Die deutsche Sprache: Irrungen und Wirrungen

  • Ich habe den Thread hier gerade von der ersten bis zur letzten Seite gelesen und dabei nicht nur viel bzw. wieder aufgefrischt, sondern mich streckenweise auch köstlich amüsiert. Vielen Dank dafür! :-)


    Ich bin übrigens in Regensburg aufgewachsen; dort sagt man "dreiviertel acht", aber "viertel nach acht". "Viertel neun" hätte ich dann schon wieder eher als fränkisch eingeordnet.
    Wir haben früher "Fangen" gespielt und der sichere Ort hieß "Bahne" (was in dem verlinkten Artikel zwar sogar als oberpfälzisch erwähnt wird, aber leider auf der Karte nicht erscheint, da zu wenig verbreitet).
    Und den Stift hatten wir weder "einstecken" noch "eingesteckt", sondern ganz einfach "dabei"...


    Seit 15 Jahren wohne ich nun in Hessen (erst Ffm, jetzt Wetterau) und musste ich in so mancherlei Dingen umgewöhnen. Das mit Marmelade gefüllte Schmalzgebäck, bei uns daheim als "Krapfen" bekannt, heißt hier "Kreppel" oder "Kräppel". Gemüse schneidet man mit einem "Kneipchen" und wenn einem auf dem Sofa kalt wird, nimmt man keine Wolldecke, sondern einen "Kolter".


    Wo es mir zu Anfang aber ganz fürchterlich die Fußnägel hochgerollt hat, war der allgegenwärtige Dativus Possessivus. Es war einer meiner ersten Arbeitstage, als eine Kollegin zu mir kam, mir ein Blatt Papier hinhielt und fragte: "Ist diese Kopie dir?" Ich musste mich erst mal sammeln, bevor ich antworten konnte: "Ja, das ist meine!" Mittlerweile habe ich es so oft gehört, dass es sich in meinen persönlichen Sprachgebrauch eingeschlichen hat, wie auch manch andere hiesige Redewendung...


    Was ich übrigens auch ganz fies finde, ist der Missbrauch des Plusquamperfekts, den ich v.a. aus der Mannheimer Gegend kenne: "Vorgestern hatte ich keine Zeit gehabt." Oder "Dann waren wir noch was einkaufen gewesen."


    Und was mir an dieser Stelle noch einfällt: wie verwendet Ihr eigentlich "auskommen"? Von zu Hause kenne ich es nämlich nicht nur im Sinne von "reichen" ("Kein Auskommen mit dem Einkommen"), sondern auch im Sinne von "unabsichtlich loslassen" oder "abhanden kommen".
    Beispiele:
    "Mir ist der Teller ausgekommen und jetzt ist er kaputt." (Heißt, ich habe ihn aus Versehen fallen lassen und jetzt ist er zerbrochen.)
    "Meiner Freundin ist ihr Hund ausgekommen." (Heißt, er ist weggelaufen.)


    Ich liebe Sprache und ihre Feinheiten... :-)


    LG, Bella

  • Das Wörtchen "auskommen " kannte ich bis jetzt nur ,als auskommen mit Finanzen oder mit jemanden auskommen . :-)


    Ich komme gebürtig aus Bielefeld und da wird recht gutes Hochdeutsch gesprochen .Seit 2 Jahren lebe ich nun im Ruhrgebiet und bin ERSCHÜTTERT wie hier gesprochen wird !
    An das WAT und DAT muss man sich gewöhnen ,aber ich nehme aus Prinzip ,um ein Vergangenheitsverhältnis auszudrücken, fast nur den Imperfekt und in jedem 3-4 Satz verwende ich den Genitiv ,damit die Leute wenigstens ein bisschen vernünftiges Deutsch hören.
    Ich kann Sätze wie :
    "Dann war ich da am langfahren " oder " Dem sein Auto war kaputt gegangen "
    oder " Die Tochter von meinem Onkel" oder " Wegen dem Wetter " nicht mehr hören !!!


    Ich liebe meine Muttersprache und bin unsäglich traurig ,dass diese so verkommt .
    Achtet mal darauf ,dass für schnell immer nur schnell benutzt wird und selten ein anderes Wort wie hurtig,rasch,behende,flink,zackig etc .


