Hier kann zum 3. Buch, 1. Teil - Kapitel 46 - 65 geschrieben werden.
'Der Stille Don' - 3. Buch, 1. Teil - Kapitel 46 - 65
-
-
Na gut, dann fang ich hier auch an:
Es herrscht Bürgerkrieg, das Sterben der Jungen und das Leid der Mütter beschreibt Scholochow überraschend eindrücklich. Einer der Schlüsselsätze kommt von Grigori: „Wie soll man all das einander getane Unrecht ausgleichen“ - die Frage kann wohl auch das Buch nicht beantworten, ist sie eh eine der großen Fragen, die von Urzeiten an galt und nach meiner Einschätzung immer bleiben wird. Jedenfalls sind es diese Nachdenklichkeiten von Grigori, die mich an ihm nicht irre werden lassen.
Überhaupt finde ich, dass Scholochow nicht nur Naturschilderungen unglaublich gut kann, sondern immer mal wieder so kleine, feine Studien zu lesen sind; hier in diesem Abschnitt über das sich wandelnde Verhältnis zwischen Vater (Pantelej) und Sohn (Grigori) in L (bei mir Seite 379). Allein schon für diese fein gezeichneten, oftmals sehr intim wirkenden, kurzen Szenen muss man das Buch eigentlich empfehlen. Was hätte ich da verpasst, wenn ich mich nicht zu der Leserunde überredet hätte! An dieser Stelle ein Dankeschön an SiCollier :knuddel: Mir geht es wie Dir, wenn es den Anstoß von Dir nicht gegeben hätte, würde das Buch noch einige Jahre warten (müssen).
Oder diese so eindrücklich geschilderte Szene, die die alte Frau betreffen (in LIII), sie hat Angst vor Bombenabwürfen, kann nicht so schnell laufen, fällt hin und … nun ja, ihr passiert darob ein Malheur. Scholochow schildert es, wie es wohl war (und es waren sicherlich nicht nur die alten Frauen, denen solches Missgeschick widerfuhr), aber ich glaube nicht, dass er sie der Lächerlichkeit preisgeben wollte. Mein Herz krampfte sich jedenfalls vor Mitgefühl ein wenig zusammen.
Alle Nachdenklichkeit hält Grigori aber nicht davon ab, alles beim Alten zu belassen: Aksinja kann er nicht lassen, Natalja auch nicht; bei der Flucht aus dem Dort soll die Frau bei Kindern und Mutter bleiben, die Geliebte will er mitnehmen. Nun ja, was soll man dazu sagen? Ein seltsamer Heiliger ist er aber allemal: Will Mischka und Iwan Alexejewitsch retten, weil sie sich „doch nicht fremd“ sind. Auch ein Argument – aber verstehen kann ich ihn nicht immer. Manchmal ist er voller Mitgefühl, hat Mitleid, manchmal ist er von einer Grausamkeit, die befremdet und mich nur abstößt.
Über Überläufer wird in diesem Abschnitt berichtet und darüber, was mit ihnen geschieht resp. geschehen soll. Da schimmert in dem Brief von Kudinow (in XLVII) eine Antwort auf Grigoris Frage durch!
Aber was Stockmann geschieht! - Richtig kann ich das nicht finden, aber es wird wohl der Realität entsprochen haben.
Und wie man mit den gefangenen Roten umgeht! Nur zwei kleine Szene des Mitleids gibt es – durch ein Kind und durch einen alten Mann! Nutzen tut es nichts, natürlich nicht, wenn die „Allgemeinheit“ - um kein schlimmeres Wort zu gebrauchen - nach Blut schreit.
Und Darja, meine Güte, die lebensfrohe, lebenslustige Darja wird zur Mörderin.
Die Frage Grigoris (sh. oben) klingt immer mehr nach, weht durch diesen Abschnitt.Im Gegenzug gebärdet sich Koschewoi auf auf einem privaten Rachefeldzug. Steckt fast das ganze Dorf an, ermordet Wehrlose. Und deckt das Ganze zu mit dem fadenscheinigen Mäntelchen „Weiße“ und „Konterrevolutionäre“.
Was mir zunehmend auffällt: Sätze für die Propaganda, für die Zensur, Pardon, die Entscheidungsträger der Partei finden sich jetzt häufiger (sh. z. B. in XLVIII, wo es um die Zustände im Serdobsker Regiment geht). Aber auch hier: Klein, fein, fast ein wenig versteckt, aber „anwesend“.
