H. Dieter Neumann - Die Narben der Hölle

  • Titel: Die Narben der Hölle
    Autor: H. Dieter Neumann
    Verlag: Südwestbuch
    Erscheinungsdatum: Oktober 2012
    Ausgeliefert: August 2012
    Seitenzahl: 290
    ISBN-10: 3942661683
    ISBN-13: 978-3942661683
    Preis: 12.50 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Hat er bei seinem letzten Einsatz in Afghanistan, den er selbst nur knapp überlebte, zwei unschuldige Kinder getötet? Johannes Clasen kann sich an die Minuten, die sein Leben scheinbar für immer zerstört haben, nicht erinnern: Kongrade Amnesie. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hofft er, auf einem Segeltörn in der Ägäis seinen Frieden zu finden. Doch kaum in der Türkei angekommen, wird er dort von Unbekannten verfolgt. In einer abgelegenen Bucht kommt es schließlich zum Kampf auf Leben und Tod zwischen ihm und seinen geheimnisvollen Gegnern. Erneut muss er sein Leben riskieren und dabei erkennen, dass er einen erbarmungslosen Feind hat, dessen mächtiger Arm vom Hindukusch bis an die Ägäisküste reicht.


    Der Autor:
    H. Dieter Neumann war Offizier in der Luftwaffe der Bundeswehr. Anschließend wurde er Vertriebsleiter und Geschäftsführer in der Versicherungswirtschaft, bevor er sich ganz aufs Schreiben verlegte. Der passionierte Segler lebt in der Nähe der Ostseeküste in Schleswig-Holstein.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch hat mich wirklich und wahrhaftig überrascht. Hatte ich doch weniger - genaugenommen sogar viel weniger - erwartet, als das was ich dann zu lesen bekam. Der Autor hat es geschafft diese Geschichte zu einem kompakten Ganzen zu machen. Und mit jedem Satz merkt der Leser, dass hier jemand schreibt, der genau weiß wovon er schreibt, der sich sehr nahe an der Realität bewegt. Herausgekommen ist ein Thriller mit einem klaren aktuellen politischen Bezug zur Lage der deutschen Soldaten in Afghanistan - Soldaten die sich immer wieder in politischen Fallstricken verheddern, Soldaten denen oftmals der Sinn ihres Einsatzes nicht so ganz klar wird. Soldaten, die leider sehr oft auch vom Ränkespiel maßgeblicher Politiker und hoher Militärs für dumm verkauft werden.
    All das wird hier klar und transparent geschildert.
    Und all das mündet darüber hinaus in einer spannenden Geschichte. Einer Geschichte die sich auch mit den Machtverhältnissen in Afghanistan beschäftigt und auseinandersetzt, die klar und deutlich zeigt, wie sich hier zwei Kulturen gegenüber stehen, die jeweils mit der anderen Kultur nicht allzuviel anzufangen wissen.
    Das Buch ist in einem sehr angenehmen und gut zu lesenden Stil geschrieben. Und man hat als Leser schon leichte Zweifel, ob es sich hier wirklich um ein Erstlingswerk handelt. Da schreibt jemand, der schreiben kann und da schreibt aber auch jemand, der sich an diesem Erstlingswerk wird messen lassen müssen - denn ein zweites Buch scheint bereits ins Rohr geschoben worden zu sein.
    Ein lesenswertes Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Bundeswehr, Afghanistan Thriller. Klingt nach einer interessanten Mischung.
    Danke Voltaire für die tolle Rezi! :wave


    Dieses Buch werde ich mir merken.

    Es geht uns mit den Büchern wie mit den Menschen. Wir machen zwar viele Bekanntschaften, aber wenige erwählen wir zu unseren Freunden, unseren vertrauten Lebensgefährten.
    Ludwig Feuerbach (1804-1872)

  • Ich hab's auch schon daheim. Leider kam es erst in meinem Urlaub an und nicht davor, sonst hätte ich mich schon darauf gestürzt.
    So kann ich bislang erst sagen: die Widmung gefällt mir ;-) Aber bald mehr!


    @ Dieter: Herzlichen Gruß an Deine Frau!