    Versucht mal unsere Muttersprache aus der Sicht eines Nicht-deutsch-verstehenden zu hören. Das mache ich sehr gerne .Unser " sch" und "ch " und "h"und die Umalute höre ich dabei sehr gerne. :-) :-)

  • Eine Frage habe ich dennoch .


    Wann schreibe ich am schnellsten, beim gehen , zum essen etc klein und wann groß ?


    Diese Regel entfiel mir komplett und ich glaube ich verwechsel das konsequent !
    *Schäm*
    :help :help :help :help :help

  • Zitat

    Original von Giflor
    Ich komme gebürtig aus Bielefeld und da wird recht gutes Hochdeutsch gesprochen .Seit 2 Jahren lebe ich nun im Ruhrgebiet und bin ERSCHÜTTERT wie hier gesprochen wird !


    Zitat

    Original von imandra777
    Für alle die gerne über Deutsch in seinen Varianten und Varietäten nachdenkt, kann ich diesen Zeitungsartikel ans Herz legen. Er ist wirklich schön geschrieben.


    Mundart als Anlass für Diskriminierung


    Vielen Dank fuer diesen interessanten Artikel! Er bestaetigt eigentlich auch die Sicht zum Dialekt, wie ich sie bei Bastian Sick kennengelernt hab: Dialekte beleben die Sprache und unterliegen anderen grammatikalen Regeln als das schriftliche Hochdeutsch. "Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod" greift zwar eine Menge Unstimmigkeiten in der Schriftsprache auf, laesst aber im gesprochenen Dialekt ganz andere Sachen zu. Auch im Ruhrgebiet :wave

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Giflor
    ... um ein Vergangenheitsverhältnis auszudrücken, fast nur den Imperfekt und in jedem 3-4 Satz verwende ich den Genitiv ,damit die Leute wenigstens ein bisschen vernünftiges Deutsch hören.
    Ich kann Sätze wie :
    "Dann war ich da am langfahren " oder " Dem sein Auto war kaputt gegangen "
    oder " Die Tochter von meinem Onkel" oder " Wegen dem Wetter " nicht mehr hören !!!


    Ich mag den Rheinischen Progressiv. :-)


    (Im Deutschen gibt es doch sonst keine ordentliche Progressiv-Form, bei uns muss man das so umständlich ausdrücken, mit Worten wie "gerade" und ähnlichem.)

  • Nun um eines klar zustellen ,ich bin NICHT gegen Dialekte und /oder Akzente . Ganz im Gegenteil ,ich lieeebe Akzente und Dialekte ,vor allem die ,die das "r" so schön betonen ! :-) *schwärm*


    Aber ich finde es so schlimm ,dass sich so viele eines leichten bzw kargen Wortschatzes bedienen :cry und dann diesen falsch zusammensetzen.


    Falls mein Text so rüber kam ,dass ich Personen aus anderen Gegenden nicht leiden kann oder Akzente/Dialekte nicht akzeptiere ,dann tut es mir leid. Das wollte ich nicht sagen ! :-(


    Vielleicht werde ich jetzt so verstanden ,wie ich das meine .*hoff*


  • Und der ist schon lange nicht mehr "rheinisch". Das greift langsam aber sicher gesamtdeutsch über ;-)


  • Hihi, wie sich ein wenig weiter schon die Bedeutung mancher Wörter ändert. Das kleine Küchenmesser heißt hier auch Knippchen (von Knipp --> großes Messer, das im Hauberg benutzt wird, und das kleine dann Knippchen). Kräbbelcher sind bei uns nicht mit Marmelade gefüllt.
    Ich war mal sehr überrascht, dass viele meiner Kursleute an der Fachhochschule das Wort "Schnuck" (Süßigkeiten) nicht kannten, aber das scheint auch eher im südlichen NRW und Hessen bekannter zu sein.

