Hier kann zum 4. Buch, 1. Teil - Kapitel 14 - 29 geschrieben werden.
'Der Stille Don' - 4. Buch, 1. Teil - Kapitel 14 - 29
-
-
Entschuldigung, wenn ich ein bisschen vorpresche, aber ich bin durch.
Zum vorletzten Abschnitt:
Unglück über Unglück – nicht allein durch den Bürgerkrieg, sondern man macht sich das Leben auch so noch schwer. Darja macht sich und andere unglücklich durch Wort und Handlung. Natalja wird unglücklich gemacht und handelt, wie ich es von ihr eigentlich nicht erwartet hätte. Ein bisschen kann ich aber beide verstehen, Natalja allerdings weniger als Darja. Wie unglücklich muss sie sein trotz ihrer beiden Kinder. „Nun hatt meine Seele Ruh ...“ sagt sie. Ob sie es auch so meint? Und ob es wohl stimmen würde, wenn sie die Abtreibung überlebt hätte?
Dass Grigori schwer an diesem Ereignis, an dem er sich in meinen Augen durchaus mitschuldig gemacht hat, schwer zu knabbern hat, hatte ich erwartet, wenn ich ehrlich bin, auch ein bisschen gehofft. Es macht ihn für mich wieder ein Stück weit menschlicher. Aber bedauere ich ihn …?
Hochachtung hatte ich beim Lesen über das Verhör des „roten Kommandeurs“ (in XV) für nämlichen, auch wenn Herr Scholochow das schon ziemlich … sagen wir einseitig dargestellt hat. Die Achtung gilt, um das vielleicht zu erläutern, dem Mut eines Gefangenen, der nichts mehr zu erwarten hat, weniger dem politische Agieren des Kommunisten, Bolschewisten oder was auch immer da vor dem Verhörenden steht.
Mir fällt auf, dass die Kosaken in diesem Abschnitt doch negativer dargestellt werden, so wird über Plünderungen, Vergewaltigungen, eigenmächtigen „Urlauben“ etc. (z. B. in XIX) berichtet. Sie müssen ihre Lieder zu Gehör bringen, „aus Not singen wir“ (ja, das ist nicht unbedingt negativ, aber vorher wurde der Grund nie erwähnt, da wurde aus Spaß an der Freud gesungen, hatte ich den Eindruck, oder um mit Trauer klarzukommen, aber nie, um etwas dafür zu bekommen). Die „Trinkszene“, um es verharmlosend auszudrücken, (immer noch in XIX, meine Ausgabe ab Seite 705) habe ich als noch eine Steigerung gegenüber den bisherigen Gelagen empfunden, gerade auch weil ein Verbündeter dabei ist. Kurz vorher wird erwähnt „... soffen die Offiziere Tag und Nacht“. Ein bisschen nachdenklich stimmen mich diese Schilderungen schon – und ich habe mich gefragt, wie es eigentlich unter Stalin mit der Duldung von Alkoholismus aussah. Dass man in Russland … ähem … trinkfreudig war, ist mir bekannt. Es fällt mir aber doch mehr und mehr auf, dass Scholochow die Trinkerei nicht positiv schildert, sondern eher – mehr oder weniger versteckt – auf ihre Gefahren aufmerksam macht.
Im Gegensatz dazu werden die Roten deutlich positiver, menschlicher dargestellt (nicht zuletzt in XXIII „... dass die Roten der Bevölkerung nichts wegnähmen und die Lebensmittel, die sie sich geben ließen … freigebig mit Sowjetgeld bezahlten“). Das wundert mich zwar alles nicht, es fällt halt nur zunehmend auf.Aber in diesem Abschnitt merkt man sehr deutlich, zu welcher Zeit wenigstens dieser Teil des Romans geschrieben wurde: Trotzki wird erwähnt, zum ersten Mal in XX (in meiner Ausgabe Seite 713), da klingt das noch recht neutral, aber ein wenig weiter, nämlich am Ende von XX wird der Autor deutlich: „die verderbliche Auswirkung des verräterischen Plans Trotzkis...“ (Seite 717).
