William Landay - Verschwiegen

  • Englischer Originaltitel: Defending Jacob



    Klappentext
    April 2007, eine Kleinstadt in der Nähe von Boston: Der dreizehnjährige Ben Riffkin wird auf seinem Schulweg erstochen aufgefunden. Ben war ein Mitschüler von Jacob. Andrew Barber, Jacobs Vater, ist Staatsanwalt, übernimmt das Verfahren und trifft in der Schule auf eine Mauer beredten Schweigens. Auf Facebook sprechen Jacobs Freunde dagegen eine deutliche Sprache. Sie beschuldigen Jacob, und schon bald entwickelt der Fall eine Dynamik, die das Leben der Familie Barber von Grund auf verändert: Ist Jacob ein normaler Junge? Eine Frage, die Andrew Barber auch zu einer Auseinandersetzung mit seiner verdrängten Kindheit führt. Der Albtraum scheint sich gerade aufzulösen, da verschwindet ein Mädchen. Und Jacob war mit ihr befreundet...



    Der Autor
    William Landay wurde 1964 in Boston geboren. Seine Jugend verbrachte er in Brookline. Er studierte Jura in Yale und an der Boston College Law School. Nach seinem Abschluss arbeitete er für die Staatsanwaltschaft des Distrikts Middlesex.


    Landay war kein Vollblutjurist. Zwischen 1991 und 1997 nahm er sich zwei längere Auszeiten und versuchte sich als Schriftsteller. Da beiden dabei entstandenen Romane wurden abgelehnt, und Landay kehrte ins Büro zurück. In seiner Freizeit schrieb er indes weiter. 2003 veröffentlichte er – inzwischen verheiratet – seinen Romanerstling »Mission Flats« (dt. »Jagdrevier«), für den ihn die britische »Crime Writers Association« mit einem »John Creasey Memorial Award« für das beste Romandebüt des Jahres auszeichnete. Landay gab die Jurisprudenz abermals und endgültig auf.






    Um es vorweg zu sagen: "Verschwiegen" ist ein enorm spannender Gerichtsthriller. Zugleich beleuchtet er, was es für Eltern bedeutet, wenn sie miterleben müssen, das ihr Kind eines Mordes beschuldigt wird.


    Andrew Barber lebt ein normales mittelständisches Vorstadtleben. Er hat einen guten Job als Staatsanwalt, ist auch nach vielen Jahren noch sehr glücklich mit seiner Frau, und er hat einen Sohn, Jacob, den er sehr liebt. Jacob ist eher ein etwas nerdiger Teenager, nicht sehr kontaktfreudig. Aber Andy ist enorm stolz auf ihn. Da passiert ein Mord an einem Schulkameraden von Jake, den er als leitender Staatsanwalt übernimmt. Tritt man zuerst auf der Stelle bei der Tätersuche, gibt es schon bald Hinweise, die in Jacobs Richtung weisen. Jacob war mehr als ein Aussenseiter, er würde gemobbt, und sein engster Freund seid Kindertagen gibt schließlich zu, wie eigenartig Jacob tatsächlich sein kann. Andy und seine Frau müssen sich unangenehmen Wahrheiten bezüglich ihres Sohnes stellen. Vor allem Andy, denn sein familiärer Hintergrund ist nicht gerade etwas, womit man gerne angibt. Sogar seiner Frau muss er erst in dieser Situation erklären, wer sein Vater ist.
    Schließlich kommt es zum Prozess gegen Jacob. Und was das in einer amerikanischen Kleinstadt bedeutet, kann man sich ausmalen.


    Durch den Klappentext ist man ja schon in groben Zügen vorinformiert. Ich war sogleich gebannt von dem Sog, den die Suche nach dem Täter bzw. die Tatsache, das Jacob, ein 14jähriger, des Mordes beschuldigt wird, erzeugte. William Landay hat einen zügigen und packenden Schreibstil. Selbst die längeren Befragungspassagen beim Prozess lesen sich spannend. Großes Augenmerk legt er vor allem auf den Schutzinstinkt, den Andy seinem Sohn gegenüber an den Tag legt. Jeder der selber ein Kind hat, kann es vielleicht nachempfinden. Natürlich sieht man sein Kind nicht objektiv, aber was in Andys Vegangeheit schlummert und evtl in Jacob weiterlebt, ist fast zuviel für Andy. Man merkt als Leser, wie er sich versteift, verrennt, abblockt und seine Loyalität für seinen Sohn niemals in Frage stellt, selbst als seine Frau an Jacobs Unschuld zweifelt und regelrecht zerfressen wird von diesen Zweifeln und Schuldgefühlen. Das ist fast schmerzhaft zu lesen. Zugleich gelingt es dem Autor, die Täterschaft Jacobs, die es ja doch zu beweisen gilt, immer in der Schwebe hält. Trotz Jacobs Verhaltensauffälligkeiten besteht immer die Möglichkeit, das alles nur ein schrecklicher Irrtum ist. Ich war wirklich auf die Auflösung gespannt.


