Kurzbeschreibung:
„Maikäfer flieg – der Vater ist im Krieg“ Sommer 1945. Deutschland liegt in Trümmern, von Düsseldorf sind nur noch Ruinen übrig. Die Hebamme Käthe Mertens leidet unter der Trennung von ihrem Mann Wolf, der im Krieg verschollen ist. Eines Nachts taucht eine junge Frau bei ihr auf. Ingrid ist schwanger und völlig verstört. Sie will Käthe nicht sagen, wer der Vater ihres Kindes ist, sondern summt immer nur die Melodie von „Maikäfer flieg“. Käthe zögert nicht lange, sie hilft Ingrid, indem sie in einer halb zerstörten Arztpraxis eine Abtreibung vornimmt. Ingrid verschwindet nach dem Eingriff spurlos, aber wenige Wochen später erscheint ein anderes junges Mädchen bei Käthe, das ebenfalls schwanger ist. Zusammen mit ihrer Freundin Lilo beschließt Käthe, bedrängten Frauen zu helfen – trotz der Gefahr, als „Engelmacherin“ im Gefängnis zu landen. Dann taucht Ingrid wieder auf, erneut schwanger, und beginnt Käthe zu erpressen. Die berührende Geschichte zweier Frauen im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland – ein Roman über Suche, Wahrheit und die Kraft, sein Leben zu meistern.
Über die Autorin:
Gina Mayer, 1965 in Ellwangen geboren, lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf. Sie studierte Grafik-Design und arbeitete einige Zeit als Werbetexterin. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder, begann sie Bücher zu schreiben. 2006 erschienen ihre ersten Romane. Sie schreibt für Erwachsene und Jugendliche, am liebsten Krimis.
Meine Meinung:
Nicht mein erstes Buch von Gina Mayer aber eines der beeindruckendsten. Die Geschichte beginnt gleich nach dem Krieg in einer ziemlich düsteren zerbombten Stadt, in der Käthe versucht, irgendwie über die Runden zu kommen ohne zu verhungern oder zu erfrieren. Sie arbeitet selbständig als Hebamme und lebt davon mehr schlecht als recht. Bis Ingrid sie anspricht und für einen Pelzmantel um eine Abtreibung bittet. Käthe weiß, dass sie mit ihrem Einverständnis einen Strudel der Ereignisse auslöst und kann dennoch nicht ablehnen. Bald trifft sie auf Lilo, die sie noch von besseren Zeiten her kennt und diese begreift schnell, dass sich mit Abtreibungen das Überleben einer ganzen Familie sichern lässt. Ihrer Familie, die ihr nervenkranker Mann nicht mehr ernähren kann. Also überredet sie Käthe zu einer Art Abtreibungsklinik im großen Stil. Dies wird schnell zu ihrer aller Lebengrundlage, aber das bittere Ende kommt noch.
Dies ist keine leichtfüßige Geschichte sondern ein trauriges scharf gezeichnetes Bild einer Generation, die versucht den Krieg und seine Gräuel zu verarbeiten. Die einzelnen Lebensgeschichten der Protagonisten sind stellvertretend für die meisten Deutschen der damaligen Zeit. Vom Mitläufer bis zum Täter, vom Wegschauen und Totschweigen, vom Rache wünschen und ins Schicksal fügen, von Deutschen und Juden und Besatzern. Keine bedrückende Wahrheit wird verschwiegen, kein Thema beschönt oder verteufelt. In einer klaren und eindringlichen Sprache beschreibt Gina Mayer das Elend und die Verzweiflung der Überlebenden, die alles erlebt haben. Vergasung, Kampf in Russland, Zwangssterilisation, Verrat, Hunger, Krankheit. Vor allem das Hadern mit Gott ist ein großer Punkt im Roman. Warum er dies alles zulassen konnte. Ob er als Seelentröster überhaupt noch taugt oder ob man einfach nicht mehr an einen Übervater glauben kann, der ein wohlwollendes Auge auf eine Menschheit hat, die sich aufs grausamste gegenseitig umbringt.
Fast auf jeder Seite entblättert sie neue Wahrheiten, stellt Fragen nach dem Sinn, rüttelt an den Grundfesten der gesellschaftlichen Normen, die ein Krieg immer außer Kraft setzt.
Das Buch bedrückt und lässt einen nicht los. Seine Fragen setzten sich im Kopf des Lesers fest und man muss die Geschichte für sich sicher erst mal verarbeiten. Aber es ist eine Geschichte, die man unbedingt immer wieder erzählen sollte und die in dieser Form wirklich hervorragend umgesetzt wurde.
Am Ende bleibt durchaus ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass bis zu einem gewissen Grad solche traumatischen Erlebnisse verarbeitet werden können. Aber auch, dass man gewahr sein muss, dass die "braune Scheisse" noch unter uns schwelt und sie nicht wieder hervorbrechen darf.
Ein tolles Buch, welches ich sehr empfehlen kann.