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'Der Stille Don' - 4. Buch, 1. Teil - Kapitel 01 - 13
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In der Hoffnung, dass ich jetzt nicht mit den Seitenzahlen ins Trudeln komme:
Auch in diesem Abschnitt wird wieder der große Bogen gespannt von der allgemeinen unruhigen Lage hin zu den kleinen Leuten und ihren Schicksalen. Sie tun mir alle ziemlich leid, sie wollten nichts weiter als ihr Land bestellen, ihr bescheidenes Leben leben und dann werden sie mit Krieg, mit Leiden überzogen, müssen versuchen zu retten, was zu retten ist und sei es auch „nur“ das bisschen Leben, was ihnen bleibt.
Aksinja und ihre Zerrissenheit: Wie klar das doch dargestellt ist anlässlich des Besuches bei ihrem Mann. Ihre Gedanken sind bei Grigori, gibt sich gegenüber einem zudringlichen Kosaken als seine Frau aus.
Über Pantelej muss ich aber doch immer mal wieder schmunzeln, diesmal zwar aus einem traurigen Grund: Über seinen verstorbenen Erstgeborenen spricht er gerade so, wie es die Situation erfordert. Er dreht und windet sich – aber wer will es ihm verdenken?
Grigori: Zu ihm fällt mir auf, wie innig die Szenen dargestellt sind, die ihn mit seinen Kindern zeigen. Da ist ein derart großer Unterschied zwischen dem Vater, der sich an seinen Kindern erfreut, und dem oft mitleidlosen Kämpfer, dass mir ein wenig der Hals eng wird. Aber wundern kann es mich nicht, dass er seine Kinder, wenn er denn mal da ist, mit Liebe zu überschütten sucht. In VIII gibt es ja eine lange Beschreibung des trauten Familienlebens, aus der der Schrecken der Zeit aber nicht herauszuhalten ist. Und das Söhnchen will den Großvater in den Krieg schicken, schließlich: „wozu brauchen wir ihn...“ Im Grunde so wenige Seiten, so wenige Worte und was hat Scholochow damit nicht alles ausgedrückt, was für Bilder hat er gemalt.
Aber mutig ist er, der Grigori. Wie er mit General Fizchelaurow spricht – ich hoffe, solche Leute gab es in der Realität auch, Grigori meine ich, nicht den General (das es solche gab, ist mir durchaus bewusst).Die Szene, in der einer der Rotarmisten den Wahnsinnigen gibt (in III): Mit wie viel Wärme geschildert, mit wie viel Menschlichkeit die alte Frau an ihm handelt. Auch bei solchen Szenen frage ich mich immer mal wieder, warum Scholochow sie so genau, so wie sie sind, geschrieben hat. Vielleicht, um darzustellen, dass sich Menschlichkeit auch in Zeiten der Unmenschlichkeit nicht gänzlich unterdrücken lässt? Um den Gegensatz zwischen der Mitleidlosigkeit der Soldaten und Kosaken und der zivilen Bevölkerung darzustellen?
Interessant, wie der Autor die „Vereinigung“ von Donarmee und Aufständischen beschreibt. Da wissen die Kosaken gleich wieder, was die Stunde geschlagen hat. Aber wer einmal die Luft der Freiheit geatmet hat, gibt der sich mit dem Stallgeruch der Unterdrückung zufrieden? (Grigori sagt dazu etwas in X: „Nur sollten die Herren Generale daran denken ...“ etc.) Mit der Schilderung des Benehmens der Herren Offiziere gibt Scholochow aber meiner Meinung nach ein wenig zu durchsichtig zu erkennen, was er damit gesagt haben wollte.
