Solange die Nachtigall singt
Antonia Michaelis
ISBN: 378914293X
Oetinger Verlag - August 2012
Hardcover m. Schutzumschlag - 16,95€
Klappentext: (Quelle: Amazon.de)
Ein Wald, der im Nebel ein Rätsel verbirgt. Ein Wanderer, der sich verirrt. Eine Geschichte, die dem Leser den Atem raubt. Nach Abschluss seiner Tischlerlehre begibt sich Jari auf Wanderschaft, um Freiheit und Natur zu genießen. Dabei trifft er auf Jascha, das bezauberndste Mädchen, dem er je begegnet ist, und folgt ihr zu ihrer Enklave mitten im Wald. Gefangen zwischen märchenhafter Schönheit und menschlichen Abgründen wird der harmlose Tischler zum unerbittlichen Jäger. Poetisch und fesselnd erzählt Erfolgsautorin Antonia Michaelis die Geschichte einer Liebe, der kein Geheimnis zu düster und kein Opfer zu groß ist. Das Meisterwerk einer Märchenerzählerin.
Über die Autorin: (Quelle: Amazon.de)
Antonia Michaelis wurde 1979 in Kiel geboren. Fünf Jahre später begann sie, ihre Umwelt mit (damals noch unleserlichen) Büchern zu überschwemmen. Seitdem hat sie nicht mehr aufgehört zu schreiben. In England ließ sie sich inspirieren von der englischen Literaturgeschichte. Heute lebt die junge Autorin, die inzwischen auch ein Medizinstudium abgeschlossen hat, im Nordosten Deutschlands.
Meine Meinung
Das Cover, in Schwarz und Blau gehalten, auf dem man ahnt, wie eine nebulöse Mädchengestalt (oder sind es mehrere?) im Wald verschwindet, lässt erahnen, dass es in Antonia Michaelis‘ neuem Roman schaurig wird.
Und dies bewahrheitet sich quasi von der ersten Seite an. Jari, ein Tischlergeselle auf Wanderschaft, stößt in einer kleiner Galerie in einem verschlafenen Dorf auf ein Bild, hinter dem sich etwas versteckt. Etwas Wahres, etwas Dunkles … er kann es nicht greifen. Er trifft auf die junge Malerin und von Faszination getrieben, folgt er ihr in den Nebelwald. Einen Wald, der dafür bekannt ist, dass viele, die hinein gehen, nicht mehr hinaus kommen.
Jari findet die Gefahr im Wald jedoch nicht in den Wölfen und der sagenumwobenen Bärin. Er findet ein Haus, in dem …
Nein, mehr möchte ich nicht verraten.
Ich verrate lieber etwas von meinen Leseeindrücken. Was meine letzten Thriller oder Horrorbücher gerne vermocht hätten – nämlich mir Gänsehaut zu verursachen und mich vor einem Knacken hinter mir zusammenzucke zu lassen – „Solange die Nachtigall singt“ hat das in beinah jedem Kapitel geschafft. Die Atmosphäre nimmt einen gefangen und ist fast greifbar, die Sprache untermalt das Gefühl, sich irgendwo (verloren) zwischen einem Märchen und der Realität zu befinden. Ich lese eigentlich immer schnell und lautlos – bei diesem Buch habe ich mir seitenweise den Text vorgeflüstert.
Die Spannung ist durchgehend hoch, weil unweigerlich so viele Fragen entstehen, deren Antworten nur nach und nach ans Licht kommen. Immer wenn man glaubt, man hätte die Autorin durchschaut, merkt man später, dass das, was man durchschaut hat, nur ein Ablenkungsmanöver war. Eine Kleinigkeit, hinter der sich die wahre Auflösung kichernd vor den Augen versteckt. Das ist ohne Frage ein "zweimal lesen Buch", denn beim zweiten Mal ist man völlig perplex, was man alles übersehen hat, obwohl man doch so gut aufgepasst hat.
Aber ich will nicht zu viel verraten.
Unbedingt sollte man sich den Trailer zum Buch anschauen, denn dann hat man unweigerlich das Lied im Kopf, das in diesem Buch eine große Rolle spielt, Fragen aufwirft und beantwortet.
Und man wird herrlich bekloppt im Kopf, wenn man nachts mit dem Hund am Waldrand entlang spaziert und sich dabei erwischt, dieses Lied (es ist ein richtiger Ohrwurm) leise zu singen. *Schauder*
„Solange die Nachtigall singt“ ist ein wundervoll geschriebener Roman für (junge) Erwachsene, keinesfalls ein Jugendbuch. Es ist abgründig, schaurig und birgt Romantik in tragischster Weise.
Der Mittelteil mag dem ein oder anderen sicher etwas zu lang erscheinen, wer aber die Sprache der Autorin zu schätzen weiß, wird sich daran nicht stören.
4,5 Punkte von mir. Ein Lese-Muss für jeden, der es nicht fürchtet, nah an Abgründe zu treten.
PS: Ich wollte den Vergleich wirklich vermeiden und ziehe ihn nur zu Hilfe, weil ich weiß, dass es Leser gab, denen der Märchenerzähler emotional zu wuchtig war; Leser, die das Buch lieber nicht gelesen hätten, weil es ihnen hinterher schlecht ging.
„Solange die Nachtigall singt“ ist anders. Es ist spannend und düster und tastet sich wieder an die Grenzen seiner Leser, überschreitet sie aber nicht, zumindest nicht so, wie der Märchenerzähler.
Es ist ein Buch und es bleibt ein Buch. Ein schönes Buch