'Der Stille Don' - 2. Buch, 2. Teil - Kapitel 20 - 31

  • Es gibt einfach keinen Frieden. Es kommt einfach keine Ruhe an den stillen Don. Die Kosaken organisieren sich, gerade nach Hause gekommen, schon wieder, um die Roten Garden, die ins Kosakenland ziehen und dort plündern und vergewaltigen im Namen der Revolution, zurückzudrängen.
    Hier holt Grigori seine jüngste Vergangenheit ein, denn er hatte sich selbst auf deren Seite geschlagen. So bekommt Pjotr, sein Bruder, den Posten des Kommandeurs, und die Kosaken ziehen wieder los.
    Was war das für eine bewegte Zeit, in der immer und immer wieder losgezogen wurde, um die Heimat zu verteidigen...


    Buntschuk wird hier vielleicht das erste, uns bekannte, Opfer der Umwälzung im eigentlichen Sinn. Er richtet für das Gericht die verurteilten Feinde des Volkes und der Revolution hin. Diese Arbeit treibt ihn fast in den Wahnsinn und überfordert ihn, obwohl er von der Ideologie durchdrungen ist und die Richtigkeit der Ansprüche gegen die ewig Gestrigen glaubt.
    Schließlich wird er selbst hingerichtet als Mitglied der Roten Garden, die von der Kosaken abgeurteilt werden. Er sagt seinen Namen nicht und stirbt allein und ohne Identität. Es ist, als wollte er sich selbst auslöschen, vollkommen, denn nichts ist ihm gebleiben nach Annas Tod.


    Anna stirbt als wahre Revolutionärin. Sie stürmt vor, als andere zurückweichen, und unweigerlich hatte ich das Bild von Delacroix (Die Freiheit führt das Volk) vor Augen. So ungefähr stelle ich mir Annas Angriff vor.


    Scholochow positioniert sich für mein Empfinden nicht so eindeutig, wie ich es erwartet hätte. Mir scheint, dass er kritisch einräumen durfte, dass die Roten Garden in diesen Zeiten des Umbruchs viele Fehler machten und auch Grausamkeiten begingen.

  • Die Revolution frißt und frißt, nicht nur die Körper ihrer Kindern, sonder auch deren Seelen. Buntschuk habe ich eigentlich bisher als die geradlinigste Person angesehen, aber seine etwas wirre Rede gegenüber Anna mit unter anderem „wieviel solches Geschmeiß habe ich schon niedergeknallt“ lässt es mir eiskalt den Rücken herunter laufen und kostet ihn einige meiner Sympathiepunkte (auch wenn sie allesamt wohl keine Kinder von Traurigkeit waren, um es mal ziemlich zu verharmlosen).


    Scholochow versteht es meiner Meinung nach glänzend, die Unruhe jener Zeit darzustellen, das, was sie mit den Menschen und aus ihnen macht. Das Gespenst der Konterrevolution nimmt immer mehr Konturen an. Es erstaunt auch gar nicht mehr, aus welchen Kleinigkeiten sich großes Schlachten ergab (z. B. die Tiraspoler Abteilung, die sich vieler schlimmer Dinge schuldig machte). Die Formulierung, die Abteilung sei von „kriminellen Elementen“ „zersetzt“ und nur deshalb geschehe solches, darf man wohl der Propaganda und der Zensur geschuldet sehen. Obwohl, man muss schon sagen, hin und wieder gibt es Formulierungen, die sich von mehr als zwei Seiten lesen lassen. Vermutlich kommt es sehr darauf an, wer gerade was liest und war er erwartet zu lesen. Vielleicht spielt aber auch der doch mittlerweile große Zeitablauf eine Rolle, heute weiß man viel mehr über das, was geschah und was daraus wurde. Das mag die Interpretation durchaus beeinflussen.


    Die Kosaken machen also wieder mobil, es wird wieder Kämpfe geben, wieder Tote, wieder Verzweifelte, wieder und wieder Leid – und wofür?
    Da tauscht man halt mal eben den einen Glauben gegen einen anderen, wie es halt so passt fürs eigene Befinden.
    Das große Sterben, auch in diesem Abschnitt lässt es nicht nach. An Einzelnen geschildert (z. B. Anna oder den Teilnehmern der „Expedition“), erreicht es eindrücklicher Herz und Verstand als einfach nur Zahlen anzuführen.