  • @giflor:wo im Ruhrgebiet bzw. mit was für Leuten verkehrst Du denn? Ich kenne das Ruhrgebiet eher als Ort, wo man akzentfrei spricht und auch korrekt.Das wat und dat oder auch Sachen wie: ich bin am basteln, die sind bei mir mit der Generation meines Großvaters ausgestorben. Wenn ich nicht gerade in die nächste Schalke-Kneipe gehe, begegne ich hier eigentlich immer nur Menschen, die völlig korrekt deutsch reden. Da ist nichts mit:ich bin gerade dat am machen.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Frettchen ()

  • Zitat

    Original von Giflor
    Ich komme gebürtig aus Bielefeld und da wird recht gutes Hochdeutsch gesprochen .Seit 2 Jahren lebe ich nun im Ruhrgebiet und bin ERSCHÜTTERT wie hier gesprochen wird !
    An das WAT und DAT muss man sich gewöhnen ,aber ich nehme aus Prinzip ,um ein Vergangenheitsverhältnis auszudrücken, fast nur den Imperfekt und in jedem 3-4 Satz verwende ich den Genitiv ,damit die Leute wenigstens ein bisschen vernünftiges Deutsch hören.
    Ich kann Sätze wie :
    "Dann war ich da am langfahren " oder " Dem sein Auto war kaputt gegangen "
    oder " Die Tochter von meinem Onkel" oder " Wegen dem Wetter " nicht mehr hören !!!


    Ich gebe zu, den Beitrag von Giflor hatte ich bisher überlesen. Ansonsten hätte ich schon längst was dazu gesagt. Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein. Dein Beitrag ist an Arroganz kaum zu überbieten. Ich bin mir sicher, die Menschen im Ruhrgebiet sind dem Herrn (oder wem auch immer) sehr dankbar dafür, dass sie dir beim Reden zuhören dürfen. Ich weiß ja nicht, in welcher Absteige du gelandet bist, aber ich kenne unendlich viele Menschen hier im Ruhrgebiet, die ein sehr gutes Hochdeutsch sprechen. Vielleicht hätten sie dir in Bielefeld dann ja auch beibringen können, wie man die Zeichen richtig setzt.


    Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Dass hier nur in Schalke-Kneipen (welch großartiges Klischee) im Ruhrpott-Slang geredet wird, ist ja auch alles andere als wahr. Dass hier aber nur Menschen wohnen, die keinen geraden Satz herausbekommen, ist schlichtweg gelogen. :wave

  • Da wird immer so ein Wirbel gemacht, dass die Kinder unbedingt in den Kindergarten müssen, damit sie richtig Deutsch lernen, aber bei dem, was in unserer Kita so verzapft wird, rollen sich mir doch regelmäßig die Fußnägel hoch... :rolleyes


    Hartnäckig hält sich z.B. nicht nur auf einer Schautafel im Windfang, sondern aktuell auch wieder auf dem Aushang zum Faschingsbuffet der Begriff der "Caféterria". Dazu kam dann noch ein schöner Aushang heute: "Wir haben stabile Pappe zu verschenken - wenn Sie welche gebrauchen können... etc."


    Jeder Elternbrief, der länger als eine halbe Seite ist, enthält mind. drei derartige Stilblüten und man merkt jedem Satz an, wie krampfhaft sich die Verfasserin um ausgefeilte hochdeutsche Sätze bemüht hat... von Rechtschreibung und Zeichensetzung ganz zu schweigen.


    Manchmal denke ich mir da nur, wie gut, dass mein Kiga-Kind noch nicht lesen kann... :wow


    LG, Bella


    P.S. "Schnuckzeug" für Süßkram habe ich auch erst von meinem nordhessischen Ehemann gelernt! :)

  • Zitat

    Original von belladonna"Wir haben stabile Pappe zu verschenken - wenn Sie welche gebrauchen können...


    Bist du dir sicher, dass das falsch ist? ?(
    Ich wüsste nicht, was an diesem Satz falsch sein soll.

  • Zitat

    Original von Dezember


    Bist du dir sicher, dass das falsch ist? ?(
    Ich wüsste nicht, was an diesem Satz falsch sein soll.


    Das ist auch korrekt so.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

  • Ich hätte mir das jetzt so erklärt:


    "Gebrauchen" bedeutet "benutzen", wie in "Ich weiß, wie ich einen Pürierstab gebrauchen muss."
    "Brauchen" (ohne "ge") bedeutet "benötigen", wie in "Ich brauche jetzt eine Tasse Kaffee."


    :wave