Falsche Vaterliebe

  • Die Betroffenheit kann durchaus echt sein, aber die Umsetzung ist definitiv in die Hose gegangen.


    Er hat eine Gedichtform gewählt, die üblicherweise dazu geeignet ist, harmlose, eher schöne Dinge darzustellen. Wäre das Gedicht wenigstens in dieser Form handwerklich absolut ok, könnte evtl. genau in diesem Bruch zwischen Inhalt und Form etwas Beissendes seim, wenn sich ein echter Könner an so etwas heranwagte.


    Leider erfüllt es aber nicht einmal die einfachen Formvorschriften und immer wieder hat man den Eindruck, dass es sich vor allem reimen muss - dabei kann ich mir gerade auf Kindesmissbrauch überhaupt keinen Reim machen!

  • Die Betroffenheit steht außer Frage, aber Literatur ist keine Frage der ethischen Haltung, sondern nicht zuletzt der "handwerklichen" Fertigkeiten und wie diese verwendet werden, um das Thema umzusetzen, damit man sein Ziel erreicht.
    Oder wie Albert Camus einmal schrieb: "Das erste, was ein Schriftsteller lernen muß, ist die Kunst, das, was er empfindet, umzusetzen in das, was er empfinden lassen will."


    Aber hier steht eine krasse Diskrepanz zwischen dem gewählten Thema und der handwerklichen Umsetzung. Ich und etliche andere hier empfinden mitnichten das, was Azariel uns empfinden lassen will


    Und das hat m.A.n. einen ganz einfachen Grund: Das Gedicht ist Kitsch pur!


    "Im heutigen Sprachgebrauch meint der Begriff meist Darstellungen oder Gegenstände, die eine Tiefe vortäuschen, welche sie nicht besitzen, um dadurch schön zu wirken. Auch die Nachahmung klassischer Gestaltung und das Überzeichnen von Klischees wird oft als kitschig bezeichnet. Kitsch gilt nur selten als originell, sondern häufig als grotesk, pathetisch, sentimental, modisch, gefällig oder nachahmend. Als Kitsch gelten häufig solche Darstellungen, die an unkritische Gefühle und Mehrheitsstimmungen appellieren [...]" (aus Wikipedia s.v. "Kitsch", Hervorhebung von mir)

  • ich überlege auch gerade, was mich dazu bringt, mich mit diesem topic hier so auseinanderzusetzen.
    da ich immer zuerst einmal das gute annehme, gehe ich davon aus, dass es ein versuch war, das thema kindesmissbrauch wieder einmal ins bewusstsein zu bringen und/oder etwas zu verarbeiten, mit dem a. in seiner ausbildung konfrontiert wurde.
    der rest ist dann... was macht das ganze mit mir?
    ich fühle mich hilflos und ich sehe, dass hier einiges "gegen" dieses gedicht gesagt wird, was stimmt.
    irgendwie geht es mir dabei vielleicht deshalb nicht gut, weil auch oft die betroffenen kinder, so sie denn überhaupt sich zu äussern versuchen, "abgewürgt" werden.
    sorry, wenn ich das nicht besser erklären kann:-(


    hat sich überschnitten, iris.
    sind gefühle nicht immer unkritisch?

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

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  • Iris,


    auch wenn du heute Geburtstag hast, muss ich dir Widerworte geben.


    Wieso ist Literatur keine Frage der ethischen Haltung? Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Macht und Aufgabe von Sprache. Literatur ohne ethische Haltung gibt es m.E. nicht.


    Du und einige andere empfinden mitnichten das, was Azuliel (mein Gott, ich kann mir den Namen nicht merken) euch empfinden lassen möchte. Das ist ja mal die pure Spekulation. Woher weißt du denn, was Azu.. euch empfinden lassen möchte?


    Kitsch: Wieso unkritische Gefühle?


    Mag sein, dass das Gedicht große handwerkliche Mängel aufweist, doch wir sollten uns nicht vorschnell zu Beurteilungen der Absichten des jungen Dichters hinreißen lassen.
    Das ist einfach nicht sachlich.

  • Zitat

    Original von frosch1
    irgendwie geht es mir dabei vielleicht deshalb nicht gut, weil auch oft die betroffenen kinder, so sie denn überhaupt sich zu äussern versuchen, "abgewürgt" werden.


    Wie bitte?


