Hier kann zum 2. Buch, 1. Teil geschrieben werden.
'Der Stille Don' - 2. Buch, 1. Teil
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Immer noch Krieg...Ich gebe zu, dass mir das Lesen dieses Abschnittes schwer fiel, aber nun kehren die Don-Kosaken endlich heim!
Gleich am Anfang des Abschnittes wunderte ich mich, denn da stand die Jahreszahl 1910. Hm Im vorigen Abschnitt, als Natalja zu den Schwiegereltern zurückkehrt waren wir doch schon mal bei 1914...
Grigori hat sich verändert. Der Krieg hat ihn verändert. Inzwischen tötet er ohne Bedauern, ohne Gewissensbisse. Vielleicht ist das auch die einzige Möglichkeit für die Seele, sich vor der Last der Ungeheuerlichkeit des eigenen Tuns zu schützen. Aber er rettet Stepan das Leben, obwohl so viel Hass zwischen ihnen herrscht. Grischa ist innerlich immer noch ein Mensch geblieben.
Zu Hause bringt Natalja Zwillinge zur Welt. Allein auf dem Feld unter einem Busch - ich mag mir das gar nicht vorstellen! Sie tut das, weil sie sich vor dem Schwiegervater schämt. Für mich ist das nur schwer nachvollziehbar, aber das war ja auch eine völlig andere Zeit.
Für ihre bescheidenen Ansprüche ist sie im Moment wahrscheinlich sogar glücklich. Sie bemüht sich, Grischa eine gute Frau zu sein, ist beliebt bei den Schwiegereltern, treu, Mutter...Petros Frau Darja dagegen ist den im Dorf gebliebenen Burschen nicht abgeneigt. Sie hält es einfach nicht aus ohne Mann. Was schafft das wieder für ein Frauenbild...genau so eins, wie die Kosaken über ihre Weiber reden...
Politisch passiert so einiges. Der Zar wird gestürzt. Eine Übergangsregierung bildet sich, aber die Bolschewisten wollen an die Macht, um dem Volk zu seinem Recht zu verhelfen, Gleichheit für alle bringen. Gute Ziele hatten sie ja, die Kommunisten, und was sie wollten, war so eine Art Paradies auf Erden für alle.
Interessant fand ich auch die Diskussion zwischen Listnizki und dem Bolschewisten Lagutin über Landbesitz und Gerechtigkeit. Ich glaube, das hat Listnizki schon zum Nachdenken gebracht. Immerhin hat sein Vater so viel Land, dass er es selber gar nicht bestellen könnte und auch gar nicht verbrauchen könnte,was auf seinem Boden gedeiht. Lagutin bringt den Vergleich, dass auch L.'s Vater, genau wie jeder Kosak auch, nur mit einem Mund isst.In der Armee brodelt es, und ich fand hier nicht wirklich alles interessant. Als ich am Ende des Abschnittes am Winterpalast angekommen war, wo die Kosaken auf die Matrosen warten, von denen vermutet wird, dass sie stürmen wollen, dachte ich schon: Jetzt! Oktoberrevolution!
Aber die Kosaken ziehen sich zurück und machen damit den putschwilligen Bolschewisten den Weg frei.
Außerdem ist davon die Rede, dass es Oktober ist, und Tag der Oktoberrevolution ist des 7. November.Und der Krieg geht zu Ende, die Kosaken beginnen heim zu kehren. Auf ihre Geschichten bin ich gespannt und wie es im Dorf weiter geht.
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Meine Güte, was für ein Abschnitt! So viel Erwähnenswertes finde ich in diesem Teil, dass ich gar nicht recht weiß, was ich anführen, was ich weglassen soll.
Politische Reden werden geschwungen, die Offiziere und ihre Untergebenen scheinen sich immer weiter voneinander zu entfernen. Wir lernen einen großen Teil (nehme ich mal an) des russischen Heeres kennen. Ehrlich gesagt, diese unendlich vielen Zahlen mit dem Hin- und Herrücken (oder muss ich dazu Truppenbewegungen sagen?) verwirren mich zunehmend. Auch hier: Kenntnisnahme erfolgt, ansonsten wird konzentrierter da weitergelesen, wo es für mich wirklich interessant wird.