Im Gegenzug wird in XXIII (gegen Ende) „Genosse Stalin“ doch sehr lobend erwähnt, sogar sein „historischer Brief an Lenin“ wird zitiert.Die kleinen mehr oder weniger häuslichen Szenen, z. B. Pantelejs Unbeherrschtheit in XXI (Seite 722 ff.), die Szenen mit den Kindern, die „Beerdigungsszene“ für Darja etc. wirken oftmals auf mich wie ein Blick auf eine untergegangene Zeit. Scholochow wollte sicherlich auch zeigen, wie rückständig diese bäuerlich/ländliche Kultur war, wie wenig „entwicklungsfähig“ die Kultur der Kosaken, aber auf mich wirkt das heute doch sehr anders.
Die immer wieder aufblitzende „Bauernschläue“ (z. B. Prochors Schilderung in XXV, Seite 767ff.) wirkt auf mich keinesfalls negativ; gewusst hätte ich nur gerne, wie das eigentlich damals in der Sowjetunion angekommen ist.Nun flüchtet man also doch (in XXVI), Grigori nimmt Aksinja mit, diese wird krank und in einem Dorf zurückgelassen; dafür findet er seinen Vater, aber dieser ist gestorben. Die Szene, in der das Wiedersehen des Sohnes mit dem toten Vater beschrieben wird (in XXVII, Seite 796), habe ich als selten eindrücklich empfunden: Die Vermischung der Trauer und vermutlich auch Rührung mit dem „Grauen und Ekel“, all das in ein paar Sätzen untergebracht!
Am Ende des Abschnitts will wieder alles flüchten. Szenen, die sich wiederholen, nicht nur im Buch, sondern zu allen Zeit, in anderen Ländern. Manche haben Glück, viele müssen blieben. Manche dürfen leben, viele müssen sterben, manche verzweifeln.
-
Zitat
Original von Lipperin
Entschuldigung, wenn ich ein bisschen vorpresche, aber ich bin durch.
...
Ich werde mich bemühen aufzuschließen. -
Zitat
Original von LipperinUnglück über Unglück – nicht allein durch den Bürgerkrieg, sondern man macht sich das Leben auch so noch schwer. Darja macht sich und andere unglücklich durch Wort und Handlung. Natalja wird unglücklich gemacht und handelt, wie ich es von ihr eigentlich nicht erwartet hätte. Ein bisschen kann ich aber beide verstehen, Natalja allerdings weniger als Darja. Wie unglücklich muss sie sein trotz ihrer beiden Kinder. „Nun hatt meine Seele Ruh ...“ sagt sie. Ob sie es auch so meint? Und ob es wohl stimmen würde, wenn sie die Abtreibung überlebt hätte?
Dass Grigori schwer an diesem Ereignis, an dem er sich in meinen Augen durchaus mitschuldig gemacht hat, schwer zu knabbern hat, hatte ich erwartet, wenn ich ehrlich bin, auch ein bisschen gehofft. Es macht ihn für mich wieder ein Stück weit menschlicher. Aber bedauere ich ihn …?
Nataljas Handeln sehe ich als eine Kurzschlussreaktion. Aksinja hat ihr erzählt, dass das Verhältnis zu Grigori wieder aufgelebt ist. Sie hat nicht das Selbstbewusstsein und wohl auch nicht die Kraft, um um den Mann, den sie liebt zu kämpfen. Sie sieht sich von vorn herein als die Verliererin. Vielleicht entscheidet sie sich auch so, weil sie Grigori nicht durch ein weiteres Kind an sich binden möchte. Und wenn er sich wirklich für die Geliebte entscheiden würde, stände sie mit 3 Kindern allein da. Sie hat sicher nicht mit solchen Folgen gerechnet. Ich denke, hätte sie das einkalkuliert, wäre ihre Entscheidung wohl im Sinne ihrer Kinder eine Andere gewesen. Aber an was für eine Frau ist sie da geraten, die ihr solch Verletzungen zufügt, wie sie der Feldscher festgestellt hat.