Eine sehr interessante Figur hat Scholochow mit dem Lehrer Kopylow, aus dem der Bürgerkrieg einen fähigen Stabschef gemacht hat, zum Leben erweckt. Schade, dass man im Grunde so wenig über ihn erfährt, mir erscheint er das Gegenstück zu Buntschuk zu sein: Einer kämpft für das Alte mit allem, was er an Kräften aufbieten kann, der Andere für „die gute alte Zeit“ (immer noch in X). „Die Idee ist das Wichtigste“, sagt er da und gibt eine Richtung vor, die mir eine Ahnung davon gibt, warum Scholochow das Buch so geschrieben hat. Ich glaube nicht, dass er für die Kosaken Verachtung oder dergleichen aufbrachte, sondern er hat – trotz seiner Treue zu einer amtsbekannten anderen Idee – nach wie vor Respekt vor ihnen, deshalb konnte er vieles so schreiben, wie er es eben getan hat – und bei dem wohl nicht nur ich mich gefragt habe und weiter frage, ob es politisch konform war.Der Name Listnizki taucht mal wieder auf, sie scheinen geflüchtet zu sein, das Gut ist hin. Der fröhliche Säufer wurde ermordet, die Pferde sind weg, Grigori schaufelt ein Grab – und in der Ferne „rattert … ein Maschinengewehr, als wolle es damit die erhabene Größe des Menschen in der Natur bestätigen“ (letzter Satz in VI). Schade eigentlich, dass diese „erhabene Größe“ von der Natur so wenig übrig lässt.
Was macht der Krieg nur aus den Menschen? Mitka Korschunow ist wohl eines der negativsten Beispiele dafür. Was für ein Heldenmut mag wohl dazu gehören, eine alte Frau und Kinder abzuschlachten?
Ohne jeden Kommentar: Drei Greise unterhalten sich am Ende von XII, „Die Kosaken haben die Gefangenen ins Dorf gebracht, und die Weiber haben die Wehrlosen mit Knüppeln erschlagen … Ist das etwa eine Heldentat? Gott straf mich, aber ich versteh das nicht!“
Zum Ende dieses Abschnitts sehen wir dem Zerfall der Familie Melechow zu. Sie wird wohl exemplarisch für viele, viele andere Familien stehen.
Darja hat sich auch noch Syphilis eingefangen. Es hätte mich eher gewundert, wenn sie von Krankheiten verschont geblieben wäre, wenn ich ehrlich bin. Damals grassierte ja so einiges. Pläne macht sie, meine Güte. Sie ist mir von allen Frauengestalten Scholochow am meisten fremd geblieben. Aber nun dauert sie mich. Und ich wünschte, irgendjemand redet ihr ihre Pläne aus. -
Ich tauche nun auch wieder aus der Versenkung auf, leider hat mich der Alltag ein wenig vom Lesen und vom Internet abgehalten.
Als Aksinja dem Soldaten gegenüber sagte, sie sei Grigori Melechows Frau und dieser daraufhin von ihr abließ, war ich doch erstaunt. Das zeugt doch von tiefem Respekt, den er sich in der Truppe erworben hat.
Der Krieg hat im Vergleich zum 1. Weltkrieg, dem Deutschen Krieg, sein Gesicht verändert. Es kämpfen nicht nur die Landsleute gegeneinander, der Krieg ist härter geworden. Es werden jetzt auch Männer eingezogen, die im 1. WK verschont geblieben wären. Scholochow schreibt sinngemäß, es wurden Einarmige, Lahme, Einäugige und Leute mit einem Bruch eingezogen, im Deutschen Krieg genügte ein abgeschossener Finger, um entlassen zu werden. Ich sehe das als ein letztes großes Aufgebot. Das auch dazu führt, dass die Kämpfe erbitterter und grausamer werden. Allerdings, in welchem Krieg geht es nicht grausam zu.
Sehr gut beschrieben fand ich die Stimmung, als Aksinja, Grigori und Stepan miteinander tranken. Als Aksinja dann noch ein paar Andeutungen fallen ließ, hätte ich von Stepan, so wie ich ihn charakterlich einschätze, erwartet, dass er richtig aufbrausend reagiert und die Zugehörigkeit seiner Ehefrau zu ihm deutlich macht. Hat er schon resigniert?