    Die letzten zwei Absätze des Abschnitts und damit des ersten Bandes – wunderschön ge- und beschrieben: Aus dem Düsteren des Todes ins Helle des Lebens. Das versteht man resp. ich, warum er den Nobelpreis bekommen und verdient hat.


    Zitat

    Original von Clare
    Was war das für eine bewegte Zeit, in der immer und immer wieder losgezogen wurde, um die Heimat zu verteidigen...


    ... und was bin ich froh, dass ich in solchen Zeiten nicht gelebt habe ...


    Zitat


    Buntschuk... sagt seinen Namen nicht und stirbt allein und ohne Identität. Es ist, als wollte er sich selbst auslöschen, vollkommen, denn nichts ist ihm gebleiben nach Annas Tod.


    Diese Szene habe ich als eine der bisher stärksten empfunden. Das war in meinen Augen ganz großartig erdacht und gemacht.


    Zitat

    Anna stirbt als wahre Revolutionärin. Sie stürmt vor, als andere zurückweichen, und unweigerlich hatte ich das Bild von Delacroix (Die Freiheit führt das Volk) vor Augen. So ungefähr stelle ich mir Annas Angriff vor.


    :write

  • Zitat

    Original von Lipperin
    ...
    Die letzten zwei Absätze des Abschnitts und damit des ersten Bandes – wunderschön ge- und beschrieben: Aus dem Düsteren des Todes ins Helle des Lebens. Das versteht man resp. ich, warum er den Nobelpreis bekommen und verdient hat.
    ...


    Auch hier passt die Geschichte von Anna hinein. Allerdings gab sie nur ein kurzes Gastspiel im Roman. Vielleicht hatte sie ihre dramaturgische Aufgabe erfüllt.

  • Zitat

    Original von Clare


    Anna stirbt als wahre Revolutionärin. Sie stürmt vor, als andere zurückweichen, und unweigerlich hatte ich das Bild von Delacroix (Die Freiheit führt das Volk) vor Augen. So ungefähr stelle ich mir Annas Angriff vor.


    Das Bild hatte ich auch vor Augen. Es war eine sehr starke Szene.


    Zitat

    Original von Clare


    Scholochow positioniert sich für mein Empfinden nicht so eindeutig, wie ich es erwartet hätte. Mir scheint, dass er kritisch einräumen durfte, dass die Roten Garden in diesen Zeiten des Umbruchs viele Fehler machten und auch Grausamkeiten begingen.


    Mich würde auch interessieren, wie das Original des Romans war. Aber das werden wir wohl nie erfahren. Seine recht neutrale Erzählweise hat mich auch in Erstaunen versetzt. Beim ersten Lesen des Romans hätte ich auch ein "rotes" Machwerk erwartet, wenn nicht sogar ein Auftragswerk der KPdSU.

  • Meine Güte, was für ein „Finale“! (Mit diesem Abschnitt ist in meiner Ausgabe der 1. Band beendet.)


    Zu Beginn des 20. Kapitels habe ich erstmals Hoffnung für Buntschuk und Anna geschöpft, als er berichtete, daß er nicht mehr im Tribunal arbeite würde. Aber die Hoffnung hat sich ziemlich bald als trügerisch herausgestellt. :cry
    Spätestens, seit Lipperin in einem der vorherigen Abschnitte Anna als „Heldin“ bezeichnet hatte, war mir klar, daß sie nicht überleben würde. (Außerdem fehlen sie und Buntschuk in den Pesonenverzeichnissen der nächsten beiden „Bücher“.) Denn in Büchern und Sagen sind Helden meistens die, die sterben. Aber die Hoffnung stirbt halt zuletzt...


    Bruderkrieg also. Ich bin mehr und mehr erstaunt über dieses Buch und verstehe - zumindest derzeit - zunehmend weniger, daß das zu UdSSR Zeiten offiziell erscheinen konnte, und das ein systemtreuer Schriftsteller war. Da wird nichts beschönigt; das Massaker an den Rotgardisten ist auch nicht angetan, Helden zu schaffen - dazu ist es zu wenig bis überhaupt nicht glorifizierend. Scholochow ist mir ein Rätsel.


