Die Zeit, die Zeit
Martin Suter
Diogenes
ISBN:978-3257068306
304 Seiten, 21,90 Euro
Über den Autor: Martin Suter, geboren 1948 in Zürich, lebt mit seiner Frau in Spanien und Guatemala. Er war Werbetexter und erfolgreicher Werber, ein Beruf, den er immer wieder durch andere Schreibtätigkeiten ergänzt oder unterbrochen hat. Unter anderem "GEO"-Reportagen, zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen. Seit 1991 lebt er als freier Autor, seit 1992 schreibt er die wöchentliche Kolumne "Business Class" in der "Weltwoche".
Martin Suter ist am 29. März 2004 in Zürich mit der Goldenen Diogenes Eule ausgezeichnet worden.
Handlung: „Etwas war anders, aber er wusste nicht, was.“ Anfangs begreift Peter Taler nur, dass im Haus gegenüber, in dem der achtzigjährige Knupp wohnt, sonderbare Dinge vor sich gehen. Er beginnt zu beobachten und mit der Kamera festzuhalten – und merkt erst spät, dass er seinerseits beobachtet wird und längst in die Geschehnisse auf der anderen Seite der Straße verstrickt ist. Der alte Knupp, der von zwanzig Jahren seine Frau verloren hat, ist davon überzeugt, dass man nicht wie Orpheus ins Totenreich hinabsteigen muss, um einen geliebten Menschen wiederzufinden. Denn er hat eine Theorie und kann sich dabei sogar auf berühmte Leute berufen. Allerdings ist deren Umsetzung nicht einfach. Um nicht zu sagen – schier unmöglich. Taler soll ihm dabei helfen.
Meine Meinung: Der Titel des Buches verrät alles und nichts – es geht um die Zeit, bzw. um die Theorie, dass die Zeit nicht existiert. „Das, was wir als Verstreichen der Zeit empfinden, ist in Wirklichkeit nur die Entstehung von Veränderung. Wenn wir diese verhindern, verstreicht auch keine Zeit.“ – Das ist die Meinung von Albert Knupp, dem alten Sonderling, den Peter schon so oft beobachtet hat. Er beruft sich auf Einsteins Relativitätstheorie und ist begeisterter Anhänger eines (fiktiven) Wissenschaftlers Walter W. Kerbeler. Knupp will, in dem er die Veränderungen in seinem Umfeld aufhebt, einen ganz bestimmten Tag in seinem Leben erneut erleben. An diesem Tag traf er eine folgenschwere Entscheidung, die seiner Frau später das Leben kostete. Taler, der sich immer noch in tiefer Trauer über die Ermordung seiner Frau befindet, glaubt nicht an diese Theorie, doch ganz tief in ihm schimmert doch etwas Hoffnung und so beginnt er das abstruse Vorhaben Knupps zu unterstützen.
Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell es Suter gelingt, den Leser für seine Geschichten einzunehmen. Sehr klar und präzise gelingt es ihm, seine Hauptpersonen, aber auch ihre Gefühle und Stimmungen zu beschreiben. Man hat das Gefühl, es gäbe kein überflüssiges Wort, kein Satz scheint zu viel in seinem Text. Sprachlich elegant schildert er genau das, worauf es ihm ankommt. So ganz ohne Abschweifungen, konzentriert auf das Wesentliche, fängt er dennoch genau die Stimmungen ein, die es braucht, um den Leser in die Handlung einzusaugen.
Das ist ihm auch hier wieder perfekt gelungen. Seine Mischung aus ungewöhnlichem Plot, verbunden mit der absoluten Normalität des Alltags der handelnden Personen, dazu noch diese schwer greifbare wissenschaftliche Theorie, sorgen für Aufmerksamkeit und Spannung. Immer wieder stellt sich die Frage, wie weit ist ein Mensch bereit, für die Erfüllung seiner Wünsche zu gehen?
Die Grundidee ist sehr interessant, doch leider verliert er gegen Ende ein wenig die Geduld mit der Ausarbeitung seiner Lösung. Sie wirkt hastig dahin geschrieben und nimmt die Freude an dem gut gemeinten Schluss. Trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und entgegen der Theorie ist für mich die Zeit beim Lesen schnell vergangen und so schenke ich 8 Eulenpünktchen dafür.