ZitatOriginal von Lipperin
Grigori: Zu ihm fällt mir auf, wie innig die Szenen dargestellt sind, die ihn mit seinen Kindern zeigen. Da ist ein derart großer Unterschied zwischen dem Vater, der sich an seinen Kindern erfreut, und dem oft mitleidlosen Kämpfer, dass mir ein wenig der Hals eng wird. Aber wundern kann es mich nicht, dass er seine Kinder, wenn er denn mal da ist, mit Liebe zu überschütten sucht. In VIII gibt es ja eine lange Beschreibung des trauten Familienlebens, aus der der Schrecken der Zeit aber nicht herauszuhalten ist. Und das Söhnchen will den Großvater in den Krieg schicken, schließlich: „wozu brauchen wir ihn...“ Im Grunde so wenige Seiten, so wenige Worte und was hat Scholochow damit nicht alles ausgedrückt, was für Bilder hat er gemalt.
Aber mutig ist er, der Grigori. Wie er mit General Fizchelaurow spricht – ich hoffe, solche Leute gab es in der Realität auch, Grigori meine ich, nicht den General (das es solche gab, ist mir durchaus bewusst).Ja, mit seinen Kindern taucht er in eine andere Welt, eine, in der er alles andere vergessen möchte. Grigori ist als Vater sehr sympathisch, menschlich, voller Wärme, welch Gegensatz zum Kämpfer Grigori.
Vor ein paar Kapiteln hatten wir eine allgemeine Charakterisierung Grigoris als Kämpfer, jetzt war eine Einschätzung aus anderer Sicht. Er hat sich zwar wegen seiner Verdienste bis zum Offizier hoch gearbeitet, die anderen Offiziere sehen ihn aber nicht als Ihresgleichen an. Er ist ungehobelt und ungebildet.
„Was Benehmen und Bildung betrifft, bis du ein glatter Versager.“
ZitatOriginal von Lipperin
Zum Ende dieses Abschnitts sehen wir dem Zerfall der Familie Melechow zu. Sie wird wohl exemplarisch für viele, viele andere Familien stehen.
Darja hat sich auch noch Syphilis eingefangen. Es hätte mich eher gewundert, wenn sie von Krankheiten verschont geblieben wäre, wenn ich ehrlich bin. Damals grassierte ja so einiges. Pläne macht sie, meine Güte. Sie ist mir von allen Frauengestalten Scholochow am meisten fremd geblieben. Aber nun dauert sie mich. Und ich wünschte, irgendjemand redet ihr ihre Pläne aus.Die Familie bricht auseinander, mit dem Tod von Petro begann der Zerfall. Jetzt hat sich Darja auch noch Syphilis geholt. Man darf gespannt sein wie es weiter geht, im großen Politischen und im kleinen Familiären
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Ich bin noch immer nicht mit dem Abschnitt durch, und das ist für mich wirklich sooo untypisch. Ich habe die LR ja kurz unterbrochen, und nun ist, wie ich es am Anfang befürchtet hatte, irgendiwe die Luft und die Lust raus. Schade!
Scholochow streut auch hier wieder kleine Zwischenszenen ein, wie die zwischen der Kosakenfrau und dem sich wahnsinnig stellenden Rotarmisten. Die Bedingungen, unter denen die Roten gefangen gehalten wurden, waren erschreckend plastisch beschrieben, aber so etwas gab es mit Sicherheit auf beiden Seiten.
Diese Kosakenfrau, die alle ihre Söhne in den verschiedenen Kriegen und Gefechten verloren hat, rettet den Rotarmisten, indem sie den scheinbar Wahnsinnigen seinen Bewachern abschwatzt. Eine Szene großer Menschlichkeit mitten im großen Töten. Ein bisschen plakativ vielleicht, trotzdem eindrucksvoll - die Mutter, die alle Kinder gleich liebt, die eigenen und die anderer Mütter als Bild für die neue Menschlichkeit, die sich noch durchsetzen soll.ZitatOriginal von Karthause
Als Aksinja dem Soldaten gegenüber sagte, sie sei Grigori Melechows Frau und dieser daraufhin von ihr abließ, war ich doch erstaunt. Das zeugt doch von tiefem Respekt, den er sich in der Truppe erworben hat.Diese Stelle hatte ich mir auch notiert. Ich weiß nicht, ob es wirklich nur Respekt ist, der den Kosaken bei der Nennung von Grigoris Namen zögern lässt.