An Grigori geht es nicht spurlos vorbei, trotz all der Grausamkeiten, die er erlebt und selbst begangen hat, ist er doch im Herzen noch ein Mensch geblieben. Allerdings, wenn er mit den Kindern spielt und spricht, geht es doch in erster Linie um seinen Sohn.
ZitatOriginal von Lipperin
Mir fällt auf, dass die Kosaken in diesem Abschnitt doch negativer dargestellt werden, so wird über Plünderungen, Vergewaltigungen, eigenmächtigen „Urlauben“ etc. (z. B. in XIX) berichtet.Das ist dann auch für mich die reinste Propaganda. Er hat das schon recht subtil gemacht und versucht die Ideologie über die Gefühlsebene zu vermitteln. Solche Taten stoßen den Leser einfach ab, obwohl die Roten auch nicht zimperlich dargestellt werden, kommen sie doch deutlich besser weg.
ZitatOriginal von Lipperin
Nun flüchtet man also doch (in XXVI), Grigori nimmt Aksinja mit, diese wird krank und in einem Dorf zurückgelassen; dafür findet er seinen Vater, aber dieser ist gestorben. Die Szene, in der das Wiedersehen des Sohnes mit dem toten Vater beschrieben wird (in XXVII, Seite 796), habe ich als selten eindrücklich empfunden: Die Vermischung der Trauer und vermutlich auch Rührung mit dem „Grauen und Ekel“, all das in ein paar Sätzen untergebracht!Obwohl Aksinja krank und für Grigori sicher eine Last war, fiel es ihm nicht allzu schwer, sie zurückzulassen. Ob er sie wiedersehen würde, stand ja in den Sternen. Als er dann bei seinem toten Vater war, fand auch ich diese Szenen als sehr tief und auch rührend. Es war eine der wenigen Szenen im Buch in denen ich mehr war, als bloßer neutraler Beobachter.
Du hast recht, es ist immer noch das Gleiche. Es wird gekämpft, bekriegt, Menschen schießen aufeinander, ob im Namen der Ideologie oder der Religion, mitunter auch innerhalb dieser. Menschen leiden, werden verletzt, verstümmelt, getötet, als ob man nie lernen würde.
PS: Ich bin auch durch.
-
Zitat
Aber in diesem Abschnitt merkt man sehr deutlich, zu welcher Zeit wenigstens dieser Teil des Romans geschrieben wurde: Trotzki wird erwähnt, zum ersten Mal in XX (in meiner Ausgabe Seite 713), da klingt das noch recht neutral, aber ein wenig weiter, nämlich am Ende von XX wird der Autor deutlich: „die verderbliche Auswirkung des verräterischen Plans Trotzkis...“ (Seite 717). Im Gegenzug wird in XXIII (gegen Ende) „Genosse Stalin“ doch sehr lobend erwähnt, sogar sein „historischer Brief an Lenin“ wird zitiert.
Als ich diesen Kommentar las kam ich doch sehr ins grübeln. Hatte ich etwas überlesen, Kapitel einfach überblättert. Jetzt habe ich noch einmal ins Buch gesehen, es steht nicht drin, weder ist Trotzki erwähnt, noch Stalin und schon gar nicht der historische Brief an Lenin. Ich lese die 9. Auflage von 1975 der Ausgabe des Verlags Volk und Wissen von 1966. Hinten im Buch steht:
"Der deutschen Fassung des vierten Buches liegt eine Übersetzung von Emmanuel Margolis und Regina Czora zugrunde, die 1961 nach der russischen Ausgabe von 1957 überarbeitet wurde."
-
Zitat
Original von Lipperin
Dass Grigori schwer an diesem Ereignis, an dem er sich in meinen Augen durchaus mitschuldig gemacht hat, schwer zu knabbern hat, hatte ich erwartet, wenn ich ehrlich bin, auch ein bisschen gehofft. Es macht ihn für mich wieder ein Stück weit menschlicher. Aber bedauere ich ihn …?
Nataljas tragischer Tod hat mich erschüttert, zumal er so sinnlos war. Ich denke nicht, dass Grigori sie wirklich verlassen hätte. Seine Schuldgefühle sind groß, und ich kaufe sie ihm auch ab. Solange Natalja da war, hat er, obwohl er sich ihr immerhin ein wenig angenähert hatte, ihr Liebe als selbstverständlich genommen. Es ist wie mit den Dingen, die man erst vermisst, wen man sie nicht mehr hat.