    Liebe Grüße
    Kirsten

  • Der Autor H. Dieter Neumann ist verhältnismässig spät zum Schreiben gekommen und veröffentlicht diesen, seinen ersten, Roman erst nachdem er in den Ruhestand getreten ist. Ich konnte Dieter Neumann kurz kennenlernen und mit ihm über seine Beweggründe für diesen eher etwas ungewöhnlichen Krimi/Thriller sprechen. Durch seine Karriere bis in hohe Offiziersgrade der Bundeswehr kennt er die Abläufe mit allen Herausforderungen die sich vom Soldaten bis hin zu den Oberbefehlshabern tagtäglich stellen aus den sprichwörtlichen Eff-Eff und besitzt aufgrund seiner Lebenserfahrung das Urteilsvermögen Details zu Auslandseinsätzen so niederzuschreiben, dass sie für den Leser einen Mehrwert darstellen aber für die derzeit in Afghanistan stationierten Einsatzverbände nicht zu viel über interne Abläufe preisgeben. Die verworrene politische und wirtschaftliche Situation des kriegsgebeutelten Landes am Hindukusch bekommt eigene Handlungsstränge und spielt so nicht nur eine entscheidende Rolle in diesem Thriller sondern sie zeigen die Probleme der UNO auf mit den lokalen Warlords (Kriegsfürsten), dem Drogenanbau und -handel sowie der Korruption die den Aufbau einer verlässlichen Sicherheitsstruktur fast unmöglich machen.


    Johannes Clasen ist einer jener Soldaten die dem Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, kurz KSK, angehören und im Auslandseinsatz in Afghanistan stationiert sind. Bei einem geheimen Einsatz wird er verwundet, wird bewusstlos und erlebt die entscheidenden Minuten einer Befreiungsaktion nicht mehr mit. Er erleidet einen Gedächtnisverlust, Kongrade Amnesie lautet die unbefriedigende Diagnose und er wird beschuldigt bei der Aktion zwei unschuldige Kinder getötet zu haben. Die quälende Ungewissheit nagt an ihm, denn die Indizien belasten ihn schwer. Was hat sich in den entscheidenden Minuten Tatsächlich abgespielt? Hat er wirklich zwei Kinder auf dem Gewissen? Auf einem Segeltörn in der Ägais vor der Küste der Türkei versucht Johannes Clasen sich vom Trauma zu erholen und zu vergessen oder eben gerade das Gegenteil, sich die lästige Erinnerungslücke endlich ins Gedächtnis zu rufen. In einer landschaftlich malerisch schönen Bucht holt ihn die leidvolle Geschichte schneller ein als ihm lieb ist und ein erbitterter Kampf auf Leben und Tod beginnt. Wer sind die fremden Attentäter die ihm nach dem Leben trachten? Reicht das spinnennetzartige Beziehungsgeflecht der Taliban bis ans Mittelmeer oder stecken da gaaaanz andere Gründe dahinter?


    Ich bin erfreut, dass sich der Autor die Freiheit nimmt, einen Thriller abseits der ausgelatschten Pfade des Genres zu schreiben. Den 1347 Thriller mit einem psychopathischen Schlitzer der seine Opfer quält braucht fürwahr niemand mehr. Einen konfliktgeladen Krimi mit einem heiklen politischen Hintergrund und einem Handlungsort der beinahe tagtäglich in der Tagesschau/Nachrichten erwähnt wird hingegen schon. Taliban, Hindukusch, Paschtunen, Kunduz und Mullahs – hundertmal gehörte Wörter deren Bedeutung mir teilweise nie ganz klar war, hier in diesem Buch kriegen sie eine Bedeutung und ein Gesicht. Ausserdem wird es Zeit, das ein brisantes gesellschaftliches Thema angepackt wird, der Krieg der in den Seelen und dem Gewissen deutscher Soldaten im Auslandseinsatz tobt.


    Für mich ein gelungenes Debüt und ich traue dem Autoren durchaus zu sich mit zunehmenden Erfahrungen in der Literaturszene durchzusetzen. Das Potential ist vorhanden genauso wie es die ein oder andere schriftstellerische Verbesserung auch ist. Ich hoffe, er bleibt seinem Credo treu, Geschichten hinter der Geschichte etwas abseits des Mainstreams zu schreiben. Da es keine halben Punkte gibt, runde ich auf und bewerte das Buch mit 8 Eulenpunkten.