Am Ende von Buch drei lasen wir von Grigoris Ausfall während eines Gefechtes, das ich fast als kleine Wahnsinnsattacke bezeichnen möchte. Mir kam es an verschiedenen Stellen so vor, als schlage Grischas Kapfesmüdigkeit in diese Richtung um. Er sprengt dem Tod ja fast entgegen, so als wäre es eine Lösung und ein Ende seiner Probleme, wenn er im Kampf fallen würde. Endlich Ruhe!
Vielleicht hat der Kosak auch nur Angst vor dem Wahnsinn und der entsprechenden Rache Grigoris gehabt. -
Zitat
Original von Clare
Vielleicht hat der Kosak auch nur Angst vor dem Wahnsinn und der entsprechenden Rache Grigoris gehabt.
Du triffst es. Auf meinem Notizzettel stand Respekt/Angst.
Ich hatte mich dann für Respekt entschieden, weil die Truppe ihn doch sehr achtet. Bei den Offizieren ist es etwas anderes.
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Zitat
Original von Karthause
Du triffst es. Auf meinem Notizzettel stand Respekt/Angst.
Ich hatte mich dann für Respekt entschieden, weil die Truppe ihn doch sehr achtet. Bei den Offizieren ist es etwas anderes.
Ich habe den Abschnitt nun zu Ende gelesen.
Über Grigori erfährt man hier ja so einiges, auch über sein grundsätzliches Verhältnis zu seinen Kosaken und auch zu den Offizieren. Grischa lehnt die Autorität den Offiziere ab, die ihm überstellt sind, nur weil sie ihre Bildung und ihre Laufbahn scheinbar mit der Muttermilch aufgesogen haben. Er selbst ist durch Verdienst im Kampf aufgestiegen. Sein Benehmen, sein Wortschatz, seine Umgangsformen sind einfach und unmittelbar, bedürfnisgesteuert. Das kommt nicht gut an, außer vielleicht bei seiner Truppe, die hinter ihm zu stehen scheint.Zu Ende des Abschnittes taucht Mitka Korschunow wieder auf, der sich in eine äußerst ungute Richtung entwickelt hat. Er ist ein Henker geworden, ein Schlächter, dem man Aufgaben und Folterungen und Erschießungen überträgt, die keiner ausführen will.
Gipfel dieser seiner Entwicklung ist seine Rache an Koschewois, deren Sohn den Korschunowschen Hof niedergebrannt hat und die Familie getötet. Mitka Korschunow schlachtet die Kinder Koschewois und die "Alte" (die Mutter vielleicht) ab und findet sich im Recht.
Die Greultaten nehmen irgendwie gar kein Ende. Gewalt erzeugt Gewalt, Blut fordert hier Blut. Ich glaube, wenn ich mirt den Buch durch bin, brauche ich erstmal einen Liebesroman. -
Zitat
Original von Clare
Ich glaube, wenn ich mirt den Buch durch bin, brauche ich erstmal einen Liebesroman.Da können wir uns ja die Hände reichen: Ich habe mir den "Brief an D." von André Gorz mal wieder rausgekramt, Liebe pur, Ernst des Lebens sowieso, rosarot allerdings - finde ich - nicht die Spur. Und eigentlich viel zu dünn.
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Diesen Abschnitt habe ich, bezogen auf dieses Buch für meine Verhältnisse, relativ schnell durchgelesen. Inzwischen habe ich das Problem, daß ich nichts mehr einem Abschnitt zuordnen kann. Da ich meist nicht neben dem PC lese (um Kommentare direkt einzugeben), und auch nicht immer die Möglichkeit besteht, ausführlichere Notizen zu machen, wird es zusehends schwieriger mit der Leserunde. Ich habe das Gefühl, bereits einen sehr weiten Weg zurückgelegt zu haben, der anstrengend und erschöpfend war, so daß ich recht froh bin, quasi auf die Zielgerade zuzulaufen („nur“ noch rund dreihundert Seiten).