Bedauere ich ihn? Ja, ich bedauere ihn!ZitatHochachtung hatte ich beim Lesen über das Verhör des „roten Kommandeurs“ (in XV) für nämlichen, auch wenn Herr Scholochow das schon ziemlich … sagen wir einseitig dargestellt hat. Die Achtung gilt, um das vielleicht zu erläutern, dem Mut eines Gefangenen, der nichts mehr zu erwarten hat, weniger dem politische Agieren des Kommunisten, Bolschewisten oder was auch immer da vor dem Verhörenden steht.
Diese Szene war schon sehr zielgerichtet inszeniert und sehr einseitig, wie beabsichtigt. Auf der einen Seite der standhafte, geistig und moralisch überlegene, wortgewandte Rotarmee-Offizier, auf der anderen der etwas nervige Verhörer, unsympathisch und in seinen Entscheidungen zweifelhaft. Ein Moment der Propaganda im Roman ...
Ich bin noch nicht fertig mit dem Abschnitt, später mehr.
-
Zitat
Original von Clare
Diese Szene war schon sehr zielgerichtet inszeniert und sehr einseitig, wie beabsichtigt. Auf der einen Seite der standhafte, geistig und moralisch überlegene, wortgewandte Rotarmee-Offizier, auf der anderen der etwas nervige Verhörer, unsympathisch und in seinen Entscheidungen zweifelhaft. Ein Moment der Propaganda im Roman ...
Einer der klar erkennbaren Momente; Scholochow macht das schon ziemlich geschickt.
Ziemlich sicher bin ich mir, dass es nicht nur bei den Roten solche Mutigen gab. -
Zitat
Original von Karthause
Als ich diesen Kommentar las kam ich doch sehr ins grübeln. Hatte ich etwas überlesen, Kapitel einfach überblättert. Jetzt habe ich noch einmal ins Buch gesehen, es steht nicht drin, weder ist Trotzki erwähnt, noch Stalin und schon gar nicht der historische Brief an Lenin. Ich lese die 9. Auflage von 1975 der Ausgabe des Verlags Volk und Wissen von 1966. Hinten im Buch steht:
"Der deutschen Fassung des vierten Buches liegt eine Übersetzung von Emmanuel Margolis und Regina Czora zugrunde, die 1961 nach der russischen Ausgabe von 1957 überarbeitet wurde."
Schau an!
Das darf man dann wohl der geänderten politischen Situation in der Sowjetunion geschuldet ansehen... -
Zitat
Original von Lipperin
Schau an!
Das darf man dann wohl der geänderten politischen Situation in der Sowjetunion geschuldet ansehen...Ich habe jetzt auch gerade gedacht, dass ich es vielleicht überlesen habe, aber nein. Ich habe nachgeschaut, und auch bei mir findet sich weder die Erwähnung Trotzkis, noch der Name Stalins und auch kein Brief an Lenin.
-
Zitat
Original von Karthause
...
Obwohl Aksinja krank und für Grigori sicher eine Last war, fiel es ihm nicht allzu schwer, sie zurückzulassen. Ob er sie wiedersehen würde, stand ja in den Sternen. Als er dann bei seinem toten Vater war, fand auch ich diese Szenen als sehr tief und auch rührend. Es war eine der wenigen Szenen im Buch in denen ich mehr war, als bloßer neutraler Beobachter.Du hast recht, es ist immer noch das Gleiche. Es wird gekämpft, bekriegt, Menschen schießen aufeinander, ob im Namen der Ideologie oder der Religion, mitunter auch innerhalb dieser. Menschen leiden, werden verletzt, verstümmelt, getötet, als ob man nie lernen würde.
PS: Ich bin auch durch.