  • Ein garstig Lied.Pfui! Ein politisch Lied.


    Das so was nicht ankommt wusste schon Goethe, kein Wunder also, dass so ein Buch nicht als Buch des Monats in einem Massenverlag erscheint, sondern der Mundpropaganda bedarf, Ein Buch das zum einen ein spannender Thriller ist und auch als solcher "nur" gelesen werden kann, aber auch ein Buch, das weitere Themen huckepack transportiert. Zum einen die potstraumatischen Belastungen, die einem Soldaten nach einem Einsatz in Afghanistan das Leben nachhaltig verändern, der Verlust der Freundin, die nicht mit ihm leben kann, der Verlust von Lebensqualität, zum anderen der Grund warum, die Frage warum? Was passiert dort am Hindukusch in unser aller Namen, wollen und wollten wir das? Können wir das verantworten oder sehen wir einfach weg? Der Autor beschreibt die realistische Ist- Situation in Afghanistan mit allen Problemen. Die unterschiedlichen Aufträge von Bundeswehr und verbündeten Truppen, die Tatsache, dass die afghanischen Bauern nur durch den Anbau von Opium und Hanf überleben können und wenige Warlords dadurch schwer reich werden. Die Stammesstrukturen, die so etwas wie Demokratie als sinnlosen Zwang von außen erscheinen lassen - und mittendrin die Soldaten, die gerne helfen würden, aber nicht wissen wie und die immer damit rechnen müssen, dass dort wo sie gestern noch geholfen haben heute eine tödliche Falle lauert. All das verpackt der Autor in einen Roman, dessen Spannungsbogen bis zu Schluß hält. Ich Wünsche dem Buch viele Leser, viele nachdenkliche Leser.

  • Ein spannender Roman mit den Handlungsorten Deutschland, Türkei und Afghanistan. Es geht um Bundeswehreinsätze, Killerkommandos, internationaler Drogenhandel etc. und nebenbei erfährt man sogar noch ein wenig über das Segeln. Ansonsten ist zum Inhalt ja bereits genug geschrieben worden.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Durch regelmäßige Wechsel der Handlungsorte und Zeitensprünge erfährt der Leser das Thema aus mehreren Blinkwinkeln und es bleibt durchgängig spannend und politisch hochaktuell. Vor allem, wenn man an die aktuellen Diskussionen zum Bundeswehreinsatz in der Türkei denkt.


    Von mir gibt es 9 Punkte und beim nächsten Mal dürfen es auch gerne mehr als die 288 Seiten sein.

  • Inhalt: Der Bundeswehr-Hauptmann Johannes Clasen leidet, ausgelöst durch traumatische Erlebnisse bei einem Afghanistan-Einsatz, unter kongrader Amnesie, die seine Erinnerung an einem Einsatz ausgelöscht hat, in deren Verlauf er zwei Kinder getötet haben soll. Um wieder zu sich selbst zu finden, unternimmt er eine Segeltour in der türkischen Ägäis. Dort wird er von Fremden attackiert, die ihm offenbar nach dem Leben trachten...


    Autor: Heinrich Dieter Neumann ist ein ehemaliger Offizier der Bundeswehr, der sich nach seiner Pensionierung neben seiner großen Leidenschaft, dem Segeln, dem Schreiben von Romanen widmet. Mit "Die Narben der Hölle" legt er seine Debütveröffentlichung vor.


    Meine Meinung: Ich bin mit großen Erwartungen an dieses Buch gegangen , da ich bereits vielversprechende Rezensionen von "renommierten" Rezensenten gelesen habe. Außerdem interessierte mich die Konstellation, einen spannenden Thriller zu erleben, der sich fernab der üblichen Themen des Genres mit einem politischen Thema der Gegenwart auseinandersetzt.