Interessant fand ich die Handlungsweise der Alten, als sie den bei ihr untergebrachten Rotarmist als „normal“ entlarvte und ihm dann zur Flucht verhalf (Ende 3. Kapitel, Seite 412).
Nun erfahren wir also etwas über das Gut Lestnitzki. Die Herrschaften sind geflohen, aber der Großvater war da geblieben. Und wurde inzwischen erschossen. Nun wölbt sich dort ein zweites einsames Grab. - Wenn ich solche Beschreibungen lese, kommt mit immer noch, nach deutlich mehr als dreißig Jahren, die Erinnerung an zwei andere Gräber, irgendwo in den Weiten Sibiriens. Ich erinnere mich noch, als ob ich es gestern gelesen hätte, an jenes heute lange vergessene Buch, das um die gleiche Zeit in den Weiten Rußlands spielte, und den Schock, als es eben zu den Ereignissen kam, als deren Folge zwei einsame Gräber zurückblieben. Manches brennt sich über die Jahre ein, ohne daß man genau ausmachen kann, weshalb. Auch dieses Buch wird (für mich) zunehmend emotionaler, und vielleicht darum anstrengend.
Geradezu genial die Schilderung Scholochows am Ende des 6. Kapitels (Seite 427):
In der Steppe, deren grünes Meer bis unmittelbar vor den Garten geflutet war, im Gestrüpp des wilden Hanfs, neben den Zäunen der alten Tenne schmetterten Wachteln unermüdlich ihre Lieder, pfiffen Zieselmäuse, brummten Hummeln, raschelte, vom Winde gekost, das Gras; im aufsteigenden Dunst jubilierten Lerchen, und irgendwo weit, weit in der Ferne, in einer Talmulde, verkündete das beharrliche, boshafte, dumpfe Tacken eines Maschinengewehrs die Erhabenheit des Menschen in der Natur.
Eine fast schon zeitlos zu nennende Beschreibung dessen, wie sich der Mensch in der Natur gebärdet.Seite 443, im 8. Kapitel, als der kleine Mischka die Worte seiner Großmutter über den Großvater wiedergab, habe ich doch grinsen müssen, als ich mir das bildhaft vorstellte.
Gegen Ende des Kapitels (S. 449), als Grigori fortreitet, die Beschreibung von Natalja liest sich wie ein Abschied. Ein endgültiger.
Interessant fand ich das Aufeinandertreffen der „Weißen“ mit den Aufständischen vom Don. Da, die Schilderung macht es deutlich, prallen Welten aufeinander. Sicher könnte man da Propaganda hineininterpretieren, aber ich vermute eher, daß das der historischen Wahrheit (und dem Denken vieler Damaligen) recht nahe kommt. Die „richtigen“ Offiziere haben ihren Hochmut nicht verloren und lassen diesen Grigori deutlich spüren. Aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
In sehr abgeschwächter Form spielt dieser Gegensatz auch, ich habe es schon öfters erwähnt, in „Downton Abbey“ eine Rolle. Ob mit oder ohne Revolution, die Welt war nach 1918 unwiderruflich eine andere als 1914; die alten Methoden konnten nicht mehr funktionieren.
Zu Beginn des Kapitels 12 (Seite 473) macht sich dann die Länge des Buches bemerkbar. Wer war nochmal Mitka Korschunow? Aber das wird bald klar. Und was er tut, ist nicht zu rechtfertigen.
Seite 485, im 12. Kapitel:
Er war ein nüchtern denkender Mensch, hatte vor dem krieg lange in Rußland gelebt und konnte selbstverständlich durchaus nicht glauben, daß sich in einem halbwilden Land die utopischen Ideen des Kommunismus durchsetzen sollten...
Ähm, ja. Ein Fehler, der (jetzt mal losgelöst vom Kommunismus und allgemein gesehen) immer wieder im Laufe der Geschichte begangen wurde, und begangen wird.Seltsame Zeiten sind gekommen. (Seite 488) In der Tat, das sind sie.
