Solange die Nachtigall singt - Antonia Michaelis

  • Antonia Michaelis ist für mich eine ganz besondere Autorin und ich habe schon einige ihrer Romane gelesen, bevor ich zu griff.


    Während mich "Der Märchenerzähler" und ganz besonders "Wenn der Windmann kommt" voll überzeugten und mich innerlich jubeln ließen, weil beide Romane mit so interessanten, fein beobachteten Figuren und einem unglaublich eigenwilligen, farbenfrohen Sprachstil aufwarten, war für mich unglaubwürdig und stilistisch nicht wirklich gelungen (mehr dazu weiter unten, Stichwort Genre-Mix) Aber vor allem stimmte das Konzept nicht, der Spannungsbogen wird schon sehr früh gebrochen aufgrund einer Konstruktion, die zu leicht durchschaubar ist.
    So kam es dazu, dass ich durch hunderte von Seiten Langeweile und abstruses Hin und Her gequält habe, nur um schließlich am Schluss zu erfahren, dass ich schon zu einem sehr frühen Punkt mit meiner Vermutung richtig gelegen hatte. Dieser zentrale Fehler machte alles, was danach kam, zu einer langweilgen Abwarterei.
    Nur weil ich dank Antonia Michaelis' anderer Romanen gewohnt war, dass es immer wieder plötzliche Schwenks und verrückte Kehrtwenden gibt, die alles in einem ganz neuen Licht zeigen und die Leser im Nachhinein erkennen lassen, worum es ging, habe ich bis zum Ende durchgehalten. Leider waren aber die scheinbaren Schwenks in diesem Roman - aus meiner Sicht - nur irgendwie bunt zusammenkonstruiertes Hinhalten und Hinauszögern. Das große zentrale Geheimnis hätte weit geschickter verpackt sein müssen, um jugendliche oder erwachsene Leser in die Irre zu führen.
    Auch der etwas ungewöhnliche Schluss konnte mich nicht mit dem Buch versöhnen.


    Auch wenn ich Genre-Mix an sich immer sehr spannend finde - in diesem Roman finde ich den Mix aus Märchen, Fantasy und Thriller nicht gelungen. Die oft naiv gehaltene Sprache klingt nach Kinderbuch, aber nicht nach einem Märchen. Märchen sind zumeist in einer wunderschönen alten Sprache aufgeschrieben, die etwas verschnörkelt ist und diesen ganz eigenen Märchensprache-Rhythmus hat. In Solange die Nachtigall singtwerden zwar hier und da märchenhafte Elemente benutzt, aber sie wirken im Kontext oft merkwürdig und ungewollt naiv. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr im Detail, was mir alles aufstieß, aber eines ist hängengeblieben: Farbabstufungen werden massenhaft verwendet, so dass ich es irgendwann einfach nur noch satt hatte. Die detaillierte Beschreibung der Farbtöne ließ mich manchmal mehr an die Farbpaletten in der Wandfarben-Abteilung eines Baumarktes denken als an das, was da gerade im Wald geschah. Ich schätze mal, dass das kein beabsichtiogte surrealer Effekt war :chen


    Ganz besonders aber fehlte mir in diesem Roman der besondere Charme und der spezielle Humor, der die Michaelis-Romane oft auszeichnet. So sorgte dieser Humor dafür, dass mir z.B. der Junge Patrick in Wenn der Windmann kommt sofort sehr sympathisch war. Dies setzte einen gekonnten, wunderbaren Kontrapunkt zu dem Traurigen und Schweren, das Thema auch dieses Roman war.



    Summa summarum: Ich bin einfach nur enttäuscht von diesem Roman, bleibe aber weiterhin ein Fan der Autorin. Ich las nach diesem Buch Die Nacht der gefangenen Träume und das war wieder super gelungen.
    Wer noch nichts von ihr gelesen hat, sollte meiner Meinung nach lieber mit einem ihrer anderen Romane beginnen.



    4 von 10 Eulenpunkten, da mir der Anfang immerhin recht gut gefallen hat.