    Sorry, aber wenn jemand ein Gedicht irgendwo reinstellt, dann wird das Gedicht diskutiert. Azariel hat *nicht* geschrieben: "Helft mir! Mir / Einer Freundin (o.Ä.) ist forlgendes passiert!", sondern einen literarischen Text hier präsentiert.
    Und den bewerten wir hier nach literarischen Kriterien! Das ist alles.

  • Hallo, Ines.


    Das eine geht nicht ohne das andere; ohne handwerkliche Hintergründe ist es keine Literatur, ohne (auch emotionale) Abstraktion ist es keine Fiktion. Betroffenheit, Stellungnahme, sogar Kampfaufforderung: Ja! Aber vermeintliche Authentizität ist kein Argument für oder gegen irgendwas, wenn es um Literatur geht!


    Zitat

    Mag sein, dass das Gedicht große handwerkliche Mängel aufweist, doch wir sollten uns nicht vorschnell zu Beurteilungen der Absichten des jungen Dichters hinreißen lassen. Das ist einfach nicht sachlich.


    Mir sind, solange es um den Text geht, die Absichten des "jungen Dichters" völlig schnuppe. Und Spekulationen darüber, warum dieser Text entstanden ist, machen keinen Sinn; wenn der Autor uns das sagen will (weil es irgendwie zum Text gehört? <grübel>), dann wird er das schon tun.



  • Gerade dieser Absatz ist mir auch aufgefallen.


    Auf mich wirkt er auch eher pornografisch. Ich stell mir bei den Gedanken eher eine erwachsene Frau mit ihrem / einem Mann vor. Die Gedanken wirken auf mich relativ abeklärt und als hätte sie bereits Erfahrungen mit dieser Thematik gemacht, was ja auch sein kann...


    Es wirkt für mich so, als würde die Person resignieren und die Sache nicht an sich heranlassen und sich jeglichen Emotionen verweigern, was ja auch nachzuvollziehen wäre.


    Gerade der letzte Satz wirkt für mich wie Seufzer in der Art von "Das nervt, ich will das nicht mehr." Aber wie gesagt relativ emotionslos und erfahren bis erwachsen.


    Vielleicht soll das ja auch so rüberkommen. Vielleicht interpretiere ich das auch völlig falsch.



    Was sagt denn der Autor dazu? Der könnte sich ruhig mal zu der Diskussion hier äußern, dann könnten wir zumindest mit IHM darüber diskutieren.

    Ronja



    "Braucht's des?!"
    (Gerhard Polt)

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  • Da muss ich Dir völlig recht geben , allein das Thema ist abscheulich etc. das Gedicht absolut nicht.



    Zitat

    Original von Tom
    Das Gedicht hat zwei große Probleme: Es wirkt - vielleicht unfreiwillig, nehme ich zugunsten des Autors an – komisch



    Also tut mir leid , aber ich kann , bei aller liebe , nichts komisches an dem Gedicht finden.



    Zitat

    Original von Iris
    Das Gedicht ist Kitsch pur!



    Was ist denn an dem Gedicht bitte kitschig?



    Das Gedicht ist weder kitschig , noch komisch , noch abscheulisch. Allein das Thema ist abscheulich. Und wichtig ist auch nicht wie das Gedicht geschrieben ist , sondern allein die Aussage etc. ist wichtig. Es gibt schlechtere Gedichte , als ihr das hier darstellt und ich möchte aluziel
    entgegen allen meinungen gerne sagen das er das sehr gut gemacht. Er hat das Thema (meiner Meinung nach) sehr gut auf den Punkt gebracht und das das Thema abstoßend ist liegt nicht in der Macht des Schreibers.


    Nicht das ihr mich falsch versteht , natürlich respektiere ich auch eure Meinungen.



    LG :wave

  • Hallo, Leseratte007.


    :rofl


    Zitat

    Liebe Tochter zier´ dich nicht
    Schalt´ auch aus das helle Licht


    Das findest Du nicht komisch? Wilhelm Busch unter Drogen, mit Verlaub. :grin


    Es ist immer das gleiche: Jemand kommt mit einem absoluten Holzhammerthema, weil der Fehlglaube vorherrscht, je ernster, schwerer, "populärer" eine Thematik, umso einfacher wäre es, die Leser für sich einzunehmen, und er erlebt eine Bauchlandung. Die Gutmeinenden aber können (oder wollen) zwischen der Thematik und ihrer literarischen Aufbereitung nicht unterscheiden, weil sie glauben, hier würden die "Opfer" (bezogen auf die Thematik) kritisiert, und nichts könnte weniger der Fall sein. <kopfschüttel>

  • Zitat

    Original von leseratte007
    Und wichtig ist auch nicht wie das Gedicht geschrieben ist , sondern allein die Aussage etc. ist wichtig.