    Und dann, dann wird er (zumindest für mich) in seinen Formulierungen hochemotional.


    Ende Kapitel 29 (Seite 652):
    Er bereitete sich auf den Tod vor wie auf eine freudlose Rast nach einem bitteren, leidvollen Weg, wo die Müdigkeit so groß ist, der Körper so weh tut.


    Daß auch Buntschuk nicht überleben würde, war mir nach dem Tode Annas klar. Aber daß er so umkommen würde ...


    Buntschuk konnte sich nicht satt sehen an dem grau umwölkten Himmel, an der traurigen Erde, auf der er sich neunundzwanzig Jahre geplagt hatte. (Seite 656)




    Zitat

    Original von Clare
    Scholochow positioniert sich für mein Empfinden nicht so eindeutig, wie ich es erwartet hätte.


    :write Ich warte dauernd auf Angriffspunkte - und finde so gut wie keine. Nach meinem Empfinden wird er bisher beiden Seiten gerecht.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Vermutlich kommt es sehr darauf an, wer gerade was liest und war er erwartet zu lesen. Vielleicht spielt aber auch der doch mittlerweile große Zeitablauf eine Rolle, heute weiß man viel mehr über das, was geschah und was daraus wurde. Das mag die Interpretation durchaus beeinflussen.


    Vermutlich bzw. auf jeden Fall. Es wäre einmal interessant, sich näher mit Scholochow selbst zu beschäftigen.



    Zitat

    Original von Clare
    Vielleicht hatte sie ihre dramaturgische Aufgabe erfüllt.


    Das ist ein Motiv, was mir bisher schon zwei Mal in Büchern begegnet ist, das zweite Mal noch nicht so lange her.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    ...
    Bruderkrieg also. Ich bin mehr und mehr erstaunt über dieses Buch und verstehe - zumindest derzeit - zunehmend weniger, daß das zu UdSSR Zeiten offiziell erscheinen konnte, und das ein systemtreuer Schriftsteller war. Da wird nichts beschönigt; das Massaker an den Rotgardisten ist auch nicht angetan, Helden zu schaffen - dazu ist es zu wenig bis überhaupt nicht glorifizierend. Scholochow ist mir ein Rätsel.


    Ich kann dir da nur zustimmen, weiß allerdings, ob wir nicht mit unserem späten Wissen Einiges hinein interpretieren. Ich lese es ja auch so, dass Scholochow nichts beschönigt und auch kritisch mit den Roten umgeht. Vielleicht geht es aber auch nur darum, die Genossen als Anfänger als herrschende Kraft darstellen, ihnen dabei zuzusehen, wie sie die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen aussondern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Sowjetmacht einen Roman hätte durchgehen lassen, der sie bloßstellt und kritisiert. Mal sehen. wie wir es rückblickend sehen, wenn wir zu Ende gelesen haben. :gruebel

  • Zitat

    Original von Clare


    Ich kann dir da nur zustimmen, weiß allerdings, ob wir nicht mit unserem späten Wissen Einiges hinein interpretieren. Ich lese es ja auch so, dass Scholochow nichts beschönigt und auch kritisch mit den Roten umgeht. Vielleicht geht es aber auch nur darum, die Genossen als Anfänger als herrschende Kraft darstellen, ihnen dabei zuzusehen, wie sie die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen aussondern.


    Zunehmend mache ich mir Gedanken über diese ... Diskrepanz, ein anderes Wort fällt mir dazu nicht mehr ein. Und ich mache mir immer mehr Gedanken darüber, ob das Nobelpreiskomitee und die Zuständigen in der Partei eigentlich das gleiche Buch gelesen haben, auch wenn in beiden Ausgaben sozusagen die gleichen Buchstaben standen.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Zunehmend mache ich mir Gedanken über diese ... Diskrepanz, ein anderes Wort fällt mir dazu nicht mehr ein. Und ich mache mir immer mehr Gedanken darüber, ob das Nobelpreiskomitee und die Zuständigen in der Partei eigentlich das gleiche Buch gelesen haben, auch wenn in beiden Ausgaben sozusagen die gleichen Buchstaben standen.