Also, dass es ihm nicht schwer gefallen ist, Aksinja krank zurückzulassen, sehe ich nicht so. Versucht er alles, um ihr ein Quartier zu verschaffen, was ja wohl auch das Mindeste ist. Aber es steht auch geschrieben:
"Grau und freudlos schleppten sich die Tage dahin. Seit Grigori Aksinja zurückgelassen hatte, verlor er jedes Interesse für das, was um ihn vorging..."
Ich denke nicht, dass ihm das so gleichgültig gewesen sein kann. Sie ist so etwas wie sein Schicksal, mag das nun gut oder schlecht oder unbequem oder unmoralisch sein. -
Sorry, daß ich so abgetaucht war. Ich habe gelesen. Ausgelesen.
Im 15. Kapitel (S. 504ff), die Verhörszene mit den „Erklärungen“ über den Oberst war interessant. Sowohl, was das Verhalten Grigoris betrifft als auch das, was über den Obersten gesagt wurde. Sicher ist das nun gefärbt, dürfte aber dennoch das Denken vieler Damaliger recht genau treffen.
Was ich aus diesem Buch gelernt habe ist, daß die Revolution in Rußland nicht über Nacht vonstatten ging, sondern heftige und länger dauernde Kämpfe zur zur Folge hatte. Mich wundert, daß das damals im Deutschen Reich so relativ glatt über die Bühne ging, die Revolution meine ich. Zwar habe ich keine großen Detailkenntnisse, aber von solchen Kämpfen, hätte es sie in Deutschland gegeben, hätte man in der Schule doch hören müssen.
Und dann, im 16. Kapitel (S. 519) bricht es aus Natalja heraus und sie verflucht ihren Mann. Da wird ihr ganzes Leid in wenigen Sätzen beschrieben. Was für eine Szenei!
Im Kapitel 17 (S. 535) dann vielleicht eine (Teil-) Erklärung, weshalb man keinen Hunger litt: es wurde genügend versteckt.
Im Kapitel 21 (S. 564), als Pantelej Prokofjewitsch seine Anfälle hatte, mußte ich unwillkürlich an das reale Leben denken. Solche Szenen (nicht unbedingt das Kaputtschlagen, aber das Anbrüllen) konnte man hier im Nachbarhof auch öfters hören.
Ein paar Seiten weiter ein schlechtes Omen: Pantelej Prokofjewitsch verabschiedet sich auf eine Weise, die nichts Gutes verheißen läßt.
Im Kapitel 23 (S. 578) dann eine möglicherweise propagandistisch eingefärbte Stelle, als darauf hingewiesen wird, daß die Roten niemandem von der Zivilbevölkerung zu nahe treten würden und auch nicht an Rache denken würden.
Kapitel 26, Seite 608:
Es ist ja ganz egal, wo man stirbt, überall ist es bitter...
Ich fürchte, solche Bitterkeit steht uns noch einige bevor.Und dann wirklich, ein paar Seiten weiter (621): Pantelej Prokofjewitsch! Mir war zu Lesebeginn schon bewußt, daß am Ende nicht mehr viele übrige bleiben. Aber ihn hatte ich, nach dem Motto „Unkraut vergeht nicht“, wirklich nicht auf der Todesliste stehen.
Zu euren Posts später mehr.
-
Zitat
Original von Lipperin
Mir fällt auf, dass die Kosaken in diesem Abschnitt doch negativer dargestellt werden, so wird über Plünderungen, Vergewaltigungen, eigenmächtigen „Urlauben“ etc. (z. B. in XIX) berichtet.
Die zunehmende „Verwahrlosung“ der Kosakenarmee ist mir auch aufgefallen. Allerdings geht das Buch fast nur noch aus deren Sicht; was die Roten alles tun, erfahren wir praktisch nicht. Meine Kenntnisse über jene Zeit sind - leider - relativ begrenzt. Vieles, was ich in diesem Buch lese, ist für mich neu. Aber wenn ich an andere Kriegsbeschreibungen auch aus anderen Ländern denke, erscheint mir das durchaus realistisch, was Scholochow da schreibt. Sicher hat es ihm in den Kram gepaßt, dennoch neige ich dazu davon auszugehen, daß das weitgehend der Wahrheit entspricht.Zumindest ein paar Namen und Ereignisse konnte ich beim diagonalen Reinlinsen in eines der früher erwähnten Bücher über die Russische Revolution schon dort finden. Vielleicht findet sich auch zu diesem Thema etwas mehr.