-
Zitat
Original von Lipperin
Was mir zunehmend auffällt: Sätze für die Propaganda, für die Zensur, Pardon, die Entscheidungsträger der Partei finden sich jetzt häufiger (sh. z. B. in XLVIII, wo es um die Zustände im Serdobsker Regiment geht). Aber auch hier: Klein, fein, fast ein wenig versteckt, aber „anwesend“.Diesen Teil werde ich frühestens heute Abend beenden, aber zu der zunehmenden Propaganda hätte ich eine Begründung: Der erste Band erschien ja 1928, danach sukzessive die folgenden. Könnte es nicht sein, dass die "Entscheidungsträger" zunehmend kritischer bzw. empfindlicher wurden?
edit: Rechtschreibung
-
So, nun bin ich so weit und werde mal fortsetzen:
Was muss das für eine schreckliche Zeit gewesen sein. Alles leidet. Wir hatten ja schon im vorigen Abschnitt darüber geschrieben, dass Grigori im Alkohol Vergessen sucht. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie man das ständige Töten und die allgegenwärtige Gefahr, selbst getötet zu werden, verarbeiten kann. Sicher stumpft man ab, aber so ganz im Innersten der Seele geht sicher viel kaputt. Aber auch in den Chutors ist der Bürgerkrieg ja praktisch vor der Haustür. Die Wirtschaft kann nicht richtig bestellt werden. Die Frauen sind auf sich gestellt. Allerdings, und das hatte ich noch keinem anderen Roman so gelesen, kehren die Männer immer wieder sporadisch auf ihre Höfe zurück, um doch mal nach dem Rechten zu sehen. Aber mit tun auch die Tiere leid. Mit Pferden und Ochsen ist man im Krieg.
ZitatOriginal von Lipperin
Überhaupt finde ich, dass Scholochow nicht nur Naturschilderungen unglaublich gut kann, sondern immer mal wieder so kleine, feine Studien zu lesen sindDiese Szenen machen den Roman sehr lesenswert und geben ihm eine größere Tiefe.
Eine Szene, die mich sehr berührt hat, neben der mit der alten Frau und ihrem Missgeschick, war die mit dem Kind. Ich weiß nicht, was Scholochow in seiner Kindheit oder mit Kindern erlebt hat. Aber diese Szene erschien mir so lebensecht, so realistisch, dass ich das Gefühl hatte, so es sei echt. In seinem anderen Roman „Ein Menschenschicksal“ gibt es auch so eine bewegende Szene mit einem kleinen Jungen, den hatte ich hier sofort wieder vor Augen, obwohl dieser Roman im 2. WK spielt.Zu Grigori:
Ja, Natalja soll bei den Kindern und der Mutter bleiben, Aksinja nimmt er mit. Heute in friedlichen Zeiten auf dem Sofa sitzend sage ich, wenn ich mich Nataljas Rolle versetze, den würde ich aber....
Aber welche Wahl hatte sie? Ich glaube, es gab keine Alternative, als es einfach zu ertragen. Aber Grigoris Beziehung zu Natalja und Aksenja zeigt seine Zerrissenheit ebenso deutlich wie sein Schwanken zwischen den politischen Strömungen. Natalja ist die Bodenständige, sie steht für Vernunft und die Geliebte für die Gefühlsebene und die Leidenschaft.Darja war ja für mich eine durchaus leidenschaftliche Frau – in Bezug auf die Männer. Aber mit ebensolcher Leidenschaft, die sie fast schon kaltblütig und berechnend erscheinen lässt, greift sie zum Gewehr und erschießt den Mörder Petros. Dann taucht Mischa auf, wir dürfen gespannt sein.
PS:
Was mich momentan sehr stört aber nichts mit Scholochows Art zu schreiben zu tun hat, sind die vielen fehlenden Buchstaben. Das betrifft hauptsächlich die „t“ und “e“ in meiner alten DDR-Ausgabe. Da ich nicht davon ausgehe, dass ein Legastheniker am Drucksatz gearbeitet hat, wird es wohl an der sozialistischen Mangelwirtschaft liegen und die fehlenden Buchstaben waren einfach nicht aufzutreiben. -
Zitat
Original von Karthause
Diesen Teil werde ich frühestens heute Abend beenden, aber zu der zunehmenden Propaganda hätte ich eine Begründung: Der erste Band erschien ja 1928, danach sukzessive die folgenden. Könnte es nicht sein, dass die "Entscheidungsträger" zunehmend kritischer bzw. empfindlicher wurden?
edit: Rechtschreibung
Das halte ich auch angesichts der ... äh ... Entwicklung Stalins durchaus für wahrscheinlich.