    Mir geht es ähnlich wie dir. Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich sogar ein wenig "veräppelt", wenn ich es mal so leger ausdrücken darf. Ich kann nicht glauben, dass der Roman bei den Literaturkommitees der Sowjetunion so durchgegangen sein soll und das bei mehreren Kulturreformen. Mir kam auch der Gedanke, dass dieser Roman auch benutzt worden sein konnte, um Liberalität von Seiten der Führung vorzuspiegeln, die eigentlich gar nicht da ist. Etwa so wie: Hier, wir sind ja so liberal. Alle Kritik ist grundlos. Schaut her, wie wir mit unserer Vergangenheit und unseren eigenen Fehlern umgehen...


    Wenn ich mir das vorstelle, dann wird mir gerade ganz übel!

  • Naja, es gibt aber auch sowjetische Verfilmungen. :gruebel Das müsste dann doch eine wirklich groß angelegte Kampagne sein. Ein Auftragswerk an Scholochow mit regimekritischen Tönen. Ich glaube daran nicht wirklich, allerdings man weiß ja, nichts ist unmöglich. Allerdings habe ich "Ein Menschenschicksal" als deutlich pro-sowjetischer in Erinnerung.

  • Zu Scholochow: auf der Rückseite meines 2. Bandes finden sich folgende Zeitungszitate:


    Die Überraschung liegt in der verblüffenden Erkenntnis, daß Scholochow auf jede, selbst versteckte Idealisierung oder Heroisierung der roten Revolution verzichten durfte.
    (Düsseldorfer Nachrichten)


    ... versucht er auch, seinen politischen Gegnern gerecht zu werden,. In all seinen Büchern wird er zum Sprecher der handelnden und leidenden Menschen.
    (Augsburger Allgemeine)


    Wir scheinen nicht die einzigen zu sein, die diesen Eindruck haben.



    Zitat

    Original von Clare
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Sowjetmacht einen Roman hätte durchgehen lassen, der sie bloßstellt und kritisiert.


    Ja genau, das ist eben der Punkt. Sehe ich genauso.



    Zitat

    Original von Clare
    Mir kam auch der Gedanke, dass dieser Roman auch benutzt worden sein konnte, um Liberalität von Seiten der Führung vorzuspiegeln, die eigentlich gar nicht da ist.


    So weit habe ich noch nicht gedacht, obwohl das nicht auszuschließen ist.


    Die sowjetische Verfilmung von 1957 sowie UK-Verfilmung die von 2006 habe ich, allerdings (bewußt) noch nicht angesehen. Das mache ich erst nach Beendigung der Lektüre.


    Gefunden habe ich das hier verlinkte Buch, was mir aber eigentlich zu teuer ist.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Zunehmend mache ich mir Gedanken über diese ... Diskrepanz,(...)


    Guter passender Begriff. Das erlebe ich auch: eine Diskrepanz zwischen meiner Erwartung und dem, was ich lesend vorfinde. Je mehr ich drüber nachdenke, je mehr komme ich zu dem Ergebnis, daß ich mich damit nach dem „Stillen Don“ weiter und näher beschäftigen sollte. Mal gucken, was ich - ggf. über Fernleihe - so finden kann. Das unten verlinkte Buch versuche ich auf jeden Fall, auf diesem Wege zu bekommen. Wenn es mir gefällt, kann ich es dann immer noch kaufen.



    Ab morgen dann Band 2. Einstweilen mag es zur Entspannung die Kosakenpatrouille tun. Die habe ich in verschiedenen Aufnahmen, u. a. einer mit dem Ensemble der Roten Armee. Nach der Wende reisten etliche russische Chöre und Orchester durch die hiesigen Lande, einige davon habe ich gesehen (und gehört) und CDs erworben, eben auch von dem der Roten Armee.



    Das mag jetzt blöd oder seltsam klingen. Aber trotz all dem Schlimmen (und ich fürchte, das Schlimmste kommt erst noch) tut es irgendwie gut, mal wieder ein so weit ausholendes und ausladendes Buch wie dieses zu lesen.




    Zum Inhalt (Quelle: Amazon)


    In dem Buch werden einleitend - oft verkannte - Eigenschaften Scholochows als Künstlerpersönlichkeit charakterisiert. Ein speziell seiner Beziehung zu Stalin gewidmetes Kapitel dient der Erhellung seiner Position in den gesellschaftlichen Vorgängen einer ganzen Epoche. Gewürdigt wird sein unerschrockenes Eintreten für Verfolgte und Notleidende während der Zwangskollektivierung und der Terror-Jahre. Detaillierte Analysen gelten der Ästhetik und Poetologie seiner Romane - vom Stillen Don über beide Teile von Neuland unterm Pflug bis zum Fragment Sie kämpften für die Heimat. In allen Fällen werden Elemente herausgearbeitet - so beim Don-Epos die Beziehung zur Moderne, beim Kolchosroman seine «Dramaturgie» und verborgene kontrapunktische Zeichen -, die bisherige literaturgeschichtliche Einstufungen korrigieren bzw. neue Akzente setzen.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Clare


    Mir geht es ähnlich wie dir. Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich sogar ein wenig "veräppelt", wenn ich es mal so leger ausdrücken darf. Ich kann nicht glauben, dass der Roman bei den Literaturkommitees der Sowjetunion so durchgegangen sein soll und das bei mehreren Kulturreformen. Mir kam auch der Gedanke, dass dieser Roman auch benutzt worden sein konnte, um Liberalität von Seiten der Führung vorzuspiegeln, die eigentlich gar nicht da ist. Etwa so wie: Hier, wir sind ja so liberal. Alle Kritik ist grundlos. Schaut her, wie wir mit unserer Vergangenheit und unseren eigenen Fehlern umgehen...


    Wenn ich mir das vorstelle, dann wird mir gerade ganz übel!


    So deutlich wollte ich es eigentlich nicht sagen, aber ich halte es für immer wahrscheinlicher, dass das Buch, so wie wir es lesen sollen, zu ... sagen wir einer aus meiner Sicht etwas eigenartigen Propaganda im Westen veröffentlich werden sollte. Es wird in einem späteren Abschnitt in einer Auseinandersetzung zwischen Grigori und

    einen Satz geben, bei dem sich mir, wenn ich Obiges berücksichtige, schlicht und ergreifend der Magen umgedreht hat. Denn deutlicher als dort wurde meines Erachtens in dem Buch (auch wenn ich noch nicht durch bin) nie von der Einzigartigkeit eines Roten gesprochen - und zwar in einer Hinsicht, bei der es wahrlich "ums Ganze" geht.

  • Ich habe nun diesen Teil auch beendet, und ich bin mir nicht so sicher, was ich von diesem Roman halten soll. Für mein Empfinden ist er nicht rund, er wird in allem zerstückelt. Teilweise halte ich ihn als Propagandamittel, dann werden wieder blumige Naturbeschreibungen eingeworfen, und mit den Figuren habe ich teilweise ein Problem. Das Voraussehbare Schicksal dieser Anna, dann dieser altkluge Kopf Iswarin - diesen so klugen Kopf, der die ganze weitere Entwicklung als ob der schon 50 Jahre weiter voraus leben würde, in das Buch einwirft. Wenn ich mir die Kritikpunkte zum Roman so betrachte, kann ich oft nur bejahend zustimmen.


    Ich nehme mir vom Buch auch eine Pause, weil mir dieses endlose Abschlachten stark an die Nieren geht und für meine momentane Gemütshaltung nicht so recht passend ist.

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    Ich nehme mir vom Buch auch eine Pause, weil mir dieses endlose Abschlachten stark an die Nieren geht und für meine momentane Gemütshaltung nicht so recht passend ist.


    Verstehen kann ich Dich gut! :knuddel1
    Vielleicht findest Du ja später wieder Gelegenheit und Mut (ich brauche jedenfalls eine Menge davon für die Lektüre), um das Buch fortzusetzen.

  • Bei diesem Buch muss man hart im Nehmen sein. Scholochow schont seine Leser nicht. Ich kann es verstehen, wenn es einem zu heftig wird. Immerhin wusste ich ja, worauf ich mich einlasse. Also, gönn dir eine Pause, Heidi Hof.


