Vier Arten, die Liebe zu vergessen - Thommie Bayer

  • Kurzbeschreibung:
    Nicht wenige Trauergäste haben nach ihrem Gesang Tränen in den Augen. Und gleich an Emmis Grab beschließen die vier alten Schulfreunde, sich noch einmal zu treffen, auf ein Wochenende in Venedig. Sie begegnen einander als Fremde, Michael, Bernd, Wagner und Thomas. Doch in der weltläufigen Atmosphäre des venezianischen Palazzo, in den Michael sie zu ihrer großen Überraschung eingeladen hat, legen rasch alle ihre Masken ab. Dahinter kommen Erfolge und Enttäuschungen hervor. Vor allem aber die große, unbeantwortete Frage nach der Liebe – und warum sie alle so kläglich an ihr gescheitert sind. Allen voran Michael, dem das Leben nach Emmis Beerdigung vielleicht noch eine letzte Chance gibt.


    Über den Autor:
    Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, war Maler und Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte, Drehbücher und Romane zu schreiben. All seine Bücher entwickeln einen erzählerischen Sog, wie man ihn sonst vor allem aus angelsächsischen Romanen kennt. Unter anderen erschienen von ihm »Die gefährliche Frau«, der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman »Eine kurze Geschichte vom Glück« und »Fallers große Liebe«.


    Meine Rezension:
    So unterschiedlich wie die Persönlichkeit der vier Protagonisten in Thommie Bayers neustem Roman, so unterschiedlich sind auch ihre "Vier Arten, die Liebe zu vergessen". Michael (aus dessen Perspektive der überwiegende Teil erzählt wird) und seine drei Freunde Thomas, Bernd und Wagner waren in der Schulzeit beste Freunde und erlangten in ihrer Heimat damals als singendes Quartett "Die Nachtigallen" einige Berühmtheit. Nach der Schule trennten sich ihre Wege und erst die Beerdigung ihrer ehemaligen Lehrerin Emmi bringt sie wieder zusammen. Doch in den vergangenen 20 Jahren ist viel passiert und so unterschiedlich ihre Persönlichkeiten, so unterschiedliche waren auch ihre Lebenswege - nur eines ist allen vieren trotz aller Unterschiede gemeinsam: Sie alle sind an der Liebe gescheitert, wenn auch jeder auf andere Weise. Thommie Bayer zeichnet hier sehr authentisch das Bild von vier Charakteren, die mitten aus dem Leben gegriffen sind, lässt sie von ihren Erfolgen und Misserfolgen sprechen und den Ereignissen der letzten Jahrzehnte erzählen, die aus ihnen die Menschen gemacht haben, die sie heute sind. Seine Charakterisierung ist lebendig, facettenreich und filigran. Sie erzeugt Mitgefühl und Melancholie, aber auch Hoffnung und zeigt den Wert von Freundschaften über die Zeit hinweg. Nicht immer gelingt es, an der Vergangenheit anzuknüpfen, Veränderungen zu überbrücken, doch Begegnungen mit Menschen aus der eigenen Vergangenheit können auch eine Chance zur Rückbesinnung und neuen Zukunftsgestaltung sein: Was ist wirklich wichtig, wovon muss man sich verabschieden und wofür sollte man kämpfen? Ob die vier Freunde es am Ende schaffen, die "Vier Arten, die Liebe zu vergessen" in "Vier Arten, der Liebe eine Chance zu geben" umzuwandeln, sei hier nicht verraten, aber auf jeden Fall lohnt es sich, diesen feinsinnigen Roman zu lesen und sich von ihm auch ein bisschen zum Nachdenken anregen zu lassen.

  • Vielen Dank für die schöne Rezension, milla! :wave


    Das Buch werde ich sicher bald lesen "müssen". :-)

    "There is beauty in imperfections. They made you who you are. An inseparable piece of everything…" Arcane

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  • Ich kann mich der Meinung von milla nicht anschließen. Der "feinsinnige" Michael ist mir zu konstruiert sowie die meisten Personen in diesem Roman. Es ist mir alles zu hochgestochen und idealisiert. Außerdem nervte mit der Zeit auch die Aufzählung der teuren und wohlschmeckenden Weine. Zwar habe ich dieses Buch sehr schnell gelesen, aber es lässt mich doch etwas genervt zurück.

  • Beim Begräbnis ihrer ehemaligen Lehrerin treffen sich vier Männer wieder. In ihrer Kindheit und Jugend waren Michael, Bernd, Wagner und Thomas die besten Freunde, haben gemeinsam in einer Band gesungen, doch mit dem Erwachsenwerden haben sie sich auseinandergelebt, sind unterschiedliche Wege gegangen.