Hast Du "Die Kinder vom Arbat" gelesen? Ich hatte es mir vor Kurzem mal wieder herausgekramt und muss oft und oft während der Lektüre am Don an die dortigen Schilderungen, soweit sie Stalin betreffen, denken. -
Zitat
Original von Karthause
Eine Szene, die mich sehr berührt hat, neben der mit der alten Frau und ihrem Missgeschick, war die mit dem Kind. Ich weiß nicht, was Scholochow in seiner Kindheit oder mit Kindern erlebt hat. Aber diese Szene erschien mir so lebensecht, so realistisch, dass ich das Gefühl hatte, so es sei echt.Im Grunde sind alle seine "Kinderszenen" mit einem unglaublichen Blick gezeichnet, finde ich.
ZitatAber welche Wahl hatte sie?
Keine!
Zitat
Was mich momentan sehr stört aber nichts mit Scholochows Art zu schreiben zu tun hat, sind die vielen fehlenden Buchstaben. Das betrifft hauptsächlich die „t“ und “e“ in meiner alten DDR-Ausgabe. Da ich nicht davon ausgehe, dass ein Legastheniker am Drucksatz gearbeitet hat, wird es wohl an der sozialistischen Mangelwirtschaft liegen und die fehlenden Buchstaben waren einfach nicht aufzutreiben.So wird es sein!
Und ich war bisher ziemlich überrascht, weil ich in meiner Ausgabe nur einen fehlenden Buchstaben entdeckt hatte.
-
Zitat
Original von Karthause
...
Darja war ja für mich eine durchaus leidenschaftliche Frau – in Bezug auf die Männer. Aber mit ebensolcher Leidenschaft, die sie fast schon kaltblütig und berechnend erscheinen lässt, greift sie zum Gewehr und erschießt den Mörder Petros. Dann taucht Mischa auf, wir dürfen gespannt sein....
Dass Darja so aus sich und ihrer Rolle als Frau und Witwe herausgeht, hätte ich nicht gedacht. Geplant war das so nicht, denn sie wollte eigentlich nur nachfragen, vielleicht anklagen. Töten, eigentlich ja hinrichten, wollte sie ihn mit Sicherheit nicht.
Andererseits wirft sich Darja sogar Grigori an den Hals, wobei wir wieder bei der Unmoral der Kosakenfrauen wären... -
Ich kanns kaum fassen, aber ich habe diesen Abschnitt tatsächlich fertig. Derzeit klappt es mit dem Lesen nicht so richtig, auch am Wochende wirds nicht viel werden. Doch langsam, aber sicher wird es.
Mit seiner offenen, teilweise drastischen Schilderung der Folgen eines Krieges hat mich Scholochow gleich zu Beginn dieses Abschnitts überrascht. Wieder mal.
Grigori ist zuhause und gibt einen Einblick in sein Inneres. Der Krieg hat ihn sehr verändert, er weiß es selbst (Seite 271). Ich bin mir selbst zum Schrecken geworden.
Die Serdobsker wollen überlaufen. „Der spinnt“, habe ich mir als Kommentar zu den Plänen Kudinows ins Buch notiert. Ob aus solchem Hintergehen wohl etwas Gutes erwachsen kann? (Seite 280)
Und dann endlich (?!) die lange erwartete prosowjetische Propaganda; zumindest habe ich das so empfunden, als er im 57. Kapitel (Seite 324ff) über die allgemeine Situation schrieb.
Täusche ich mich, oder tauchten die Begriffe „Staniza“ und „Chutor“ in den ersten beiden Büchern nicht, hier aber häufig auf?
Der ganze Abschnitt ist geprägt vom andauernden, immer grausamer werdenden Bürgerkrieg.