ZitatOriginal von Lipperin
Dass man in Russland … ähem … trinkfreudig war, ist mir bekannt.
Ähem - ist. Ich entsinne mich, daß es vor einigen Jahren deutliche Verstimmung aus Rußland gab, weil es einen Wodka Gorbatschow gibt, und die Werbung dafür den (damaligen) dortigen Bemühungen, den Alkoholkonsum in Rußland zu reduzieren, entgegenlief (eben durch den Namen „Gorbatschow“, man erinnere sich an Michail Sergejewitsch Gorbatschow).ZitatOriginal von Karthause
Nataljas Handeln sehe ich als eine Kurzschlussreaktion. Aksinja hat ihr erzählt, dass das Verhältnis zu Grigori wieder aufgelebt ist. Sie hat nicht das Selbstbewusstsein und wohl auch nicht die Kraft, um um den Mann, den sie liebt zu kämpfen. Sie sieht sich von vorn herein als die Verliererin.
So habe ich das auch verstanden. Sie will das behalten, was sie hat (2 Kinder), aber keine weiteren Lasten dazu.ZitatOriginal von Karthause
Du hast recht, es ist immer noch das Gleiche. Es wird gekämpft, bekriegt, Menschen schießen aufeinander, ob im Namen der Ideologie oder der Religion, mitunter auch innerhalb dieser. Menschen leiden, werden verletzt, verstümmelt, getötet, als ob man nie lernen würde.
Die Hoffnung, daß „der Mensch“ einmal etwas Wesentliches aus der Geschichte lernenn würde, habe ich auch längst aufgegeben. Geradezu gespenstisch, im Anbetracht dieser Lektüre, wirkt auf mich die Entwicklung Türkei/Syrien. Wie gesagt, nix gelernt.ZitatOriginal von Karthause
Jetzt habe ich noch einmal ins Buch gesehen, es steht nicht drin, weder ist Trotzki erwähnt, noch Stalin und schon gar nicht der historische Brief an Lenin. Ich lese die 9. Auflage von 1975 der Ausgabe des Verlags Volk und Wissen von 1966.
Diese von Lipperin erwähnten Stellen habe ich auch im Buch, incl. einem längeren Auszug aus dem Brief als Anmerkung. Da war ich mir nicht sicher, ob das von Scholochow stammte oder eine Zugabe der Übersetzer/des dt. Verlages ist.ZitatOriginal von Clare
Ich denke nicht, dass ihm das so gleichgültig gewesen sein kann. Sie ist so etwas wie sein Schicksal, mag das nun gut oder schlecht oder unbequem oder unmoralisch sein.
Er mußte sie zurücklassen, weil sie nicht mehr reisefähig war. Eine Weiterfahrt wäre für sie auf jeden Fall tödlich gewesen, nur durch das Zurücklassen hatte sie eine Chance zu überleben. Allerdings habe ich zu diesem Zeitpunkt des Buches nicht damit gerechnet, daß sie überlebt.@ Karthause und Lipperin
Das Thema „Propaganda“ könnten wir vielleicht im letzten Abschnitt nochmals aufnehmen, wenn man das gesamte Buch in Betracht ziehen kann; denn insgesamt sehe ich es anscheinend etwas anders als ihr.
-
Zitat
Original von SiCollier
Ähem - ist. Ich entsinne mich, daß es vor einigen Jahren deutliche Verstimmung aus Rußland gab, weil es einen Wodka Gorbatschow gibt, und die Werbung dafür den (damaligen) dortigen Bemühungen, den Alkoholkonsum in Rußland zu reduzieren, entgegenlief (eben durch den Namen „Gorbatschow“, man erinnere sich an Michail Sergejewitsch Gorbatschow).Entschuldigung - ja, ich weiß, aber ich wollte niemandem zu nahe treten ...
-
Zitat
Original von SiCollier
...