    Doch nach der Beerdigung beschließen sie, sich noch einmal zu treffen und Michael lädt sie alle zu sich nach Venedig ein.


    Es gelingt dem Autor wunderbar, die alltägliche und doch immer wieder besondere Geschichte von Freundschaft zu erzählen, wie sie sich im Lauf der Zeit wandelt, wie sich Beziehungen untereinander verändern und Gefühle nicht mehr dieselben sind wie früher.
    Mir haben die Kapitel in Venedig besonders gut gefallen, hier werden die vier Männer allmählich immer mehr charakterisiert, wobei ihre Geschichten erst so nach und nach ans Licht kommen. Insbesondere Michael hat so seine Geheimnisse, aber auch im Leben der anderen ist nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Vor allem die Frage nach der Liebe steht immer wieder im Raum und spielt eine große Rolle für jeden der Vier.


    Michael ist zwar die Hauptfigur des Buches und insbesondere im letzten Drittel des Buches dreht sich die Handlung fast nur noch um ihn, was an und für sich auch spannend ist, aber für mich eher eine andere Geschichte war. Das eigentliche Thema des Buches war für mich die Freundschaft der vier Männer und ihr Wiedersehen – dass die verschiedenen Schicksale dann nur noch in Form eines Epilogs abgehandelt werden, war mir etwas zu knapp für die lange Zeit, die wir sie im Verlauf des Buches begleitet haben.


    Insgesamt habe ich mich aber wunderbar unterhalten gefühlt, obwohl ich anfangs etwas skeptisch war, ob ein Buch von einem Mann über vier Männer denn das richtige für mich sein würde – schon nach einigen Seiten war ich aber total in der Geschichte drin und das blieb dann auch bis zum Ende so!

  • Ich bin mit dem Buch nicht warm geworden, mir ging's also eher wie Vorleser. Die Personen waren mir alle zu konstruiert und gestelzt, bis zum Ende konnte ich da keine wirkliche Sympathie empfinden. Es liest sich schnell weg, aber wird bei mir sicher keinen Eindruck hinterlassen.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Wer denkt nicht manchmal an Jugendfreunde und fragt sich, was wohl aus ihnen geworden ist. Wenn wir ehemalige Kommilitonen oder Sandkastenkumpels wiedertreffen, dann erkennen wir sie kaum wieder. Und doch bleibt etwas hängen, wenn wir später auseinandergehen: Vielleicht nur eine gemeinsame Erinnerung, ein Moment des Zusammentreffens von Gefühlen und Gedanken. Plötzlich schauen wir zurück auf unsere früheren Beziehungen und beurteilen sie völlig anders. Thommie Bayer hat sich mit diesem Thema beschäftigt. Es geht um die Liebe und das daraus entstehende Beziehungschaos und was Letzteres aus vier ehemaligen Freunden gemacht hat.


    An dieser Stelle passt ganz gut, wie dem Protagonisten Michael die Fremdheit von Paaren ins Auge fällt (Seite 119):


    „Sie flüsterten einander zwar ins Ohr, aber eigentlich reichte ein Megafon nicht aus, um die Entfernung zwischen ihnen zu überbrücken. Auch sie lebten in ihrer Fantasie, hielten den anderen für jemanden, der er nicht war, spielten einander jemanden vor, der sie selbst nicht waren, sehnten sich so sehr nach Paarung, dass ihnen alle Selbsterkenntnis nichts mehr bedeutete, und hatten nur manchmal das Glück, der Mensch zu werden, den sie anfangs für den anderen gespielt hatten.“


    Wer nun glaubt, die Geschichte würde sich destruktiv entfalten, der irrt. Der Autor bleibt seinem „Melancholischen Realismus“ treu. Man findet keine Klischees und ständig erlebt man überraschende Wendungen. In der Story gibt es viele bittersüße Episoden über die Spielarten der Liebe, und der Erzähler findet einen schönen Abschluss, der weder schnulzig noch schmalzig ist.


    Fazit: Gelungene Unterhaltung für liebeserfahrene Menschen zwischen 30 und 60. Wenn der potenzielle Leser dann auch noch musikbegeistert ist, Venedig und Irland liebt, dann sollte er das Buch auf jeden Fall lesen.

  • Thommie Bayer und die Liebe, das ist sein Thema seit eh und je.
    Nun, da Beisswenger doch recht angetan ist und das Buch auch in TB-form erhältlich ist, kann ich mich ja ran wagen. ;-)