Während ich Grigori eine gewisse Selbstkritik (s. o.) nicht abstreiten kann, ist Mischka Koschwoi ein ganz anderer; anscheinend ohne jede Skrupel oder sonstige Gefühle. Dem Faß den Boden schlägt sein Anspruch auf die Schwester Grigoris aus. Wie der gegen Ende des Abschnitts machoartig auftritt - vielleicht sollte einer der Alten mal eine Peitsche benützen. Aber das hilft ja nichts, er erschießt die ja zuvor (Grischaka).
Was ich mich übrigens zunehmend frage: da herrscht doch nun schon seit einigen Jahren Krieg (durchgehend seit 1914), dauernd werden die Felder niedergeritten, alles durch Gefechte zerstört, kann die Saat nicht ausgebracht werden, und wenn - nicht reifen (s. o.).
Da müßte doch eigentlich schon eine recht ordentliche Hungersnot herrschen, oder? Wir lesen dauernd, daß Munition knapp ist. Aber Lebensmittel scheint es genug zu geben.ZitatOriginal von Lipperin
An dieser Stelle ein Dankeschön an SiCollier : Mir geht es wie Dir, wenn es den Anstoß von Dir nicht gegeben hätte, würde das Buch noch einige Jahre warten (müssen).
Ups, danke. Wäre die LR nicht zustande gekommen, hätte ich jetzt wohl auch nicht gelesen; und das doch sehr bereut.ZitatOriginal von Lipperin
(...) aber verstehen kann ich ihn nicht immer. Manchmal ist er voller Mitgefühl, hat Mitleid, manchmal ist er von einer Grausamkeit, die befremdet und mich nur abstößt.
So geht es mir auch. Vor allem sein Verhältnis zu Axinja einerseits und Natalja andererseits irritiert mich immer wieder.ZitatOriginal von Lipperin
Was mir zunehmend auffällt: Sätze für die Propaganda, für die Zensur, Pardon, die Entscheidungsträger der Partei finden sich jetzt häufiger
Ja, das ist mir auch aufgefallen.ZitatOriginal von Karthause
Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie man das ständige Töten und die allgegenwärtige Gefahr, selbst getötet zu werden, verarbeiten kann.
Das ist eine Frage, die ich mir auch immer wieder stelle und keine Antwort finde. Auch nicht, wie Menschen, die ansonsten Bauern oder was weiß ich sind, zu solchen „Monstern“ mutieren können.ZitatOriginal von Karthause
Was mich momentan sehr stört aber nichts mit Scholochows Art zu schreiben zu tun hat, sind die vielen fehlenden Buchstaben. Das betrifft hauptsächlich die „t“ und “e“ in meiner alten DDR-Ausgabe. Da ich nicht davon ausgehe, dass ein Legastheniker am Drucksatz gearbeitet hat, wird es wohl an der sozialistischen Mangelwirtschaft liegen und die fehlenden Buchstaben waren einfach nicht aufzutreiben.
Also mein Exemplar ist aus dem „kapitalistischen Westen“, da fehlen keine Buchstaben. Alle sind da, wo sie hingehören, und auch in der richtigen Anzahl. -
Zitat
Original von SiCollier
...
Täusche ich mich, oder tauchten die Begriffe „Staniza“ und „Chutor“ in den ersten beiden Büchern nicht, hier aber häufig auf?"Chutor" findet sich in meiner Ausgabe von Anfang an sehr oft. Bei "Staniza" bin ich mir nicht so sicher, ich würde aber sagen, ab Buch zwei aus jeden Fall. Vielleicht liegt es daran, dass die kleinen Vorwerke und Häuseransammlungen (Chutor) zu den Zeiten der Anfänge unserer Geschichte mehr unter sich agierten. Später zentralisierte sich die ganze Organisation des Lebens. Daher ist auch mehr von der Staniza die Rede, in der erst der Ataman und dann später die Bezirkssekretariate (bei den Roten) agierten. Soweit meine Vermutung.
ZitatWas ich mich übrigens zunehmend frage: da herrscht doch nun schon seit einigen Jahren Krieg (durchgehend seit 1914), dauernd werden die Felder niedergeritten, alles durch Gefechte zerstört, kann die Saat nicht ausgebracht werden, und wenn - nicht reifen (s. o.).
Da müßte doch eigentlich schon eine recht ordentliche Hungersnot herrschen, oder? Wir lesen dauernd, daß Munition knapp ist. Aber Lebensmittel scheint es genug zu geben.Das habe ich mich auch gefragt, zumal es zu Anfang des Romans, vor den Kriegen, so viel um den Boden und seine Bestellung als Mitte des Lebensablaufs ging.