Die Szenen des Grauens beschreibt der Autor so verflixt gut, ich würde mir hin und wieder wünschen, er könnte ds nicht so anschaulich (z. B. in III, als die Kosaken die „lange Reihe von Leichen“ auf der Waldwiese finde oder die beim Gasangriff Getöteten). Welchen Belastungen die Soldaten/Kosaken so ausgesetzt waren, was sie zum Teil hervorriefen und verursachten, hat er ebenso gut dargestellt – und da bin ich dankbar, dass er das so anschaulich kann.
Dieser Buntschuk ist eine hochinteressante Figur. Wie leicht er mal eben seine Truppe verlässt. Er brennt, vermag aber offensichtlich selber auch sehr überzeugend zu sein. Ein Charismatiker vielleicht, der die Sprache der einfachen Soldaten spricht.
Interessant finde ich die immer wieder durchschimmernde Meinung des Autors: Er soll ja überzeugter Kommunist gewesen sein; manchmal habe ich den Eindruck, er gebraucht das Wörtchen „Wahrheit“ fast schon in religiösem Sinne (z. B. in IV, als bei Grigori die „große menschliche Wahrheit“ durch das Kosakische in den Hintergrund gedrängt wird – oder im zweiten Abschnitt in XX III, als er vn Garansha „neue Wahrheiten“ erfährt).
Zu Grigori selbst gibt es eine Art Charakterstudie (in IV) – großartig gezeichnet, finde ich: „Mit kalter Verachtung spielte er mit seinem und fremdem Leben. Deshalb galt er auch als tapfer.“ Dem kann man einfach nichts mehr hinzufügen. Und solche Erfahrungen kann man auch nicht einfach mal beiseite schieben und wieder „Alltag spielen“.
Aber im Gegenzug zu all den vielen Toten erscheint auch neues Leben: Natalja bekommt Zwillinge. Von diesem Zurückziehen für die Geburt sprach übrigens noch meine Großmutter, da ging man aber nicht auf die Wiese oder in irgendein Gebüsch, sondern in den Stall. Nun ja … die Menschheit ist trotzdem nicht ausgestorben...
Stepan: Er ist nun also schwer verwundet und wird von seinen Kameraden im Stich gelassen. Hm. Ich weiß nicht. Ich soll wohl denken, er sei gestorben, aber: Ist er es wirklich? Das klingt irgendwie so … abgerissen. Ich weiß viel zu wenig über das Verhalten gegenüber verwundeten „Feinden“. Wurden denen einfach mal so „der Gnadenschuss“ (was für ein Wort!) gegeben? Oder wurden sie nicht - auch - als Gefangene weggeführt - zwecks irgendwelcher Verwendung?
Petro macht dagegen Karriere, vielleicht ist das ja ein Ausgleich zum Verhalten seiner Frau. Er wird nichts darüber wissen, aber … meine Güte, die geht aber weit. Zu weit für meinen Geschmack (die Szene mit dem Schwiegervater).
Viel Raum in diesem Abschnitt bekommt Listnizki. Was für Ansichten, was für ein … Seine „Rede“ in XI darf man wohl als die Ansicht der damaligen Offiziere ansehen. Alles, was hier anklingt, gilt nur dem Machterhalt, wie es den armen Schluckern ging, interessierte sie nicht. Jedenfalls planen sie einen erneuten Umsturz. Das sollte dann wohl auf eine Militärdiktatur hinauslaufen.
In diesem Abschnitt (unter anderem in VII) wird noch einmal die Kluft zwischen Kosaken und Bauern/Russen mehr als deutlich herausgearbeitet. In dieser Hinsicht finde ich das Buch spannender als ein Sachbuch.
In meiner Ausgabe taucht er zum ersten Mal auf Seite 636 (in XVII) auf, der Name Lenin.
Und am Ende des Abschnitts gehen alle nach Hause. Es steht nur zu vermuten, dass sie da nicht bleiben werden.