(Fast) immer, wenn Scholochow eine wunderbare Landschaftsbeschreibung bringt, folgt bei den Menschen etwas mehr oder weniger furchtbares. So auch hier auf Seite 494 (Kapitel 13), wo das als Einleitung zum Geständnis Darjas über ihre Krankheit fungiert. Nun also Darja. Was ich mich die ganze Zeit gewundert hat ist, daß es bei all dem, was im Laufe der Zeit so passiert, nicht viel mehr Kinder gibt. Die Pille gab es ja noch nicht, und darauf, daß auf unfruchtbare Zeiten gewartet wurde (so man dort damals davon wußte), liest man auch nichts.
Zu euren Kommentaren später.
Weil es mich jetzt langsam doch interessiert, wie viel von dem Geschilderten den historischen Tatsachen entspricht, habe ich mir als erste Einführung, die sich wegen geringer Seitenzahl rasch „zwischendurch“ lesen läßt, dieses Buch besorgt:
Russische Revolution - Manfred Hildermeier
Vom Zusammenbruch des Zarenreichs über das Februarregime bis zum Oktoberputsch der Bolschewiken, die den Anfang der weltweiten Systemkonkurrenz zwischen marktwirtschaftlich-kapitalistischer Demokratie und planwirtschaftlich-zentralistischem Einheitsstaat markierte.
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Die russische Revolution - Steve A. Smith
Und das hier gleich auch noch.
Die Russische Revolution, die ein Riesenreich in all seinen Lebensbereichen umstürzte, war ein welthistorisches Ereignis, das hier in seinen Voraussetzungen und Folgen analysiert wird. Die Einführung zeichnet, angereichert mit Illustrationen und Quellentexten, den Verlauf dieser Transformation, durch »Kriegskommunismus«, Bürgerkrieg und »Neue Ökonomische Politik«, nach und zeigt, wie in der Praxis der Bolschewiki das Bestreben einer Modernisierung des rückständigen Russland und der Beginn neuer kultureller Ausdrucksformen sich verschränkten mit ideologischer und politischer Lenkung und Unterdrückung.
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Zitat
Original von Lipperin
Auch in diesem Abschnitt wird wieder der große Bogen gespannt von der allgemeinen unruhigen Lage hin zu den kleinen Leuten und ihren Schicksalen. Sie tun mir alle ziemlich leid, sie wollten nichts weiter als ihr Land bestellen, ihr bescheidenes Leben leben und dann werden sie mit Krieg, mit Leiden überzogen, müssen versuchen zu retten, was zu retten ist und sei es auch „nur“ das bisschen Leben, was ihnen bleibt.
Mich beschleicht langsam, aber sehr sicher das Gefühl, daß genau das eines der Themen ist, welches Scholochow in diesem Roman behandeln bzw. aufzeigen wollte. Denn das ist nun wirklich nicht typisch russisch oder sowjetisch, sondern eigentlich überall auf der Welt gleich.Zitat[i]Original von Lipperin
Die Szene, in der einer der Rotarmisten den Wahnsinnigen gibt (in III): Mit wie viel Wärme geschildert, mit wie viel Menschlichkeit die alte Frau an ihm handelt. Auch bei solchen Szenen frage ich mich immer mal wieder, warum Scholochow sie so genau, so wie sie sind, geschrieben hat. Vielleicht, um darzustellen, dass sich Menschlichkeit auch in Zeiten der Unmenschlichkeit nicht gänzlich unterdrücken lässt? Um den Gegensatz zwischen der Mitleidlosigkeit der Soldaten und Kosaken und der zivilen Bevölkerung darzustellen?
