Georg Schramm: Lassen Sie es mich so sagen... Dombrowski deutet die Zeichen der Zeit
ISBN: 9783453600928
Heyne Verlag, 268 Seiten, 8.95 €
Über den Autor:
Georg Schramm, 1949 geboren, studierte nach seinem Abitur und seiner Zeit bei der Bundeswehr Psychologie. Nach zwölfjähriger Tätigkeit als Diplom-Psychologe betätigt er sich seit 1988 ausschließlich als Kabarettist. Er erhielt mehrere Auszeichnungen (u.a. Deutscher Kleinkunst-Preis, Deutscher Kabarett-Preis, Salzburger Stier und Schweizer Kabarett-Preis Cornichon). Im TV ist er vor allem durch seine Tätigkeiten bei „Scheibenwischer“ und „Neues aus der Anstalt“ bekannt.
Inhalt:
Den Selbstgerechten ordentlich auf den Schlips treten. Kaum einer kann das hierzulande derzeit besser als Georg Schramm. Wie auf der Bühne, so beweisen seine geschliffenen Pointen in seinem ersten Buch, dass politisches Kabarett der alten Prägung auch heute ein breites Publikum finden kann. In der vorliegenden, kommentierten Best-of-Sammlung deuten drei seiner Figuren die Geschichte jeweils in ihrem Sinn: der Rentner Dombrowski, Oberstleutnant Sanftleben und das sozialdemokratische Urgestein August, die Kabarett-Fans ja bereits von der Bühne kennen.
Rezension:
In insgesamt 15 Kapiteln, mal kurz, mal lang, rekapituliert Georg Schramm auf unterhaltsamste Art und Weise weite Teile seiner bisherigen Karriere als Kabarettist. Dabei bedient er sich einigen Alter-Egos, die man auch schon durch seine TV Auftritte kennt. Die Hauptrolle in diesem Buch übernimmt dabei der Rentner Dombrowski, der seine geistige Heimat in Preußen sieht. Die Preußen sind es auch, die immer wieder in diesem Werk erwähnt werden, sei es durch passende Zitate oder spitzfindige Vergleiche.
Das Buch beginnt nicht mit einer Einleitung, sondern einer Rechtfertigung. Man erfährt als Leser, warum Georg Schramm (oder doch Dombrowski?) überhaupt auf die Idee gekommen ist, ein Buch zu schreiben. Im anschließenden Kapitel findet sich eine kleine Sammlung von Reden, die Dombrowski zu bestimmten früheren Anlässen hielt. Atomare Bedrohung, Wohltätigkeitsveranstaltungen oder eine Hochzeit - nichts ist vor Schramm/Dombrowski sicher.
Nach diesem munteren Einstieg folgt der stärkste Teil des Buches: Gedanken über Preußen, Anmerkungen über die Revolution von 1848 sowie das Verhältnis zwischen den Deutschen und dem Krieg (inklusive einem erschütterten Kapitel über die Haltung der Deutschen im Balkankrieg). Was Schramm/Dombrowski hier schreibt, ist keine Satire mehr. Keine Polemik. Keine Comedy. Nein, es ist etwas besseres, etwas höheres: Es ist ein schmerzlicher Blick auf die Wahrheit, auf die Politik, auf die Gesellschaft, ohne dabei aber den humoristischen Seitenhieb zu vergessen:
"Ich besuchte Friedrichs Grab im Sommer 1992, ein Jahr nach Überführung seiner sterblichen Reste nach Sanssouci, den Ort, an dem er sich die letzte Ruhe gewünscht hatte. Bedauerlicherweise störte damals Bundeskanzler Kohl durch seine Anwesenheit die letzte Ruhe Friedrichs, der in seinem Testament gebeten hatte, allein bestattet zu werden. Der gelernte Historiker Kohl, der seine Doktorarbeit über das historisch bedeutende Thema 'Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiederentstehen der Parteien nach 1945' geschrieben hatte, wollte am Grab etwas vom Glanz des Preußenkönigs auf sich fallen lassen, wohl wissend, dass die eigene Leuchtkraft gerade mal reichte, um nachts heimlich den Bimbes in seinen schwarzen Kassen zu zählen." (Seite 41)
Im darauf folgenden Kapitel wirft Schramm/Dombrowski einen Blick auf die Sozialdemokratie und deren stetigen Niedergang. Hierbei bedient sich Schramm des Alter-Egos August, den unverbesserlichen SPD-Sympathisanten. In diesem Abschnitt wird allerdings zum ersten Mal deutlich, dass diese Figur ihre ganze Vielfalt nur auf der Bühne zeigen kann. In schriftlicher Form fehlt einfach die Mimik, die Betonung, der gespielte Ärger.
Danach widmet sich Schramm wieder allgemeineren Themen, beispielsweise den Banken und der von der Union ausgegebenen Leitkultur. Dazu gibt es immer wieder kurze Hintergrundinformationen (die übrigens sehr interessant zu lesen sind!) über seine Tätigkeit bei der Show "Scheibenwischer". Als besonderen Bonus kann man dazu auch die die Abschiedsrede von Schramm zur letzten Sendung nachlesen, eine Abrechnung mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und dessen Verhältnis zur Politik.
"Diese Politkasperle dürfen auf der Bühne der öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Christiansen und Illner ihre Sprechblasen entleeren, und wenn es nach Verrichten ihrer intellektuellen Notdurft noch nachtröpfelt, dann können sie sich noch bei Beckmann und Kerner an der emotionalen Pissrinne unters Volk mischen!" (Seite 154)
Im Anschluss sinniert Schramm/Dombrowski über TV Shows wie Big Brother und versucht zu erklären, was ein Sportmoderator eigentlich für eine Funktion inne hat. Wenn er denn überhaupt eine hat. Auch eine umfassende Beleuchtung des sogenannten "Schicksalswahljahres" 2005 darf an dieser Stelle natürlich nicht fehlen, bevor Schramm/Dombrowski sein Buch mit drei Kapiteln über die Gesundheitspolitik sowie dem zunehmenden Verdruss gegenüber Demonstrationen beendet. Im Abschnitt über die Gesundheitspolitik tritt ein weiteres Mal der Sozialdemokrat August in Erscheinung, der allerdings auch hier wieder in rein schriftlicher Form nicht so recht in die Gänge kommen will.
Fazit: Georg Schramm hat mit diesem Buch einen modernen Klassiker der Satire geschrieben. Er zeigt dem Leser bittere Wahrheiten auf und verpackt diese in einem Mantel aus schwarzen, teils auch zynischen, Humor. Leider zünden die kurzen Einlagen über den Sozialdemokraten August in schriftlicher Form nicht immer, was aber auf den Gesamteindruck dieses Buches keinen wesentlichen Einfluss hat. Wer Georg Schramm kennt muss dieses Buch lesen. Und wer ihn nicht kennt sowieso! Absolute Empfehlung.
9.5 / 10