    Das Thema Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist mehr oder weniger für jeden von uns präsent, denn über 3,4 Ecken kennen wir fast alle Jemanden der davon direkt betroffen ist. Wir wissen um die Schwierigkeit dieser Mission. Wir wissen um die Diskrepanz, die der öffentliche Auftrag und die vorgefundene Realität bilden. Wir wissen, dass Afghanistan ein unregierbares Land ist, das von der Opiumproduktion lebt, in dem die neu geschaffenen Sicherheitskräfte es nicht schaffen, althergebrachte Strukturen zu zerstören. Und wir wissen um die Hoffnungslosigkeit der militärischen Mission.


    Was uns nicht beantwortet wird, sind Fragen wie, wo steht die Bevölkerung in diesem Land? Welche politischen und religiösen Strömungen bilden sich heraus und wie beeinflussen sie das Stimmungsbild? Gibt es eine gemeinschaftliche Kultur oder Tradition, die historisch begründet ist? Welche Rolle spielen heute noch die Initiatoren der Saur-Revolution? Woher kommen die Taliban, wie radikal sind die wirklich und welche Akzeptanz haben sie in der Bevölkerung? Welche Rolle spielen Mächte wie Pakistan, Indien und Saudi- Arabien in dem Konflikt ... und vieles mehr.


    Eine spannende Handlung Und Einblicke hinter die Kulissen. Was kann es reizvolleres geben. Ein hoher Anspruch mit dem der Autor antritt, um sich vom Mainstream abzugrenzen und bei einem kleinen aber sehr feinen Verlag seine hochgesteckten Ambitonen zu verwirklichen.


    Das Projekt ist sehr gut aufgesetzt. Eine Handlung in mehreren Zeitebenen, die sich peux á peux dem Höhepunkt nähert. Ein raffiniert eingefädelter Handlungsablauf, der sich sehr schnell zum Pageturner entwickelt. So die sehr gute erste Hälfte.


    Letztlich scheitern aber beide Zielstellungen. Spannung bis zu Schluss? Fehlanzeige. Zur Mitte des Buches bricht die Spannung urplötzlich ab, die offenen Fragen werden häppchenweise geklärt, es gibt nichts was man von einem guten Thriller gewohnt ist, wie rasante wechselvolle Szenen, überraschende Wendungen, Aha-Erlebnis kurz vor dem Ende. Es geht in der zweiten Hälfte nur noch um Abrechnung und Selbsfindung


    Auch die politische Dimension fristet ein Schattendasein. Die Situation in Afghanistan wird undifferenziert und klischeebeladen transportiert. Das eigentliche Anliegen, die Fragwürdigkeit der Legitimierung des Einsatzes zu beleuchten, verkümmert zur Randnotiz. Zu den oben zitierten Fragen erhalte ich keine Antwort. Die Afghanen scheinen ein Volk zu sein, dem nicht zu helfen ist. Verschlagen unberechenbar und illoyal.


    Der Auter versteht die Kunst, Wörter so aneinanderzureihen, dass man Handlungen und Empfindungen nachvollziehen kann. Es ist kein schlechtes Buch. Ein Anfang ist getan. Jetzt müssen weitere Schritte folgen, nämlich einen guten Anfang auch ins Ziel zu führen. Ich denke bei den 6 Punkten, die ich zu vergeben habe, muss für Heinrich Dieter Neumann noch nicht Schluss sein.

  • Heinrich Dieter Neumann: Die Narben der Hölle
    ISBN: 9783942661683
    Südwestbuch Verlag, 290 Seiten, 12.50 €


    Über den Autor:
    H. Dieter Neumann war Offizier in der Luftwaffe der Bundeswehr. Anschließend wurde er Vertriebsleiter und Geschäftsführer in der Versicherungswirtschaft, bevor er sich ganz aufs Schreiben verlegte. Der passionierte Segler lebt in der Nähe der Ostseeküste in Schleswig-Holstein.