Ja, das fand ich auch irgendwie irritierend. Scholochow gilt als linientreu, war im Obersten Sowjet sowie im ZK der KPdSU. Aber so langsam frage ich mich, ob da nicht ach, zwei Seelen in seiner Brust wohnten. Denn das Buch paßt, bis auf wenige Ausnahmen, die diese Regel bestätigen, so überhaupt nicht zu dem, was ich von so einem „strammen Kommunisten“ erwarten würde. Vielleicht sollte er so schreiben, um dem Westen zu zeigen: seht her, so liberal sind wir. Fällt mir aber angesichts des Umfangs des Buches sowie der inneren Geschlossenheit schwer zu glauben.Zitat[i]Original von Karthause
Zitat
Als Aksinja dann noch ein paar Andeutungen fallen ließ, hätte ich von Stepan, so wie ich ihn charakterlich einschätze, erwartet, dass er richtig aufbrausend reagiert und die Zugehörigkeit seiner Ehefrau zu ihm deutlich macht. Hat er schon resigniert?
An der Stelle habe ich auch die Luft angehalten; aber ich denke, er hat resigniert.ZitatOriginal von Karthause
Die Familie bricht auseinander, mit dem Tod von Petro begann der Zerfall. Jetzt hat sich Darja auch noch Syphilis geholt. Man darf gespannt sein wie es weiter geht, im großen Politischen und im kleinen Familiären
Auch wenn das möglicherweise nicht so ganz paßt, doch die Geschichte hat gezeigt, was passieren wird. Es wurde vom Winde verweht...ZitatOriginal von Clare
Ich glaube, wenn ich mirt den Buch durch bin, brauche ich erstmal einen Liebesroman.
Das dachte ich auch. Aber da stehen schon zwei wiederum ernste bis sehr ernste Bücher schlange. Hier das neue Nicole Buch, und anderweitig eine LR zu einem Buch von Francine Rivers mit extrem ernstem und kontroversem Thema. Allerdings habe ich das schon mal gelesen, so daß das in gewisser Weise schon eine Erholung wäre. Oder ich stelle mich auch lesemäßig schon auf „Weihnachtsbetrieb“ um, wie ich das beim Filmegucken schon getan habe.Mal sehen. Im CD-Spieler laufen jedenfalls russische Lieder, und immer wieder die seinerzeit entstandene "Kosakenpatrouille".
Mal sehen...
Edit. Zitate sollten schon korrekt sein ...
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Zitat
Original von SiCollier
Ja, das fand ich auch irgendwie irritierend. Scholochow gilt als linientreu, war im Obersten Sowjet sowie im ZK der KPdSU. Aber so langsam frage ich mich, ob da nicht ach, zwei Seelen in seiner Brust wohnten. Denn das Buch paßt, bis auf wenige Ausnahmen, die diese Regel bestätigen, so überhaupt nicht zu dem, was ich von so einem „strammen Kommunisten“ erwarten würde. Vielleicht sollte er so schreiben, um dem Westen zu zeigen: seht her, so liberal sind wir. Fällt mir aber angesichts des Umfangs des Buches sowie der inneren Geschlossenheit schwer zu glauben.Das habe ich ja an anderer Stelle schon mal ähnlich vermutet. Mittlerweile bin ich mir nicht so sicher, ob es dieses Vorzeigen sein könnte oder nicht. Auch die Sowjetführung und ihre Politik machten in ihrer wechselvollen Geschichte Kehrtwenden durch. Vielleicht viel das Erscheinen des Buches in so eine Phase? Vielleicht war es gerade so ein Abschnitt, in dem man sich von den brutalen Anfängen, als das Volk den Kommunismus erst lernen und verinnerlichen musste, distanzieren wollte.
Zitat[i]Original von Karthause
Zitat
Ich glaube, wenn ich mirt den Buch durch bin, brauche ich erstmal einen Liebesroman.ZitatDas dachte ich auch. Aber da stehen schon zwei wiederum ernste bis sehr ernste Bücher schlange. Hier das neue Nicole Buch, und anderweitig eine LR zu einem Buch von Francine Rivers mit extrem ernstem und kontroversem Thema. Allerdings habe ich das schon mal gelesen, so daß das in gewisser Weise schon eine Erholung wäre. Oder ich stelle mich auch lesemäßig schon auf „Weihnachtsbetrieb“ um, wie ich das beim Filmegucken schon getan habe.
Mal sehen. Im CD-Spieler laufen jedenfalls russische Lieder, und immer wieder die seinerzeit entstandene "Kosakenpatrouille".