    Für mich ist dieser Roman schon rund. Die wunderbaren Naturbeschreibungen und dagegen das Grauen des Krieges, das sind für mich 2 Seiten der gleichen Medaille. Die Natur ist eben einfach nur schön, auch wenn sich darin gerade die Menschen die Köpfe einschlagen. Über das Propagandamittel, als das der Roman sicher genutzt wurde, kann ich hinweg sehen. Was einen erwartet muss doch eigentlich klar sein, wenn man einen Roman aus dieser Zeit und diesem Land liest. Im Vergleich zu "Wege übers Land" vom gleichen Autor, in dem es um die Kollektivierung der Landwirtschaft geht, ist das Propagandageschwätz hier erstaunlich minimalisiert.

  • Zitat

    Original von Karthause
    Bei diesem Buch muss man hart im Nehmen sein. Scholochow schont seine Leser nicht.


    Jein. Bisher war (bzw. kommt später) nur eine Szene, die mir ob der geschilderten Brutalität zu viel war. Ansonsten kann ich all das Schlimme und Böse, was beschrieben wird, erstaunlich gut wegstecken. (Ich habe schon mal eine LR nach zehn Seiten abgebrochen, weil mir die Schilderung einer Hinrichtung zu ... detailgenau war.)



    Zitat

    Original von Karthause
    Für mich ist dieser Roman schon rund.


    :write Für mich auch. Vielleicht ab und zu ein "Schnitt" zwischen den Szenen, aber im Prinzip aus einem Guß.



    Zitat

    Original von Karthause
    Über das Propagandamittel, als das der Roman sicher genutzt wurde, kann ich hinweg sehen. Was einen erwartet muss doch eigentlich klar sein, wenn man einen Roman aus dieser Zeit und diesem Land liest.


    :write Wobei der Roman für mich bisher erheblich weniger Propaganda enthält, als ich erwartet hatte.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier



    :write Wobei der Roman für mich bisher erheblich weniger Propaganda enthält, als ich erwartet hatte.


    Vor vielen Jahren hatte ich das Buch ja schon einmal gelesen, ich wusste aber nicht mehr so genau, was mich in dieser Hinsicht erwartet. Ich hatte es auch als wenig in Erinnerung, aber die Zeit verwischt im Gedächtnis ja auch so manches, deshalb meine Unsicherheit.

  • Mit diesem Abschnitt war ich schnell durch. Gut, er war auch viel kürzer als der vorherige. Aber vor allem hat er mich viel mehr angesprochen.


    Es hat mich sehr berührt, wie die zwei verfeindeten Kosakengruppen, die roten und die weißen, aufeinander trafen. Freunde erkannten sich wieder, grüßten sich. Sie nahmen sich als Brüder wahr. Und dann wurden die roten von den weißen hintergangen und zum Tode verurteilt.


    Die Beschreibung der Stunden vor der Exekution und dieser selbst ist sehr erschütternd. Alle Varianten von Verhaltungsweisen in dieser Situation an der Grenze vom Leben zum Tod werden beschrieben. Das war intensiv! Insgeheim hoffte ich fast bis zuletzt, die ganze Hinrichtung würde verhindert, wobei ich genau wusste, dass das nicht so sein würde.


    Entsetzt las ich, dass jede Menge Zuschauer zur Hinrichtung kamen, auch Frauen mit ihren Kindern. Wenn man aber an die Gaffermentalität heutzutage denkt, merkt man, dass die Menschen im Grunde immer die gleichen geblieben sind. Im Buch sind wenigstens die Frauen mit ihren Kindern irgendwann schreiend davon gelaufen.

  • Mit diesem Abschnitt war ich schnelldurch. Gut, er war auch viel kürzer als der vorherige. Aber vorallem hat er mich viel mehr angesprochen.

    Ich schließe daraus, daß Du weiter liest. :-)

    Mit der Einteilung habe ich mich damals sehr schwer getan, und selbst erst beim Lesen bemerkt, daß der vorige Abschnitt zu lang geraten ist. Da war aber dann nix mehr zu ändern.



    Ich habe jetzt die Details nicht mehr präsent, und auch nicht, was wann geschehen ist. Aber wenn das die Hinrichtung ist, die mir im Kopf geblieben ist - das war schon ziemlich heftig.


    Ich sehe schon, es wird für mich langsam Zeit, ein Wiederlesen einzuplanen...

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")