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Ja, die erste Erwähnung Lenins ist mir auch aufgefallen. Wir werden den Namen wohl noch öfter hören. Die Kosaken reden sich die Person Lenin so lange schön, bis sie sicher sind, dass er auch ein Kosak ist, egal über wie viel Ecken.
Grigori ist wirklich eine interessante Figur. Ich denke, wir werden noch viel von ihm zu erwarten haben. Ich habe anfangs immer gedacht, dass er mit seiner Orientierungslosigkeit und Gleichgültigkeit ein perfektes Ziel für die Bolschewiki abgeben würde. Ihm fehlt der Sinn in seinem Leben. Sie könnten ihm den geben. Mal sehen, ob es dazu kommen wird.
Ich gebe dir Recht, die Kriegsschilderungen sind sehr detailliert. Ich bin froh, wenn wir das jetzt hinter uns lassen.
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Ja, es ist immer noch Krieg, aber Scholochow schafft es, mich gut bei der Stange zu halten. Mich langweilt die Kriegshandlung nicht, auch wenn ich lieber von friedlichen Zeiten lese.
Zitat
Grigori hat sich verändert. Der Krieg hat ihn verändert. Inzwischen tötet er ohne Bedauern, ohne Gewissensbisse. Vielleicht ist das auch die einzige Möglichkeit für die Seele, sich vor der Last der Ungeheuerlichkeit des eigenen Tuns zu schützen. Aber er rettet Stepan das Leben, obwohl so viel Hass zwischen ihnen herrscht. Grischa ist innerlich immer noch ein Mensch geblieben.Das war für mich eine sehr schöne Szene, zumal Stepan noch sagte, ich habe hinter ihm gestanden und hätte auf ihn gezielt. Ja, Mensch ist er geblieben. Ich würde gern mehr über ihn lesen, aber wir hatten es ja schon in einem der vorigen Abschnitte thematisiert, es geht um die Kosaken und Grigori ist nur einer unter ihnen.
Ich hatte mich ja schon gewundert, dass Natalja zu den Schwiegereltern zurückgekehrt ist. Aber bei ihrer Familie wurde sie ja nicht mehr warm, um es höflich zu umschreiben. Die Melechows haben sie wirklich in ihr Herz geschlossen. Das war sicher eine gute Entscheidung. Als dann Grischa heimkehrte und von Aksinjas Untreue erfuhr, kommen Natalja und er sich wieder näher, sie bekommt Zwillinge. Auch ich bin der Meinung, sie war glücklich, obwohl die Umstände nicht die besten waren. Aber zur Entbindung sich aus Scham unter einen Busch zurückzuziehen, puh, das ist schon heftig und heute kaum noch vorstellbar.
Politisch ist es eine Zeit des Umbruchs. Der Zar dankte ab, die Übergangsregierung war im Amt und schon wieder gibt es Unmut und revolutionäre Gedanken. Am Ende des Abschnitts sind wir im Oktober 1917, wir wissen aus der Geschichte, wie es weitergeht. Lenin wurde schon erwähnt. Für die einen scheint er der Retter, die anderen sehen ihn eher negativ besetzt. Die Idee des Kommunismus ist ja an sich keine schlechte, allerdings ist sie meiner Meinung nicht praktikabel, solange es Menschen gibt, die egoistisch sind und in bestimmten Situationen ist das sicher jeder. Nun ja, der Lauf der Geschichte ist hinlänglich bekannt.
Die Kosaken stehen irgendwie zwischen den Fronten. Jede politische „Partei“ versucht, sie von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Wikipedia sagt vor der Revolution gab es 4,5 Mio. Kosaken. Diese, oder einen Großteil dieser auf einer Seite zu wissen, wäre sicher nicht nachteilig.
Die politischen Verhältnisse, das Gezänk und die Intrigen finde ich in diesem Roman ganz großartig dargestellt. Ebenso wie Lipperin schon schrieb, schildert er die Kriegwirren sehr intensiv. Im vorigen Jahr las ich „Krieg und Frieden“ von Tolstoi. Er konnte seitenlang über die Aufstellungen der Armeen Strategien und Taktik parlieren. Dagegen erscheint mir Scholochow eher wie ein eingebetteter Reporter.