Mal sehen...
Ähm, der von dir zitierte Satz war nicht von Kartause, sondern von mir, Clare. ;-):wave
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Zitat
Original von Clare
1) Das habe ich ja an anderer Stelle schon mal ähnlich vermutet. Mittlerweile bin ich mir nicht so sicher, ob es dieses Vorzeigen sein könnte oder nicht.
(...)
2) Ähm, der von dir zitierte Satz war nicht von Kartause, sondern von mir, Clare. ;-):wave
Zu 1). Ich denke, diese Überlegungen zum Buch werden zu keinem abschließenden Ergebnis führen. Ggf. sollten wir im letzten Abschnitt nochmals darauf zurückkommen (wenn die ganze Handlung bekannt ist). Wäre sicherlich ein interessanter Diskussionspunkt.Zu 2). Entschuldigung. Ist mir beim "kopieren & einfügen" der Steuerbefehle ein Mißgeschick passiert, lies ich habe vergessen, den Nicknamen auszutauschen. Ist berichtigt!
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Grigori und seine zwei Frauen, das ist für mich schwer nachzuvollziehen. Ich kann nur darüber spekulieren.
Klar ist, dass er Axinja sexuell anziehend findet, aber ich denke, das ist es nicht allein. Ich denke, dass ihm auch ihr Mut imponiert.
Zu Natalja hat er vor langer Zeit gesagt, dass er sie nicht liebt. Dennoch ist offensichtlich, dass sie ihm nicht gleichgültig ist. Er sorgt sich um sie. Ich denke nicht, dass das nur wegen der Kinder ist. Ob das Freundschaft ist oder hat sich im Laufe der Zeit doch etwas anderes entwickelt?
Überhaupt ändert sich Grigori gerade. Ich finde, er wird weicher. Oder ist das nur seine andere Seite, die gerade mehr zum Vorschein kommt?
Vor nicht allzu langer Zeit sagte er noch, er wäre so kaputt, dass ihm nicht einmal die Kinder sehr leid tun. Jetzt weint er beim Abschied von seiner Familie. Kurz darauf will er sogar eine ihm völlig unbekannte tote Frau begraben.
Der ganze Krieg kommt ihm so sinnlos vor. Er hat keine Motivation mehr, sein Leben zu riskieren.
Etwas schmunzeln musste ich bei der Unterhaltung über das, was einen wahren Offizier ausmacht, also Umgangsformen, Ausdrucksweise, gepflegtes Äußeres. Da schneidet Grigori schlecht ab. Er benützt kein Taschentuch, verwendet Fremdwörter falsch. Statt evakuieren sagt er ekuieren etc. Mit einem Wort, ein Bolschewik eben.
Auch später wird klar, dass die einfache Dorfbevölkerung bei einem Offizier Wert auf Äußerlichkeiten legt. Held muss er nicht unbedingt sein. Das ist sicher mit ein Grund, warum die Kosaken mit der Gleichmacherei der Bolschewiken nicht klar kommen.
Sehr gewundert hat mich, dass Maultiere in der Bevölkerung unbekannt waren.
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Grigori deutet an, dass er irgendwann mal zu den Roten wechselt. Das hat sich nicht nach einem Scherz angehört. Aber so einfach kann man doch nicht die Seiten wechseln, noch dazu, wenn einem ein Ruf vorauseilt. Ich denke, das könnte lebensgefährlich sein.
Dann ist mir noch ein Satz aufgefallen. Grigori diskutiert mit Kopylow, einem gebildeten Offizier, über die Einmischung des Auslands in den Bürgerkrieg. Grigori sagt: „Ich fühle, mein Lieber, dass du hier unrecht hast, aber ich kann es dir nicht beweisen.“
Nun ja, Gefühl als Argumention ist gefährlich. Die Populisten benützen genau das.
Andererseits bleibt man manchmal in einer Diskussion hängen, weil einem die Eloquenz fehlt oder man die Argumente gerade nicht parat hat. Erst später in einer ruhigen Minute fallen sie einem ein. Dann ärgert man sich, dass es jetzt zu spät ist.