Ganz normale Helden - Anthony McCarten

  • Ganz normale Helden
    (In the Absence of Heroes)
    Anthony McCarten
    Diogenes
    ISBN: 978-3257067941
    453 Seiten, 22,90 Euro


    Über den Autor: Anthony McCarten, wurde 1961 in Plymouth/Neuseeland geboren. Mit 25 Jahren (mit Stephen Sinclair) weltweiter Theatererfolg „Ladies Night“, in der Filmadaption (The Full Monty/Ganz oder gar nicht) ein Welterfolg. Alle Romane waren große Kritiker-und Publikumserfolg. Die Verfilmung von „Superhero“ durch Ian FitzGibbon (Drehbuch von Anthony McCarten) kam im Juli 2012 unter dem Titel „Am Ende eines viel zu kurzen Tages“ in die deutschen Kinos.


    Die Handlung: Der achtzehnjährige Jeff Delpe hat es schwer zu Hause, seine Eltern versuchen, jeder auf seine Weise, den Tod seines jüngeren Bruders Donald zu verarbeiten und verlieren immer mehr die Nähe zu Jeff. Der trauert auf eine ganz besondere Art um Don; er zieht sich in die virtuelle Welt eines Internetspiels zurück, in der er ein Held sein kann. Als er eines Tages die Atmosphäre zu Hause nicht mehr aushält und auszieht, versucht sein Vater Jim ihn wieder in die Realität zu holen, doch dazu muss er sich erst einmal in das Spiel begeben. Je höher er in der virtuellen Welt im Level steigt, desto tiefer rutscht er offline und während seine Frau mit einem Unbekannten namens „Gott“ chattet, setzt Jim seinen Job, die Beziehung zu seiner Frau und den Verlust des Vertrauens seines Sohnes aufs Spiel, um die Familie zu retten…


    Meine Meinung: Manchmal muss man einen ungewöhnlichen Weg gehen, um etwas wiederzubekommen, das man verloren hat – diese Erfahrung muss Jim Delpe gehen, als er seinem Sohn in das Onlinespiel LoL folgt. Sehr schnell wird er von dieser virtuellen Realität gefangen genommen und erfährt auf der Suche nach seinem Sohn auch sehr viel über sich selbst. McCarten nimmt sich in seinem neuen Roman die Welt des Internets vor. Es geht um ganz normale Menschen, die ihren ganz normalen Alltag leben, in den mittlerweile fast überall das Internet Einzug gehalten hat und einen großen Teil der täglichen Routine beherrscht. McCartens „ganz normalen Helden“, die Familie Delps ist dabei, an der Trauer um den Tod des jüngsten Sohnes zu zerbrechen und schafft sich ihre virtuellen Rückzugsorte. Hier können sie sein, wie sie sind – Jeff, wird der große Abenteurer und Held in LoL, Jim, im normalen Leben Anwalt und Kämpfer gegen das Verbrechen, ermordet plötzlich Kinder und Renata, Übermutter und Hausfrau, sinniert mit einem Seelsorger über Sünde und Moral.


    Es ist der Schreibstil von McCarten, der mich immer wieder so begeistert. Es ist, als würde man zusammen mit seinen Figuren durch die Handlung gehen. Gerade bei diesem Plot gerät man in einen Sog, der einen immer tiefer in die Verwicklungen um die Delps hineinzieht. Man spürt in jeder Zeile mit der er die drei Familienmitglieder beschreibt, ihre Mischung aus Trauer, Wut und Hilflosigkeit und sieht als Leser, wohin die Reise in die Scheinwelt führen kann und möchte sie am liebsten warnen. Wie schnell moralische Grenzen überschritten werden und welche Gefahren der Schritt aus der Anonymität des Netzes in die reale Welt bergen kann, all das macht McCarten hier deutlich. Manchmal finden sich ein paar kleine Klischees, doch sie passen zu der Handlung, in der es ja um große Gefühle geht. Wer sich nicht mit Online-Spielen auskennt, der dürfte eventuell nicht so schnell den Zugang zu den vielen geschilderten Szenen haben, die Jeff und Jim online erleben und diese Episoden möglicherweise als etwas zu langwierig empfinden – mir haben sie sehr gut gefallen.


    Bei diesem Roman handelt es sich um die Fortsetzung von „Superhero“, und doch um eine eigenständige Geschichte. Man muss „Superhero“ nicht kennen, um sich von den „ganz normalen Helden“ begeistern zu lassen und genau das habe ich getan. Alle Eulenpünktchen für diese wunderbare Geschichte.


    Mein Fazit: Ich bin wieder einmal total begeistert von McCarten. Mit diesem Roman hat er sich meiner Meinung nach noch einmal gesteigert und ich hoffe, dass er, der sich scheinbar so gut in virtuellen Welten auskennt, seine Zeit nicht dort verbringt, sondern schon fleißig an seinem nächsten Buch schreibt...

  • So, nun habe ich das Buch ebenfalls gelesen und bin begeistert. Ich habe Superhero davor nicht gelesen, sodass ich zu dem Anschluss an Donalds Geschichte nichts sagen kann.


    Kann mich Eskalina im Großen und Ganzen nur anschließen.
    :write


    Ich bin so sehr in die Welt des Online-MMORPG Life of Lore (=LoL) reingezogen worden, dass ich zeitweise darüber nachgegrübelt habe, ob es so ein Spiel nicht wirklich gibt, da die Herausforderungen im Spiel allesamt sehr packend waren, wie ich fand. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Jim sich als "Retter" in diese Welt begeben will, um seinem Sohn wieder nah zu sein und wie sehr er dann in einen Strudel der Abhängigkeit und Gefahren gelangt.


    Insbesondere die Stellen, als man mehr über Jeff und auch etwas aus Jeffs Sicht erfuhr, gefielen mir sehr gut. Sehr berührend (obwohl ich die Vorgeschichte nicht kannte), war die Sache mit den


    Von den Nebenrollen war sicherlich der LoL-Charakter "Luther" der Zwielichtigste und es war interessant zu sehen, wie am Ende dann das "real life" und die Onlinewelt zusammen hingen.


    Meine Probleme hatte ich mit den Renata-Gott-Dialogen, die sich für mich immer viel zäher beim lesen anfühlten...


    9 Punkte.