Zitat
In diesem Abschnitt (unter anderem in VII) wird noch einmal die Kluft zwischen Kosaken und Bauern/Russen mehr als deutlich herausgearbeitet. In dieser Hinsicht finde ich das Buch spannender als ein Sachbuch.Das unterschreibe ich sofort.
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Zitat
Original von Karthause
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Die Kosaken stehen irgendwie zwischen den Fronten. Jede politische „Partei“ versucht, sie von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen. Wikipedia sagt vor der Revolution gab es 4,5 Mio. Kosaken. Diese, oder einen Großteil dieser auf einer Seite zu wissen, wäre sicher nicht nachteilig.
...Außerdem muss man bedenken, dass die Kosaken, zwar nicht so viel wie die Großgrundbesitzer, aber immerhin Land besitzen, ganz im Gegensatz zu den Bauern, die nur das fremde Land bestellen.
Ich denke, dass es im Laufe des Romans auch zu den damals geschehenen Landenteignungen kommen wird, und die bergen, gerade auf Seiten der Kosaken, sicher ein hohes Konfliktpotenzial.
Verständlich, dass die Bolschewiki versuchen, immer mehr Kosaken von ihren Ideen zu überzeugen. -
Mit dem Abschnitt bin ich zwar noch nicht ganz durch, aber doch weitgehend (Ende Kapitel 17, heute Abend werde ich den Abschnitt wohl schaffen).
Als Buntschuk sich absetzt (2. Kapitel), kommt deutlich die Sinneseinstellung durch: es ist ihm egal, ob seine zurückgebliebenen Kameraden wegen ihm Leid erdulden müssen. Das dient der Sache.
Im vierten Kapitel, als über Grigori sinniert wird, daß sein Eigenstes die „große menschliche Wahrheit“ überwiegt, da spricht denn doch etwas die Progaganda.
Jewgeni Listnitzki taucht auch wieder auf, als ob nichts gewesen wäre, desgleichen Grigori. Hatte es keine Folgen, daß Listnitzki von Grigori verprügelt wurde? Weder gesundheitliche noch sonstige? Das hat mich etwas verwundert und irritiert.
Zu Beginn des Kapitels 10:
(...) aus dem er noch vor dem Februarumsturz so schmählich fliehen mußte.
Entweder verläßt mich meine Erinnerung, weil es zu viele Details sind (was ich vermute), oder das Ereignis wurde im Buch nicht. geschildert. Jedenfalls weiß ich momentan nicht, worauf angespielt wird.Dann geht es immer Hin und Her im Kriegsgeschehen, die Wirren der Revolution beginnen auch. Ich habe beim Lesen festgestellt, daß meine Kenntnisse vom Ablauf der Revolution 1917 doch sehr lückenhaft sind. Wenn ich mal davon ausgehe, daß die historischen Geschehnisse stimmen, war das über Monate ein ziemliches Durcheinander im Land. Wie sollte da einer wissen, wem er wann weshalb zu gehorchen hatte? Wenn ich schon als Leser eines strukturieren Romans meine Probleme habe, wie sollte da ein Zeitgenosse, der nur sein direktes Umfeld im Blick hatte, auch nur halbwegs durchblicken, was gerade Sache ist?
ZitatOriginal von Clare
Gleich am Anfang des Abschnittes wunderte ich mich, denn da stand die Jahreszahl 1910.
Bei mir steht 1916.Ähm, als ich mein offline geschriebenes Post hier einkopieren wollte, sind mir die Irritationen, die ich beim Schreiben hatte, klar geworden: als ich auf eure Posts antworten wollte, hatte ich die vom nächsten Abschnitt gelesen. Deshalb paßte das auch irgendwie nicht.
Ich poste jetzt erst mal meine Notizen, Kommentare zu bisherigen Posts später (ggf. erst heute Abend oder morgen, heute ist ein vom Ablauf her gesehener etwas verquerer Tag, an dem ich dauernd mal unterwegs bin. Immerhin hatte ich im Wartezimmer des Arztes eine Stunde Zeit zum Lesen, da kam ich ziemlich weit.)