    Wie bitte??
    Es geht hier doch um Literatur, oder? Wenn man stets nur die Aussage von Literatur bewerten würde und nicht das Handwerk, daß eigentlich davor kommt, dann gute Nacht.


    Gruss,


    Doc

  • :wave

    Zitat

    Original von Iris


    Wie bitte?


    Sorry, aber wenn jemand ein Gedicht irgendwo reinstellt, dann wird das Gedicht diskutiert. Azariel hat *nicht* geschrieben: "Helft mir! Mir / Einer Freundin (o.Ä.) ist forlgendes passiert!", sondern einen literarischen Text hier präsentiert.
    Und den bewerten wir hier nach literarischen Kriterien! Das ist alles.


    ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, was du mir da sagen möchtest.
    DASS aluziel (nicht azariel*g*) sein gedicht der kritik aussetzte, schrieb ich doch schon auf der vorseite


    "klar stellt aluziel es hier zur diskussion."

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Zitat

    "klar stellt aluziel es hier zur diskussion."


    Ich denke nicht, denn er beteiligt sich nicht daran.


    Klar ist das bitter, wenn man so geballte Kritik hört, aber wenn er es von seiner Person trennt, nimmt er vielleicht etwas mit, das ihm hilft, in Zukunft Fehler zu vermeiden. Sonst ist unsere Diskussion hier ohnehin vergebliche Liebesmüh.

  • habt ihr einmal daran gedacht, dass nicht jeder so viel zeit am pc verbringen kann? und auch nicht jeder ansonsten so viel pc-dinge zu erledigen hat, dass er eine flatrate oder vielleicht sogar einen eigenen pc daheim hat??

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Wer so einen Text hier reinstellt, muss mit Reaktionen rechnen und wenn ihm diese Reaktionen wichtig sind, sollte er vielleicht etwas Zeit aufwenden.


    Aber möglicherweise hast du recht, und er liest sich das durch und äußert sich. Warten wir ab.

  • Zitat

    Original von Ines
    Wieso ist Literatur keine Frage der ethischen Haltung? Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Macht und Aufgabe von Sprache. Literatur ohne ethische Haltung gibt es m.E. nicht.


    Das ist etwas anderes. Grundsätzlich hast du recht.


    Aber dieser Text bedient eine Haltung, die selbstverständlich sein sollte -- und wenn man den Schlagzeilen und dem Tenor der Berichterstattung in den Massenmedien betrachtet, auch allgemeiner Konsens ist. Damit ist der Text in seiner Wirkung ist nichts als eine Rückkopplung, weil er nichts Neues enthält und keine Provokation hervorruft, sondern nur vorhandene Emotionen nochmals aufwallen läßt.


    Zitat

    Das ist ja mal die pure Spekulation. Woher weißt du denn, was Azu.. euch empfinden lassen möchte?


    Wenn die Absicht nicht die ist, Ekel und Abscheu vor einer solchen Tat und Mitleid mit dem Opfer zu empfinden, was denn dann? :wow


    Und ich empfinde nichts, das dem auch nur annähernd ähnelt. Ich ärgere mich bloß, daß jemand ein dermaßen großes, wichtiges Thema benutzt, weil er sich damit offenkundig außerhalb jeder sachlichen Kritik an der Umsetzung stellen kann.


    Das finde ich unsachlich! -- Nichts für ungut.

  • Gesucht wirkende Reime und holpriges Versmaß lassen ernst gemeinte inhaltliche Aussagen schnell in die Lächerlichkeit abgleiten. Deshalb sollten diese klassischen Kunstmittel nur von Dichtern eingesetzt werden, die sie auch beherrschen. Gekonnt angewandt öffnen nämlich Reim und Versmaß das Tor zum vollkommenen Kunstgenuss.


    Reinhard Schmidt

  • Hmm, ihr habt mich da tatsächlich zum Nachdenken gebracht und mittlerweile bin ich eigentlich auch eurer Meinung. Kritisch betrachtet stimmt es, was ihr sagt.


    Und eben habe ich mir gerade die Homepage des Schreiberlings begutachtet, um mir mal ein Bild zu machen. (Man weiß ja nie, ob einem das hilft, die Motivation und Inspiration besser zu verstehen) Und dies hat ebenso dazu beigetragen, das Gedicht noch kritischer zu sehen...sorry...