In Buch vier wird wieder vom Bestellen der Äcker die Rede sein. Es wurde immer bestellt, nur nicht mehr so viel. Es wurden nur noch so viele Felder bestellt, dass es zum Leben reichte, keine Vorräte mehr, kein Mehr, um es zu verkaufen. Grischas Vater drückte es so aus, dass man ja schließlich nichts produzieren wolle, was sich dann doch nur die Roten holen würden.
Außerdem muss man bedenken, dass die jungen Männer, später auch die Alten, in den Krieg ziehen mussten, und es waren nur noch die Frauen und die Großväter da, um die Felder zu bestellen. Futtervorräte für den Winter brauchten sie ja nicht mehr im gleichen Umfang, weil die Roten sich fast das ganze Vieh geholt hatten. So habe ich es jedenfalls verstanden.ZitatOriginal von Karthause
Was mich momentan sehr stört aber nichts mit Scholochows Art zu schreiben zu tun hat, sind die vielen fehlenden Buchstaben. Das betrifft hauptsächlich die „t“ und “e“ in meiner alten DDR-Ausgabe. Da ich nicht davon ausgehe, dass ein Legastheniker am Drucksatz gearbeitet hat, wird es wohl an der sozialistischen Mangelwirtschaft liegen und die fehlenden Buchstaben waren einfach nicht aufzutreiben.ZitatAlso mein Exemplar ist aus dem „kapitalistischen Westen“, da fehlen keine Buchstaben. Alle sind da, wo sie hingehören, und auch in der richtigen Anzahl.
Meine Ausgabe ist eine aus der DDR von 1966, Auflage von 1987, und mir sind keine fehlenden Buchstaben aufgefallen.
-
Zitat
Original von Clare
Das habe ich mich auch gefragt, zumal es zu Anfang des Romans, vor den Kriegen, so viel um den Boden und seine Bestellung als Mitte des Lebensablaufs ging.
In Buch vier wird wieder vom Bestellen der Äcker die Rede sein. Es wurde immer bestellt, nur nicht mehr so viel. Es wurden nur noch so viele Felder bestellt, dass es zum Leben reichte, keine Vorräte mehr, kein Mehr, um es zu verkaufen. Grischas Vater drückte es so aus, dass man ja schließlich nichts produzieren wolle, was sich dann doch nur die Roten holen würden.
Außerdem muss man bedenken, dass die jungen Männer, später auch die Alten, in den Krieg ziehen mussten, und es waren nur noch die Frauen und die Großväter da, um die Felder zu bestellen. Futtervorräte für den Winter brauchten sie ja nicht mehr im gleichen Umfang, weil die Roten sich fast das ganze Vieh geholt hatten. So habe ich es jedenfalls verstanden.Ja, die Kosaken besuchen ihre Höfe auch immer wieder mal,um den Frauen zu helfen. Da habe ich mich beim Lesen auch sehr gewundert. Nein, die Bauern hungern nicht, die Versorgungslage war auf dem Land sicher nicht üppig. Aber in den Städten wird es ganz anders ausgesehen haben.
-
Mir ist schon klar, daß nur noch für den direkten Bedarf angebaut wird, nicht zuletzt, weil die Arbeitskräfte fehlen. Nur werden ja auch diese wenigen Felder dauernd durch die Reiter und Kämpfe niedergemacht, da wird von dem Wenigen nicht alles erntereif. Immer wieder werden, abwechselnd von Roten und Kosaken, Pferde, Vieh und sonstiges requiriert - da müßte doch eine ziemliche Not herrschen.
Daß es Bauern besser als Städtern ging, ist mir schon bewußt. Meine Mutter wuchs während dem 2. Weltkrieg auf einem Bauernhof in der Rhön auf; Hunger mußten die bestimmt nicht leiden.
-
Zitat
Original von SiCollier
Was ich mich übrigens zunehmend frage: da herrscht doch nun schon seit einigen Jahren Krieg (durchgehend seit 1914), dauernd werden die Felder niedergeritten, alles durch Gefechte zerstört, kann die Saat nicht ausgebracht werden, und wenn - nicht reifen (s. o.).