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Zitat
Original von SiCollier
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Als Buntschuk sich absetzt (2. Kapitel), kommt deutlich die Sinneseinstellung durch: es ist ihm egal, ob seine zurückgebliebenen Kameraden wegen ihm Leid erdulden müssen. Das dient der Sache.
Im vierten Kapitel, als über Grigori sinniert wird, daß sein Eigenstes die „große menschliche Wahrheit“ überwiegt, da spricht denn doch etwas die Progaganda.Ja, die Propaganda nimmt jetzt nun doch etwas zu. Momentan komme ich damit aber noch gut klar. Vielleicht liegt es daran, dass Scholochow sie sprachlich anspruchvoll verpackt.
ZitatJewgeni Listnitzki taucht auch wieder auf, als ob nichts gewesen wäre, desgleichen Grigori. Hatte es keine Folgen, daß Listnitzki von Grigori verprügelt wurde? Weder gesundheitliche noch sonstige? Das hat mich etwas verwundert und irritiert.
Manchmal scheint es wirklich so, als gehörten diese Prügeleien und Handgreiflichkeiten für diese Menschen einfach dazu. Ich habe dieses Hinweggehen über den Vorfall so eingeordnet, dass Listnizki fand, dass Grigori im Recht war, was ja auch stimmt.
Was die Wirren der Unruhen, Aufstände, Revolution etc. betrifft so muss ich sagen, dass ich schon immer wieder mal verwirrt bin, wenn sich die Perspektive mal wieder ändert oder beschrieben wird, wer wen zurückdrängt. Es waren wohl sehr bewegte Zeiten.
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Eins könnte ich mal fragen, das ist mir gestern Abend so bewusst aufgefallen - die Frauen, die zurückgelassenen Frauen, nicht alle - aber warum laufen die mit jedem ins Bett Manche sind ja richtig geil
Entspricht das einer Tatsache, oder sind das nur die Gedanken eines männlichen Autors Waren die Ehen früher anders als heute, also mir kommt das sehr fremd vor. -
Zitat
Original von Heidi Hof
Eins könnte ich mal fragen, das ist mir gestern Abend so bewusst aufgefallen - die Frauen, die zurückgelassenen Frauen, nicht alle - aber warum laufen die mit jedem ins Bett Manche sind ja richtig geil
Entspricht das einer Tatsache, oder sind das nur die Gedanken eines männlichen Autors Waren die Ehen früher anders als heute, also mir kommt das sehr fremd vor.Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich so war. Ich kann hier nur vermuten, aber ich dachte, dass Scholochow so den Gegensatz zwischen den Frauen im Zaristischen Russland und Kosakenland und dem kommenden, kommunistischen Frauenbild deutlich machen wollte. Ich weiß allerdings nicht, ob das so stimmt.
Vielleicht hatten die Frauen auf dem russischen Land, einfache Frauen also, eine etwas lockerere Einstellung zu außerehelichem Sex, wie auch manche ihrer Männer, wie wir schon erfahren haben. -
Zitat
Original von Clare
Ich habe dieses Hinweggehen über den Vorfall so eingeordnet, dass Listnizki fand, dass Grigori im Recht war, was ja auch stimmt.
Ich bin mir über dieses Hinweggehen nicht im Klaren, was es eigentlich bedeutet. Für mich ist das ein - wenn auch nur kleines - Loch im Plot.ZitatOriginal von Heidi Hof
Entspricht das einer Tatsache, oder sind das nur die Gedanken eines männlichen Autors (...)
Weiß ich nicht. Aber ich lese immer mal wieder, daß die Sitten früher nicht unbedingt so streng waren, wie man uns heute glauben machen will. Inoffiziell jedenfalls.ZitatOriginal von Clare
Es waren wohl sehr bewegte Zeiten.
Allerdings. Und - ich schrieb es gerade im anderen Thread - Scholochow gelingt es als erstem, mir dies in aller Deutlichkeit drastisch aufzuzeigen. -
Zitat
Original von Clare
Gute Ziele hatten sie ja, die Kommunisten, und was sie wollten, war so eine Art Paradies auf Erden für alle.
