Die deutsche Sprache: Irrungen und Wirrungen

  • Ich kann gut mit den sprachlichen Verfehlungen meiner Mitmenschen leben. (Kalender aufgehangen z.B.) Ich weiß auch nicht alles, auch wenn ich mich bemühe.
    Viel schlimmer finde ich die, die meinen, alles zu wissen, und dann Sachen bemäkeln, die durchaus richtig sind. Da bin ich nahe am "mir platzt der Kragen". Alles besser wissen, sich beschweren oder gar lustig machen über andere, und dabei ist das, was die gesagt haben, gar nicht falsch.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Zitat

    Original von xexos
    Der Gebrauch des Imperativs ist auch nicht jedem geläufig: "Wenn Du etwas hörst, dann gebe mir bitte Bescheid." Jaja... :rolleyes


    Oh ja, das ist furchtbar! Ich hatte mal eine Kollegin, die konsequent in Arbeitsaufträgen für ihre Schüler die Befehlsform falsch angewendet hat. Statt "iss" "esse" beispielsweise. (Nur zur Info: es ging um das Verkosten von unterschiedlichen Apfelsorten.)


    Als ich sie darauf hingewiesen habe kam von ihr zurück: Aber 'iss' klingt so unhöflich!


    1. sollte es ja ein Arbeitsauftrag sein, der muss nicht höflich sein und
    2. wäre ihre Version schlichtweg falsch.


    Und wenn nicht mal die Lehrer richtig Deutsch sprechen bzw. schreiben, wie sollen es die Schüler dann jemals lernen?

  • Ich habe keine Ahnung, aber impliziert nicht kaufen genau das? Bedeutet kaufen nicht, dass man Geld gegen Waren tauscht? Gegen halte ich daher eigentlich für falsch.


    Dieses für kommt wahrscheinlich daher zustande, weil man sagt, dass man etwas für 1,50 € z. B. kaufen kann. Könnte ich mir vorstellen. Je länger ich über für und mit nachdenke, desto unsicherer werde ich. Ich bin mir sicher, in einer Stunde habe ich gar keine Meinung mehr dazu. :lache Allgemein bin ich aber sicher, dass ich viel öfter für als mit gehört habe.

  • Zitat

    Original von Groupie
    1. "Ich habe letzte Woche endlich den Kalender aufgehangen."



    jetzt oute ich mich fürchterlich, aber: wie wäre es denn korrekt?



    edit sagt: es müsste "aufgehängt" heißen oder? aufgehangen ist vermutlich passiv, sozusagen. hmpf, ich glaube, damit hätte ich auch meine Probleme und der Satz könnte glatt von mir stammen :-(

  • Danke für die Ehrlichkeit, Queedin! Jetzt fühl ich mich nicht mehr so allein.


    Aber "aufgehängt" muss doch richtig sein?!
    Gibt es "aufgehangen" überhaupt? "Gehangen" gibt es, z. B.: Der Apfel hat am Baum gehangen.


    Oder bin ich jetzt komplett durcheinander? Hilfe!


    edit: Ich glaube, ich sollte in Zukunft nicht schriftlich denken!

  • Ja, aufgehängt ist richtig. Und auch im Passiv würde es aufgehängt heißen. Ich weiß gar nicht, warum sich eine falsche Form für alle Verben mit hängen so durchgesetzt hat. Damit stehst du ja nicht alleine da. Ich habe manchmal das Gefühl, es machen mehr Menschen falsch als richtig. Es geht ja auch nicht gegen die Menschen persönlich, ich zuck dann halt immer kurz zusammen. Meistens kann man die Leute ja auch nicht verbessern - oder will es nicht ;-).


    edit: Nein, ich glaube, aufgehangen existiert nicht. Zumindest fällt mir partout nicht ein, was das sein sollte.


    Ich habe aber auch mal ne Frage. Wie ist das bei erschrecken? Sagt ihr, ihr habt euch erschreckt oder ihr habt euch erschrocken? Gibt es da Unterschiede? Da bin ich mein Leben lang schon unsicher ;-).

  • 'hängen' kann


    transitiv = mit Akkusativobjekt und


    intransitiv (ohne) gebraucht werden.


    Wenn man sagt: ich habe die Wäsche aufgehangen, ist das tatsächlich falsch, weil man das Verb transitiv verwendet.
    Tut man das, so bildet man die Vergangenheitsformen schwach (der Stammvokal, hier 'ä', bleibt erhalten).


    ich hänge
    ich hängte
    ich habe gehängt
    ich wurde gehängt



    Benutzt man das Wort intransitiv, wird das Verb stark(Stammvokal ändert sich) konjuguiert.
    Das Bild hängt an der Wand
    hing
    hat gehangen
    war gehangen.


    Der Apfel hat am Baum gehangen.


    Es liegt also eine Verwechslung zwischen transitiver und intransitiver Verwendung vor, keine Neuschöpfung eines etwa bis dato nicht existierenden Worts.


    Bei 'erschrecken' haben wir den gleichen Fall.


    transitiv wird es schwach konjugiert,


    erschrecken, du erschreckst, erschreckte, erschreckt haben.


    intransitiv stark:


    erschrecken, du erschrickst, erschrak, erschrocken.