Da müßte doch eigentlich schon eine recht ordentliche Hungersnot herrschen, oder? Wir lesen dauernd, daß Munition knapp ist. Aber Lebensmittel scheint es genug zu geben.Mit irgendwelchen Beschreibungen über Hunger, Verhungernde etc. habe ich nicht gerechnet; mich hätte es eher verwundert, wenn ich solches zu lesen bekommen hätte. Man überlege sich nur, wie viele Millionen Menschen unter Stalin verhungerten, aber offiziell würdest Du dazu nicht eine einzige Zahl gehört haben. Und da man Scholochow nicht unbedingt eine große Distanz zum damaligen Machthaber zusprechen kann, von Widerspruch ganz zu schweigen, habe ich dieses Thema als das (vielleicht einzige) angesehen, das nicht im Buch erwähnt werden durfte.
-
Zitat
Original von Lipperin
Mit irgendwelchen Beschreibungen über Hunger, Verhungernde etc. habe ich nicht gerechnet; mich hätte es eher verwundert, wenn ich solches zu lesen bekommen hätte. Man überlege sich nur, wie viele Millionen Menschen unter Stalin verhungerten, aber offiziell würdest Du dazu nicht eine einzige Zahl gehört haben. Und da man Scholochow nicht unbedingt eine große Distanz zum damaligen Machthaber zusprechen kann, von Widerspruch ganz zu schweigen, habe ich dieses Thema als das (vielleicht einzige) angesehen, das nicht im Buch erwähnt werden durfte.
Da könntest Du recht haben, so habe ich das noch nicht gesehen. -
Zitat
Original von SiCollier
Da könntest Du recht haben, so habe ich das noch nicht gesehen.Man erfährt ja auch überhaupt nichts mehr von den Menschen in den Städten. Nach der Oktoberrevolution verlässt das Buch die Stadt und kehrt auch nicht wieder zurück, zumindest nicht bis Mitte des 4. Buches, weiter bin ich nicht.
In den Städten herrschte wesentlich größere Not, nachdem die Versorgung kriegsbedingt zu großen Teilen ausfiel und das wenige, was erbeutet werden konnte, von der Roten Armee für die Kämpfenden konfisziert wurde. -
Stimmt schon, andererseits hätte er auch Not bei den abtrünnigen Kosaken und eben keine bei den Roten schildern können - das hätte mE eher ins "offizielle Bild" gepaßt.
Ich bin ja inzwischen durch, insgesamt gesehen - drum hat mich auch das so erstaunt - ist das Buch erstaunlich (bzw. für mich unerwartet) ausgewogen.
-
Das 46. Kapitel gehört sinngemäß noch zum vorherigen Leseabschnitt. Natalja macht Grigori Vorwürfe wegen seiner Sauf- und Weiberexzesse. Er versucht sein Verhalten durch seine Kriegserlebnisse zu erklären. Sie hat aber kein Verständnis dafür. Er aber sagt: „Ich bin mit fremdem Blut so von oben bis unten befleckt, dass für niemanden auch nur ein Tropfen Mitleid übriggeblieben ist. Sogar die Kinder tun mir nicht sehr leid, und an mich selbst denke ich schon gar nicht. Der Krieg hat mich vollkommen ausgepumpt. Ich bin mir selbst zum Schrecken geworden … Schau in meine Seele, dort ist es schwarz wie in einem leeren Brunnen ...“
Das hat man ja öfter gehört: Kriegsheimkehrer sprechen nicht über ihre Erlebnisse, weil sie wissen, dass die anderen es nicht verstehen können.
Das ist ja eine perfide Vorgehensweise: die Kosaken entledigen sich der gefangenen Rotarmisten, indem sie sie durch die Dörfer treiben, die unter ihnen sehr gelitten haben. Die Dorfbewohner, auch Frauen, erschlagen schließlich die Gefangenen. Und die Kosaken stehen gut da.
Was ist das? Die Frauen besuchen ihre Männer in den Schützengräben und übernachten dort sogar, kochen, waschen Wäsche! Fast ein Idyll!
Grigori ist derart von den Kriegserlebnissen belastet, dass er nichts dagegen hat zu sterben. Das erklärt wohl, dass er für sehr riskante Einsätze zu haben ist. Er hat keine Angst vor dem Sterben und somit vor überhaupt nichts. Wie lange wird er das überleben? Aber jetzt spielt Axinja wieder eine Rolle in seinem Leben. Vielleicht wird er wieder vorsichtiger.