@ Karthause und LipperinDas Thema „Propaganda“ könnten wir vielleicht im letzten Abschnitt nochmals aufnehmen, wenn man das gesamte Buch in Betracht ziehen kann; denn insgesamt sehe ich es anscheinend etwas anders als ihr.
Also, wirklich Propaganda kann ich nicht in diesem Roman sehen. Da musste ich in der Schulzeit ganz andere Kaliber lesen, die fast in der gleichen Zeit entstanden sind oder sogar früher.
-
@ Lipperin
Da war ich wohl zu voreilig bzw. päpstlicher als der Papst - Entschuldigung.@ Clare
Mir ist bewußt, daß "Propaganda" hier ein nicht ganz passender Begriff ist, mir ist aber auf die Schnelle kein anderer eingefallen. -
16.
Was für ein wuchtiges Kapitel! Vor einer Gewitterkulisse fleht Natalja Gottes Strafe auf Grigori herab wegen seiner Untreue und wünscht ihm den Tod. Da lief ein Film vor meinen Augen ab. Gruslig! Ich hätte ihr das nicht zugetraut. Allerdings erfährt der Leser erst später, dass sie schwanger ist und das Kind nicht haben will. Ich glaube, sie ist am Ende ihrer Kräfte.
Und dann geht sie zu einer „Engelmacherin“. Die leistet ganze Arbeit und erzeugt zwei neue Engel, nämlich Kind und Mutter.
Und wieder klingt durch, dass bei einem Fremdgehen des Ehemannes nicht der Mann schuld ist, sondern die böse Geliebte, die der betrogenen Ehefrau den Mann wegnimmt und den Kindern den Vater. Was soll das? In erster Linie ist doch der Mann für seine Familie verantwortlich und nicht die Geliebte.
-
Seit hunderten von Seiten warte ich darauf, dass erklärt wird, wie Grigori zu seiner Frau Natalja steht. Jetzt spricht er es in wenigen Sätzen aus: Anfangs hat er sie nicht geliebt. Kein Wunder bei einer aufgezwungenen Ehe. Er hat auch seine Kinder nicht geliebt. Erst als die anfingen, ihm ihre Liebe zu zeigen, entstand bei ihm Liebe ihnen gegenüber, und als Folge davon auch gegenüber Natalja.
So einfach? Also das kann ich nicht nachvollziehen, aber ich lass das einfach mal so stehen.
Von Axinja kann er aber trotzdem nicht lassen.
Ich habe den Eindruck, dass Grigori jetzt weicher wird. Er wollte auch eine ihm völlig unbekannte Tote begraben. Beim Abschied von seiner Familie weint er.
-
Sehr schön ist Pantelejs Charakter beschrieben. Seine Wutausbrüche nach Nataljas und Darjas Tod zeigen seine ganze Hilflosigkeit. Er zertrümmert Gegenstände und danach sagt er, sie waren eh nichts wert. Dabei kommt trotz der wirklich tragischen Situation ein bisschen Komik rüber.
Schlitzohrigkeit zeigt er, als er nach mißglückter Desertation demütig seinen Vorgesetzten einlullt und somit glimpflich davonkommt. Er verspricht hoch und heilig, so etwas nie wieder zu tun, um sofort, nachdem er bei der Tür draußen ist, erneut abzuhauen, mit dem Vorsatz, sich diesmal nicht so dumm anzustellen.
Scholochow malt immer wieder ein Bild der Mentalität der Kosaken. Sie fluchen, beschimpfen einander, auch Ehepaare, Frauen sind nicht besser als Männer. Auch Prochor schimpft auf die Frauen im allgemeinen und Axinja im besonderen. Doch als es ihr sehr schlecht geht, kümmert er sich sehr herzlich um sie, obwohl er ihr zu überhaupt nichts verpflichtet ist.
Wird Axinja überleben?
Gegen Ende dieses Abschnitts bekommen wir noch ein wunderschönes Stimmungsbild: eine Wagenkolonne, Regen, Wind, Matsch, die Steppe in undurchdringlicher Finsternis, ab und zu ein Stern. Und dann Gesang der Kosaken, Nostalgie, Verklärung der Vergangenheit. Großartig.