"Nie habe ich eine Geige mit einem solchen Klang besessen. Es ist, als folge meine Seele den Tönen in tiefste Schatten und hellstes Licht."
1948 wird in Russland der gefeierte Geiger Ilja Grenko direkt nach einem Konzert verhaftet. Seine wertvolle Geige, eine Stradivari, hat er bei sich. Anfangs glaubt er noch an ein Missverständnis, doch nach und nach muss er sich der Erkenntnis beugen, dass dem nicht so ist. Man beschuldigt ihn der geplanten Landesflucht und zwingt ihn, ein Geständnis zu unterschreiben. Als Druckmittel setzt man seine Familie ein und so gibt Ilja irgendwann nach und kommt in ein Arbeitslager. Doch sein Opfer rettet seine Frau Galina und die beiden Söhne nicht, sie werden in die Verbannung nach Kasachstan geschickt.
2008 erhält sein Enkelsohn Alexander, genannt Sascha, einen merkwürdigen Anruf. Seine Schwester, zu der er schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr hat, bittet ihn um Hilfe. Er macht sich auf den Weg nach München, doch er kommt zu spät. Er findet in Vikas Sachen Unterlagen über seinen Großvater und den wiederholten Versuch der Familie, die Geige zurückzubekommen. In welches Wespennest haben sie damit gestochen?
Der neue Roman von Mechtild Borrmann nimmt sich eines spannenden Themas an. Anhand des fiktiven Schicksals von Ilja Grenko erzählt sie den Leidensweg unschuldiger Gulag-Häftlinge nach und zeigt die Leichtigkeit, mit der in diesem großen Land einzelne Menschen aufgrund einer kleinen Fehlentscheidung verschwinden konnten. Ebenso zeigt sie die Macht, die einflussreiche Militärs, Politiker und Verbrecher-Syndikate in Russland bis heute haben. Auf der anderen Seite zeichnet sie aber auch ein Bild von Menschen, die einander helfen und füreinander einstehen.
Die Verknüpfung zweier Zeitebenen gelingt ihr auch in diesem Buch wieder sehr gut, einerseits das Schicksal von Ilja und Galina in der Vergangenheit und andererseits die beinahe schon thrillermäßige Handlung um Sascha in der Gegenwart. Hier hätte mir ein bisschen weniger Action allerdings auch nichts ausgemacht.
Obwohl mich die Thematik an sich anfangs nicht unbedingt interessiert hat, ist es der Autorin einmal mehr gelungen, mich durch ihren wunderbaren Schreibstil zu fesseln und zu begeistern.