    Nun gibt es bei 'erschrecken' noch eine dritte Möglichkeit, nämlich die umgangssprachliche, erlaubte, keineswegs falsche reflexive Verwendung.


    sich erschrecken.


    Dabei darf das Verb sowohl schwach als auch stark konjugiert werden.


    Ich habe mich über manche Behauptung in diesem Thread ganz schön erschreckt
    Ich habe mich über so manche Behauptung in diesem Thread ganz schön erschrocken.



    Sprache ist etwas sehr Flexibles. Auch die Standardsprache, allg. als 'Hochdeutsch' bekannt.
    Der Duden zeigt oft mehrere gültige Möglichkeiten auf. Nachschlagen ist freier Theoriebildung vorzuziehen.
    Ich empfehle seine Benutzung sehr.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Klasse, danke, magali!
    Bei der Gelegenheit frage ich mal nach der korrekten Verwendung des Perfekt im Hochdeutschen. Ich weiß, er wird umgangssprachlich oft anstelle des Imperfekt benützt (oder benutzt?).
    Imperfekt ist doch die Erzählzeit, und Plusquamperfekt drückt die Vorzeitigkeit aus.

  • Zitat

    Original von magali: Sprache ist etwas sehr Flexibles. Auch die Standardsprache, allg. als 'Hochdeutsch' bekannt. Der Duden zeigt oft mehrere gültige Möglichkeiten auf. Nachschlagen ist freier Theoriebildung vorzuziehen. Ich empfehle seine Benutzung sehr.


    Eigentlich unterschreibe ich diese Aussage und sehe in ihr zugleich eine Krux, denn m.E. ist nicht alles, was der Duden an flexibler Sprache aufnimmt, überlegt.
    Nehmen wir das Verb winken:
    Korrekt ist es, wenn der Stammvokal beibehalten wird.


    winken-winkte-gewinkt


    Bis ich eines Tages den Zwiebelfisch las und danach meiner Umgebung auf den Mund schaute. In 95 Prozent der Fälle wurde von "gewunken" geredet. Schaut man nun in den Duden, so ist inzwischen auch diese Form etabliert. Für meine Ohren ist diese Form zwar immer noch nicht schön und wenn ich mit Leuten zu dieser Problematik keieneswegs oberlehrerhaft ins Gespräch komme, werde ich nur ungläubig angeschaut.


    Ja, ich bin sehr dafür, dass Duden und Sprache sich am Menschen orientieren und veränderbar sind, allerdings nicht zu jedem Preis. Das Denken sollte den Deutschen nicht grundsätzlich abgenommen werden und vielleicht sollten wir es schaffen, einen Sinn für die Ästhetik unserer Sprache zu entwickeln.

  • Das war zwar eine sehr interessante Ausführung, magali, beantwortet meine Frage aber irgendwie noch nicht so wirklich. Da ich den Duden immer sofort konsultiere, wenn ich mir irgendwo nicht sicher bin, wusste ich, dass beide Formen erlaubt sind. Mir ist auch klar, dass eine stark und eine schwach ist, aber wann benutzen die meisten welche Form? Das interessiert mich viel mehr. Hier geht es mir keinesfalls um die Theorie, eher um die Praxis. Ich würde behaupten, dass ich zu erschrocken neige, aber dennoch manchmal erschreckt sage. Mich würde einfach interessieren, ob ein System dahintersteckt ;-). Mir ist nämlich noch keins aufgefallen.

  • Groupie


    ich kann nicht sagen, warum Du manchmal die Form 'erschrocken' und ein andermal 'erschreckt' benutzt. Das mußt Du beobachten und Deine Schlüsse ziehen
    Oder warum andere Menschen die eine oder die andere oder die dritte Form verwenden.
    Solche Fragen beantworten SoziolinguistInnen, nehme ich an. Aber wie man so etwas auffindet, ohne sich durch Fachliteratur zu wälzen, weiß ich leider nicht. Bist Du nicht Germanistin? Frag mal in Deinem Umfeld.
    Spannende Frage.



    Salonlöwin


    der Duden ist nur eine Richtlinie. Ob ein Nachschlagewerk, und sei es in zig Bänden, Sprache und ihre Verwendung überhaupt einfangen kann, ist zu bezweifeln.
    Überzeugten SprachwissenschaftlerInnen darf man z.B. nicht mit dem Duden kommen, wenn man nicht will, daß einer ein Band davon umgehend an den Kopf fliegt. Sie weisen Dir nämlich in fünf Minuten unter Rückgriff auf die Entwicklung des Westgermanischen aus dem Indogermanischen unter Berücksichtigung eines Partizips aus dem Sanskrit sowie einer charakteristschen Vokalveränderung im Umfeld des 'A'-Lauts des Finnugrischen nach dem Aussterben der dritten Stufe von Mongolisch 1a zweifelsfrei nach, daß 'Hängen' üüüüberhaupt nichts im Duden zu suchen hat.
    :help


    :lache


    Insofern ist der Duden nur was für uns arme Normalsterbliche.



    Ästhetik der Sprache?
    Ui, ui.


    Wieso haben wir die nicht? Ist schöne Sprache gleichbedeutend mit 'richtiger' Sprache?


    Ich z.B. mag es, wenn jemand sagt: ich hab d' Wäsch uffg'hangen.
    Klingt schön.


    ;-)



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus