Ja, Scholochow hat sehr schöne Beschreibungen parat. Leider setzt er sie ein wenig unbedarf, manchmal wirklich unpassend. Wenn der Leser unbedingt weiter die Handlung verfolgen möchte, irgendwo mitten drin. Außer bei der Beschreibung vom Ackerfeld, die Umschreibung von Axinja, das fand ich dann wirklich sehr gekonnt und prägnant. Aber wie schon versucht zu umschreiben, irgendwie scheinen sie gesetzt zu sein, sie fließen nicht in die Handlung ein. Also wie nachträglich eingebaut – ja so, jetzt hab ich es.

  • Zitat

    Original von Heidi Hof


    Mein Buch hat Anmerkungen, sogar direkt als Fußnote unten drunter, so dass man gar nicht blättern muss. Ich besitze die Bertelsmann Lesering Ausgabe, Lizenzausgabe des Paul List Verlag, keine Jahresangabe, zwei Bände, einer 700 Seiten und der Zweite 900 Seiten lang. Übersetzung von Olga Halpern.


    Hm, das mit dem Duzen ist mir gar nicht aufgefallen, welche Übersetzung liest du denn?


    Eine "Neubearbeitung" von Maximilian Schick nach der russischen Ausgabe von 1948 - so steht es im Buch.


    Fußnoten, das habe ich beim Durchblättern gesehen, wird es doch geben, allerdings anscheinend zu historischen Figuren oder Begebenheiten. Ich werde darüber berichten, wenn ich an die entsprechenden Stellen gelange.



    ---


    Entschuldigung, aber ich bekomme das einfach nicht hin, das Zitieren aus verschiedenen Posts ... bin zu dumm dazu ... :-(

  • Zitat

    Original von Lipperin



    In der Regel komme ich auch ohne Lieblingsfigur klar - es hilft nur so ungemein, wenn der Roman sich (für mich) zieht.


    Ja, wenn ein Roman so umfangreich ist, kann es recht hilfreich sein, wenn man mit einer Figur mitfiebern kann. :grin

  • Die wichtigsten Personen des Buches


    DIE KOSAKEN


    Prokofi Melechow


    Pantelej Prokofjewitsch, auch Prokofitsch, Sohn des Prokofi Iljinitschna, Pantelejs Frau


    Pjotr Pantelejewitsch, auch Petro, ältester Sohn des Pantelej
    und der Iljinitschna


    Darja, seine Frau


    Grigori Pantelejewitsch, auch Grischa oder Grischka, Sohn des Pantelej und der Iljinitschna


    Dunjaschka, Tochter des Pantelej und der Iljinitschna


    Miron Grigorjewitsch Korschunow


    Marja Lukinitschna, Mirans Frau Mitka Mironowitsch, Sohn des Miron und der Marja


    Natalja Mironowna, auch Natascha, Tochter des Miron und der Marja


    Grischaka, Mirons Vater


    Stepan Astachow


    Axinja, auch Axjutka oder Xuscha,


    Stepans Frau Fedot Bodowski


    Mischa Koschewoi, auch Mischka Maschutka Koschewaja


    Alexej Schamil }


    Martin Schamil Brüder Prochor Schamil


    Chrissan Tokin, gen. Christonja Iwan Tomilin


    DIE ARBEITER


    Dawydka, Müller Filka, Schuhmacher


    Iwan Alexejewitsch Kotlarow, Maschinist


    Jossif Dawydowitsch Stockmann, Schlosser


    Valet, Wiegemeister


    DIE KAUFLEUTE


    Jemeljan Konstantinowitsch Atjopin


    Sergej Platonowitsch Mochow Jelisaweta Sergejewna, auch Lisa, seine Tochter


    Wladimir Sergejewitsch, auch Wolodja, sein Sohn


    DIE GUTSBESITZER


    Nikolai Alexejewitsch Listnizki Jewgeni Nikolajewitsch,


    sein Sohn


    SOLDATEN UND KOSAKEN IM FELDE


    Buntschuk, Freiwilliger Garansh,


    Maschinengewehrschütze Jemeljan Groschew


    Michail Iwankow


    Kosma Krutschkow Jegorka Sharkow


    Prochor Sykow Tschegolkow


    Alexej Urjupin, gen. der »Lockige«

  • Eine Fußnote hatte ich bisher auch. Aber ein Glossar würde ich auch als hilfreich empfinden. Meine Übersetzung ist auch von Olga Halpern-Gabor.


    Das mit dem Duzen ist mir auch nicht aufgefallen, aber vielleicht kommt es ja auch erst noch. Ich bin ja erst auf Seite 67.


    edit: Heidi unsere Beiträge haben sich überschnitten, vielen Dank für die Gedankenstütze.

  • Ein Personenverzeichnis habe ich vor jedem „Buch“, Anmerkungen allerdings nur sehr spärliche (z. B. „Nebenfluß des Don“). Im Buch heißt es „Autorisierte Übersetzung von Olga Halpern“.


    Das mit dem Duzen und Siezen ist mir gar nicht aufgefallen; allerdings habe ich bisher nicht darauf geachtet.



    Zitat

    Original von Clare
    Wenn ich mich recht erinnere, dann hat der Bräutigam von dieser Schmach auch erst erfahren, als sie getraut waren.


    Ja, in der Hochzeitsnacht hat er es gemerkt.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Entschuldigung, aber ich bekomme das einfach nicht hin, das Zitieren aus verschiedenen Posts


    Ich schreibe solches (wie längeres Posts generell) immer in der Textverarbeitung vor - incl. der Steuerzeichen für die Formatierung. Da ich HTML (also die Sprache, in der Webseiten geschrieben sind) so einigermaßen kann, und die hier im Forum verwendeten BB-Codes sehr ähnlich sind, habe ich damit kein Problem. Um Dich zu zitieren, habe ich das geschrieben (die Leerzeichen müssen allerdings als nicht vorhanden gedacht werden):


    [quote ][i ]Original von Lipperin[/i ]
    Entschuldigung, aber ich bekomme das einfach nicht hin, das Zitieren aus verschiedenen Posts[/quote ]


    In den eckigen Klammern stehen die BB-Codes fürs Zitieren („quote“) und kursiv („i“). Hier:
    https://www.buechereule.de/wbb2/misc.php?action=bbcode
    eine Übersicht über die verwendbaren Codes (bzw. Steuerzeichen).



    Grigori macht es sich ziemlich einfach (S. 68): "Wenn die Hündin nicht läßt, springt der Hund nicht so fest!" Das, in Verbindung mit der Anmerkung etliche Seiten zuvor, daß es im Dorf nicht sonderlich schlimm aufgefallen wären, wenn Axinja auch mit anderen Männern ins Bett gegangen wäre, ist schon eine seltsam anmutende Einstellung.


    Diesen Abschnitt habe ich fertig. Axinjy hat es ja schlimm für die Zukunft vor (Ende Kapitel 20). Da dürfte im Folgenden noch so einiges an Ungemach kommen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    ...
    Grigori macht es sich ziemlich einfach (S. 68): "Wenn die Hündin nicht läßt, springt der Hund nicht so fest!" Das, in Verbindung mit der Anmerkung etliche Seiten zuvor, daß es im Dorf nicht sonderlich schlimm aufgefallen wären, wenn Axinja auch mit anderen Männern ins Bett gegangen wäre, ist schon eine seltsam anmutende Einstellung...


    Das fand ich auch heftig. Vielleicht gehört das zu den vielen Dingen, die wir einfach nicht verstehen und nachvollziehen können, aus unseren Erfahrungen und unserer Zeit heraus. Unser Frauenbild ist ja ein total anderes.
    Dass sich die Strohwitwen teilweise zahlreiche Männer zum Zeitvertreib nahmen, scheint durchaus üblich gewesen zu sein. Im Gegensatz dazu ist Aksjuta ja regelrecht treu... ;-)