    Eingestreut gibt es immer mal Passagen einer Vernehmung, die zu einem späteren Zeitpunkt geführt wird, nach den ganzen Ereignissen um Jacobs Prozess. Sie verwirren ein wenig, sind zwar eingegliedert in die Handlung, zeigen aber schon auf, das zum Ende noch etwas passiert.


    Das erwähnte verschwundene Mädchen führt ein wenig in die Irre. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet. Es taucht erst gegen Ende des Buches auf. Ich bin mit dem tatsächlichen Ende nicht ganz zufrieden. Es ist sehr aprubt, wenn auch konsequent der Entwicklung folgend. Letztendlich ist es furchtbar traurig.


    "Verschwiegen" ist ein sehr intensives Porträt des Niedergangs einer Familie. Ich fand es zudem äusserst spannend. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

  • Herzlichen Dank für diese sehr schöne Rezi. Es scheint ja ein wirklich lohnender Court-Thriller zu sein. Werde das Buch gleich mal auf meine Wunschliste packen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich würde das Buch fast weniger als Court-Thriller, sondern eher als Sozialdrama im Rahmen eines Justizprozesses bezeichnen. Man begleitet die Familie durch den Prozess, in dem Jacob des Mordes an Ben Rifkin angeklagt ist. Vater Andrew steht durchweg zu seinem Sohn und ist die Figur, die dem Leser die gesamte Geschichte erzählt. Der englische Titel "Defending Jacob" ist für mich daher viel griffiger als der deutsche Titel.


    Ich hatte mit dem Schreibstil der Erzählpassagen am Anfang etwas Probleme, weil mir das langatmig vorkam. Die Justizpassagen, Verhöre und Gerichtsszenen fand ich hingegen sehr packend geschrieben und ich fühlte mich da manchmal wie beim Ping-Pong und es erweckte durchaus die Atmosphäre eines amerikanischen Court-Movies.


    Das Buch betrachtet neben der Seite des Opfers gerade die Familie des vermeintlichen Täters und wie diese versucht, ihrem Sohn bis zum Prozessende - ja, was eigentlich? Einen Alltag zu bieten? Nein, denn wir erfahren, dass nichts mehr normal ist am Alltag der Familie Barber. Ihm Zuversicht zu geben? Wir erfahren, was Eltern wirklich denken, was sie aussprechen und was sie sich nicht trauen auszusprechen...


    ...interessant fand ich die Vergangenheit von Andrew Barber dahingehend, als das "Mördergen" ins Spiel gebracht wurde. Das Buch machte überhaupt in den psychologischen Fragestellungen, also bei Beurteilung der Psyche von Jacob, einen sehr gut recherchierten Eindruck, aber es wurde trotz Wissenschaftlichkeit nicht langweilig.


    Mit Laurie Barber, Jacobs Mutter, wurde ich nicht warm und ich hatte auch bis zum Schluss, als es dann offengelegt wurde, keinerlei Ahnung, zu was für einem Ende ihre Entwicklungsgeschichte in dem Buch führen wird. Das Ende kam sehr schnell, aber es war auch sehr konsequent, da schließe ich mich an.

    Ich fand es auch sehr traurig und bewegend.


    Die Nebenfiguren bekommen auch teilweise eine Bühne. Besonders gut gefiel mir da die Schilderung des Strafverteidigers Jonathan Klein. Seine Art mit Andrew umzugehen, wo sie sich ja schon als Gegner gegenüber gestanden haben, aber insbesondere seine Art, die Verteidigungsstrategie aufzubauen, war interessant für mich.


    Ich kann festhalten, dass das Buch mich erst ab dem ersten Prozesstag so richtig packen konnte, ich habe also etwas Warmwerdphase gebraucht.


    9 Punkte.

  • Eine Frage zum Inhalt (genauer: zu den Indizien, die Jacob zum vermeintlichen Täter machen) habe ich allerdings noch:


    Ich glaube schon fast, dass ich da etwas überlesen habe, denn für mich hakte es an der Stelle.