"Das Haus der verlorenen Düfte " von Melisse J. Rose

  • "Das Haus der verlorenen Düfte" - Titel und Klappentext lassen den geneigten Leser zunächst aufhorchen. Eine Geschichte um Parfums und deren Geheimnisse also? Eine Dynastie von Parfumeuren, die einem historischen Duft, der angeblich die Erinnerung an frühere Leben ermöglicht, auf die Spur kommen will? Ja und nein. Ja, denn es geht durchaus um Düfte und deren Herstellung, sowie um einige Anteile von Historie. Nein, denn die Autorin hat gleichzeitig noch andere Bücher und Genres in diesem Rahmen unterbringen wollen. Wir finden hier genauso Anteile einer eher schwülstigen Liebesgeschichte à la Barbara Cartland, Thriller und Verschwörung nach dem Vorbild von Crichton, Dan Brown & Co., sowie - man glaubt es kaum - einen Ausflug in die politischen und religiösen Wirren rund um Tibet. Ob man das alles nun als gelungen betrachtet, wird sehr von den persönlichen Vorlieben des einzelnen Lesers abhängen.


    Ich persönlich war eher verwirrt. Ich hatte mich überwiegend auf die Handlung rund um Düfte gefreut. Im Verlauf des Buches stellte sich aber heraus, dass die anderen Anteile genauso ihren Raum einnahmen. Doch innerhalb von ca. 400 Seiten konnte man wohl keine gleichmäßige Bearbeitung aller dieser Ansätze erwarten. Ich finde, die Autorin hat in diesem Buch "zu viel gewollt". Sie hätte sich lieber für "weniger" entscheiden sollen, dann hätte mich die ganze, eher kuriose Mixtur mehr überzeugt.


    Robbie und Jac L'Étoile streiten sich permanent, ob sie nun lieber den historischen Duft rekonstruieren und dem Geheimnis auf den Grund gehen, oder doch lieber die Firma retten und nüchtern denken sollen. Gleichzeitig dreht sich ein anderer Handlungsstrang um die politischen Wirren rund um Tibet: der seit zwanzig Jahren verschwundene Panchen Lama sinnt darauf, wie er sich dem bald in Paris weilenden Dalai Lama zu erkennen geben kann. Dann sind da noch die chinesische Regierung und die Triaden, die ebenfalls begehrlich auf den möglichen Zauber-Duft schauen - sie haben verständlicherweise keinerlei Interesse daran, dass Reinkarnationen "bewiesen" werden könnten. Und zu allem Überfluss kämpft Jac an allen möglichen, emotionalen Fronten - sie wehrt sich gegen Visionen von früheren Leben, die sie als "psychotische Schübe" abtut, und droht gleichzeitig ihrer alten Faszination für den Ex-Geliebten Griffin North zu erliegen... Klingt kompliziert? Ist es auch.


    Hatte ich mich zu Beginn noch auf die Duft-Handlung gefreut, musste ich bald feststellen, dass diese nur einen vergleichsweise kleinen Teil einnimmt. Sie wirkte eher verworren und verquer auf mich. Wesentlich überzeugender dargestellt fand ich die ganze Situation rund um den Panchen Lama, China und Tibet. Hier hat die Autorin erfreulich genau recherchiert, und ein recht getreues Bild der politischen und religiösen Situation abgeliefert. Die Szenen rund um diese Thematik sind glaubwürdig, und nicht zu ausufernd gehalten. Wesentlich "unschwülstiger" als der Rest.


    Ich gebe allerdings zu, dass die Autorin eine recht blumige Sprache und Darstellungsweise hat, sowie offenbar Jahre mit der Recherche der Duft-Thematik zubrachte. Das schlägt sich schon recht überzeugend im Text nieder. Allerdings strengte mich der Schreibstil schon im ersten Drittel des Buches ein wenig an, da sich die Autorin nicht verkneifen konnte, komplizierte persönliche Vorgeschichten der Figuren in komplexen, eingeschobenen Nebensätzen zu erläutern.


    Von der rein schriftstellerischen Technik her ist ferner zu erwähnen, dass sich die Autorin eher kurzschrittige Sequenzen ausgedacht hat. Teilweise sind die Kapitel nur wenige Seiten lang, und die verschiedenen Handlungsstränge werden wie in einem Hefezopf flott miteinander verschränkt. Zudem gibt es oft "Cliffhanger" gegen Ende, die erst ein oder zwei Kapitel später aufgelöst werden. Das diente der Spannung, ging aber wiederum zu Lasten der glaubwürdigen Charakterisierung der Hauptfiguren.


    Ich möchte das Buch nun nicht komplett aburteilen. Allerdings finde ich, dass es Autoren gibt, die einen solchen Genre-Mix wesentlich überzeugender hinbekommen als Melisse J. Rose. Ich kannte sie bislang nicht, und mir scheint, ihr eigentliches Gebiet sind Familien- und Liebesgeschichten. Im Thriller-, Historien- und Abenteuer-Milieu ist sie noch nicht recht "zu Hause". Doch das mögen andere Leser anders beurteilen. Ich gebe letztlich drei mehr oder weniger ratlose Sterne - für ein Buch, das ich in keiner Weise wirklich einordnen kann, und bei dem mir über weite Strecken die Identifikation mit den Hauptfiguren fehlte.

    Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. (Karl Valentin)

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