Tja, das ist eine Frage, über deren Antwort ich mir auch nach vielen Jahren nicht im Klaren bin.ZitatOriginal von Clare
Interessant fand ich auch die Diskussion zwischen Listnizki und dem Bolschewisten Lagutin über Landbesitz und Gerechtigkeit. Ich glaube, das hat Listnizki schon zum Nachdenken gebracht.
Das allerdings, das eine wie das andere. Allerdings hat es bei Listnitzki nicht lange vorgehalten. Er entspricht doch sehr dem Bild, das man sich so von seiner Klasse macht.ZitatOriginal von Lipperin
Ehrlich gesagt, diese unendlich vielen Zahlen mit dem Hin- und Herrücken (oder muss ich dazu Truppenbewegungen sagen?) verwirren mich zunehmend. Auch hier: Kenntnisnahme erfolgt,(...)
So halte ich es auch.ZitatOriginal von Lipperin
In diesem Abschnitt (unter anderem in VII) wird noch einmal die Kluft zwischen Kosaken und Bauern/Russen mehr als deutlich herausgearbeitet. In dieser Hinsicht finde ich das Buch spannender als ein Sachbuch.
Stimmt. Und ich habe jetzt endlich mal meinen Atlas befragt, wo den der Don eigentlich fließt. Deutlich westlicher als ich vermutet hätte. Ein Nebenfluß der Wolga - meine Geographiekenntnisse lassen doch sehr zu wünschen übrig.ZitatOriginal von Karthause
Die politischen Verhältnisse, das Gezänk und die Intrigen finde ich in diesem Roman ganz großartig dargestellt.
Ja, man erhält einen Überblick - und gleichzeitig ein Gefühl, wie verworren und undurchsichtig die Lage damals - vor allem für die Beteiligten - gewesen sein muß. -
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Original von Clare
Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich so war. Ich kann hier nur vermuten, aber ich dachte, dass Scholochow so den Gegensatz zwischen den Frauen im Zaristischen Russland und Kosakenland und dem kommenden, kommunistischen Frauenbild deutlich machen wollte. Ich weiß allerdings nicht, ob das so stimmt.
Vielleicht hatten die Frauen auf dem russischen Land, einfache Frauen also, eine etwas lockerere Einstellung zu außerehelichem Sex, wie auch manche ihrer Männer, wie wir schon erfahren haben.Ähnliches kam auch mir in den Sinn, wobei ich noch daran dachte, ob er damit die "Freiheit" einer Kosakin andeuten wollte. (Und wenn sie erwischt wurde, bekam sie halt in der gleichen "Freiheit" in der Regel eine Tracht Prügel wie andere Frauen auch.)
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Zitat
Original von Lipperin
Ähnliches kam auch mir in den Sinn, wobei ich noch daran dachte, ob er damit die "Freiheit" einer Kosakin andeuten wollte. (Und wenn sie erwischt wurde, bekam sie halt in der gleichen "Freiheit" in der Regel eine Tracht Prügel wie andere Frauen auch.)
Aber welche Freiheit hätte er damit andeuten wollen. Scholochow war ein systemtreuer Schriftsteller. Die Freiheit der Kosakinnen besonders herauszustellen, wäre eher kontraproduktiv.
Es sei denn:
Wollte er vielleicht eine gewisse Unmoral verdeutlichen, eine Rüchschrittlichkeit, so eine Art Barbarei? -
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Original von ClareWollte er vielleicht eine gewisse Unmoral verdeutlichen, eine Rüchschrittlichkeit, so eine Art Barbarei?
Das ist mir auch irgendwie klar - Wildheit und Barbarei - aber ist dieses Klischee auch zutreffend, das habe ich mich gefragt oder ob es nur aus der Feder eines männliches Autors entspringt, der das gerne so hätte.
