Die Krim entdecken - Dagmar Sonderegger et al.

  • Der Markt ist ja nun wahrlich nicht überschwemmt mit ukrainischen Reiseführern, geschweige denn solchen für die Krim alleine und so hatte ich die Wahl zwischen einem Führer aus einer Reihe, die mich bisher nicht überzeugte, und eben diesem hier.


    Der Reiseführer ist klassisch unterteilt in einen allgemeinen Teil zu Geschichte, Sprache, Landschaft der Krim, einem speziellen Teil für die verschiedenen Touristenzentren (Südküste, Westküste, Ostküste, Simferopol, Sevastopol und das Krimgebirge) sowie einen praktischen Teil am Ende des Buches.


    Und das ist auch alles recht ausführlich, doch leider merkt man diesem Reiseführer an, dass seine Autoren sich zwar wirklich auskennen, das Ganze aber doch sehr unter einem geschichtlichen/politischen Fokus sehen. Die Geschichte wird zwar einerseits, besonders unter dem Aspekt der Krimtataren, gründlich beleuchtet, so gründlich, dass es sich ab und an wiederholt, doch dann gibt es wieder erhebliche Lücken. Was bringt es mir, wenn ich ausführlichst über die Frühbesiedlung der Krim informiert werde, von der es kaum noch sichtbare Relikte gibt, während ich mir Informationen über den allgegenwärtigen Krimkrieg aus über das Buch verstreuten Nebensätzen zusammensuchen muss.


    Sämtliche großen russischen Dichter scheinen eine Zeitlang auf der Krim gelebt zu haben, das heißt in fast jedem Kaff der Südküste war einer von ihnen zumindest mal zum Essen, was in dem Buch ausführlich gewürdigt wird. Ja, ich liebe Tschechov, aber deshalb muss ich mir nicht jede Schreibstube angucken, in der er mal ein paar Zeilen zu Papier gebracht hat.
    Andererseits fanden wir zufällig eine beeindruckende Kirche, über die jedoch ohne Russischkenntnisse selbst im Internet kaum was zu finden ist. In einem Reiseführer, der offenbar von kenntnisreichen Autoren geschrieben wurde, hätte sich eine solche wirkliche Insiderinformation wirklich gut gemacht, aber leider: Fehlanzeige.


    Die Attraktionen, die Natur und Landschaft so bieten, werden eher stiefmütterlich behandelt. Die Hauptattraktionen werden zwar erwähnt, aber die Informationen hierzu sind vage. Angaben wie „ca. 5km hinter dem Ort fängt der Wanderweg an“ oder „von hier aus kann man schöne Wanderungen unternehmen“ erweisen sich vor Ort als wenig brauchbar. Dass der Weg zur Marmorhöhle aus 12km furchteinflößender Schotterpiste besteht, und dass von der beschriebenen großartigen Natur auf Ai Petri leider nichts zu sehen ist, weil das da oben eine üble Touristenfalle ist, die im Müll erstickt: man hätte es ja wenigstens erwähnen können.


    Viel Raum bekommen auch die diversen Sagen und Überlieferungen, wo mich doch viel mehr die Kuriositäten des heutigen Alltags interessiert hätten. Was hat es mit den bändergeschmückten Bäumen auf sich, was mit den gigantischen Bauruinen?
    Statt den Rezepten für Borscht und Tschebureki hätten mir konkrete Informationen über dort übliches Essen mehr geholfen. Erst nach einer Woche fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren: das erste Wort auf den meisten Speisekarten heißt einfach „Butterbrot“ und das waren sogar recht köstliche Sandwichs und das nächste waren Blini, Pfannkuchen, womit eine brauchbare Kinderbespeisung gefunden war. Ich nehme mal an, für die krimerfahrenen Autoren waren solche Infos einfach zu banal, uns hätten sie aber so manchen Fehlgriff erspart.


    Insgesamt war mir dieser Reiseführer zu kulturbeflissen, ignorierte die spannenden, wenn auch vielleicht nicht spektakulären Eigenheiten des ukrainischen Alltags und setzte an anderen Stellen einfach zu viel Wissen bzw. Sprachkenntnisse des Krimreisenden voraus. Aber angesichts der spärlichen Auswahl ist dieser Reiseführer immer noch besser als gar nichts.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Vielen Dank für die Rezension, auch wenn mich meine Reisepläne in nächster Zeit nicht in Richtung Krim führen werden.


    Noch ein Wort zum Trescher Verlag:
    Aus der Reihe kenne ich den Reiseführer für Lettland, der mir ausgesprochen gut gefallen hat.
    In Zeiten, in denen der Trend zum Zweit- und Drittreiseführer geht, empfand ich den Band aus dem Trescher Verlag durchaus als Bereicherung in Sachen Kultur und Landschaft, vor allem wenn man Spaß an einer Nachbereitung der Reise hat und sich nicht allein aufs Konsumieren beschränkt. Die Schwerpunkte liegen nicht darauf, Hotels und Restaurants verschiedenster Kategorien aufzuzählen und das Reisen so bequem wie möglich zu machen, sondern etwas über Land, Leute und kulturelle Höhepunkte mitzuteilen.
    Wenn man dieses Konzept des Verlags, der m.E. eine brauchbare Alternative zu Dumont und Baedeker bietet, verstanden hat, dann werden die Reiseführer aus dem Trescher Verlag ihr entsprechendes Publikum finden. Dass dabei qualitative Schwankungen innerhalb der Reihe auftreten, dürfte ein Phänomen sein, von dem alle Reisebuchverlage betroffen sein dürften.
    Übrigens, den Band zu Nordkorea habe ich schon länger im Auge.