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Ich habe ja mit Altherrenfantasien immer ein paar Probleme. Als solche sehe ich Scholochows Schilderungen der "wilden" Weiber aber auch nicht. Jede Zeit hat ihre eigene Moral, die ist dazu noch abhängig vom Kulturkreis. Die Kosaken sind heißblütig, auch ihre Frauen. Von einer gewissen Freizügigkeit habe ich schon öfter gelesen. Es waren unruhige Zeiten, eigentlich gab es immer Krieg, mal war er näher, mal weiter weg. Aber die Kosaken waren häufig mitten drin, auch als Söldner, wie wir heute sagen würden. Es war für die Frauen ungewiss, ob ihre Männer aus den diversen Schlachten heimkehren. Sie haben damit vielleicht eventuelle "Ansprüche" für die Zukunft bei ihren Bettpartner angemeldet und ihr Revier gegenüber weiblichen Konkurrentinnen abgesteckt. Denn was war eine alleinstehende Frau ohne Schutz wert?
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Original von KarthauseSie haben damit vielleicht eventuelle "Ansprüche" für die Zukunft bei ihren Bettpartner angemeldet und ihr Revier gegenüber weiblichen Konkurrentinnen abgesteckt. Denn was war eine alleinstehende Frau ohne Schutz wert?
Damit könnte ich mich ein wenig anfreunden, obwohl das auch typisch einem Klischee entspricht, denn dann werden diese Frauen, diese Ehen allein auf den Sex reduziert, und bei Grischas Frau sieht man, dass es eben auch anders sein kann. Obwohl ich gestern bei wiki noch etwas von einer Abtreibung gelesen habe
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Original von Karthause
Jede Zeit hat ihre eigene Moral, die ist dazu noch abhängig vom Kulturkreis.
Eine offizielle wie eine inoffizielle, wie wir hier im Buch schon erlebt haben; ich denke an die Bemerkung, daß Axinja keine Schwierigkeiten bekommen hätte, wenn sie mit mehreren - oder allen? - Männern ins Bett gegangen wäre. Ihr "Fehler" war, das nur mit Grigori zu tun.Außerdem weiß ich nicht, wie man es schreiben müßte, wenn das unter einem anderen Volk des Russischen Reiches spielen würde, ob es dort nicht ähnlich wäre.
ZitatOriginal von Karthause
Denn was war eine alleinstehende Frau ohne Schutz wert?
Das ist ein Motiv, das mir in Romanen der Zeit (bzw. die damals spielen) immer wieder begegnet, unabhängig vom Land. -
Das mit der Abtreibung kommt später.
Nein, diese Frauen werden nicht auf Sex reduzieren, sie sind es nämlich, die die Höfe am Leben erhalten, während die Kosaken kämpfen. Das wissen sie auch sehr genau. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich die Frauen die eine oder andere Freiheit mehr herausnehmen.
War es denn in Deutschland so sehr viel anders, als die Wirtschaft auf dem Rücken der Frauen lastete im 1. und 2. WK?
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Original von Clare
Aber welche Freiheit hätte er damit andeuten wollen. Scholochow war ein systemtreuer Schriftsteller. Die Freiheit der Kosakinnen besonders herauszustellen, wäre eher kontraproduktiv.
Es sei denn:
Wollte er vielleicht eine gewisse Unmoral verdeutlichen, eine Rüchschrittlichkeit, so eine Art Barbarei?Mit "Freiheiten" meinte ich nicht irgendetwas in politischer Hinsicht, sondern: Es gibt im Buch eine Stelle, in der Grigori über die Kleidung beim Anblick einer schmuck gekleideten Kosakin nachdenkt. Er schildert dies sehr anschaulich, die Damen wollten zeigen, was sie hatten, geizten keinesfalls mit ihren Reizen - ganz im Gegensatz zu den "Bäuerinnen", bei denen man "hinten und vorn nicht unterscheiden" kann. (Sorry, jetzt komme ich ziemlich durcheinander, zu welchem Abschnitt das genau steht, in meiner Ausgabe jedenfalls auf Seite 767).
Was ich andeuten wollte, wenn sie sich schon - in Bezug auf die damaligen Sitten und Gebräuche - "freizügiger" kleidete als andere Frauen, nahm sie sich sicherlich - so denke ich mir - auch andere Freiheiten heraus. Für mich war diese kleine Szene jedenfalls ein Schlüssel zum Verständnis für die Kosakenfrauen.