    Inhalt:
    Hat er bei seinem letzten Einsatz in Afghanistan, den er selbst nur knapp überlebte, zwei unschuldige Kinder getötet? Johannes Clasen kann sich an die Minuten, die sein Leben scheinbar für immer zerstört haben, nicht erinnern: Kongrade Amnesie. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hofft er, auf einem Segeltörn in der Ägäis seinen Frieden zu finden. Doch kaum in der Türkei angekommen, wird er dort von Unbekannten verfolgt. In einer abgelegenen Bucht kommt es schließlich zum Kampf auf Leben und Tod zwischen ihm und seinen geheimnisvollen Gegnern. Erneut muss er sein Leben riskieren und dabei erkennen, dass er einen erbarmungslosen Feind hat, dessen mächtiger Arm vom Hindukusch bis an die Ägäisküste reicht


    Rezension:
    Afghanistan ist ein Land voller Gegensätze. Die ruhig gelegenen, malerischen Landschaften vermitteln eine trügerische, friedliche Atmosphäre. In Wahrheit jedoch ist die Region vor dem Hindukusch ein von menschlichen Tragödien überzogenes Krisengebiet. Andauernde kriegerische Auseinandersetzungen, religiöse Fanatiker und eine praktisch nicht existierende Wirtschaft haben das Land zugrunde gerichtet. In diesem Chaos versucht nun schon seit vielen Jahren ein Internationales Militärbündnis für Recht und Ordnung zu sorgen, darunter auch Soldaten aus Deutschland. Fast wöchentlich erreichen uns Nachrichten von Anschlägen, Entführungen oder neuen Fällen von Korruption. Gibt es also überhaupt eine Strategie, um diesem Land den lang ersehnten Frieden zu bringen? Eine Frage, die sich kaum beantworten lässt.


    Vor dem Hintergrund dieser brisanten politischen Situation spielt der Debütroman von Heinrich Dieter Neumann, selbst ein ehemaliger Offizier der Bundeswehr. Sein Protagonist, Johannes Clasen, wird beschuldigt, bei einem Einsatz in Afghanistan zwei Kinder getötet zu haben. Aufgrund einer kongraden Amnesie besitzt Johannes allerdings keine Erinnerung mehr an den Vorfall. Von Selbstzweifel zerfressen, möchte Clasen bei einem Segelausflug auf der Ägäis zu neuen Kräften kommen. Was als erholsamer Urlaub in der Türkei beginnt, wird jedoch schnell zu einem Wettlauf gegen den Tod. Mehrere Auftragsmörder sind ihm auf den Versen und nun muss Johannes nicht nur herausfinden, was bei seinem Einsatz in Afghanistan wirklich geschehen ist, sondern auch noch das Killerkommando abwehren.


    Johannes Clasen ist eine gebrochene Persönlichkeit. Sein Selbstvertrauen ist quasi nicht mehr vorhanden, Depressionen plagen ihn. Ohne Tabletten kann er kaum mehr als einen Tag schmerzfrei leben. Und immer wieder stellt er sich die Frage, ob er wirklich die Kinder in Afghanistan getötet hat. Von offizieller Seite wird der Vorfall als Kollateralschaden bezeichnet, doch diesem Euphemismus will sich Johannes nicht beugen.


    Die Hilflosigkeit von Johannes manifestiert sich besonders eindrucksvoll an einem zunächst trivial anmutenden Ereignis: Johannes entdeckt auf seinem Segelboot eine streunende Katze, wie es sie an den Küsten und Häfen der Ägäis zu Tausenden gibt. Johannes nimmt sie auf und fortan begleitet die Katze ihn bei seiner Segeltour. Doch schon bald merkt man, dass Johannes mehr in dem Tier sieht. Für ihn ist diese Katze die Chance auf einen Neuanfang. In seinem Drang, Verantwortung zu übernehmen, personalisiert Johannes die Katze und versucht sie krampfhaft zu beschützen. Dieses Verhalten geht weit über Empathie hinaus: Johannes ist vom Altruismus besessen, er neigt zum egoistisch motivierten Hilfeverhalten. Johannes sieht in der Katze eine neue Chance, die Rolle des Beschützers zu übernehmen. Denn genau das ist ihm scheinbar bei den Kindern in Afghanistan nicht gelungen...


    Neben der psychologisch ausgefeilten Charakterzeichnung von Johannes Clasen besticht „Die Narben der Hölle“ vor allem durch die eindringlich geschilderten Ereignisse in Afghanistan. Wir erleben einen Warlord und Opiumhändler, der zusammen mit seiner Privatarmee eine Entführungsaktion gegen die Bundeswehr plant. Verrat und Intrigen prägen diese Vorbereitungen, sowohl auf Seiten des Warlords als auch bei der Bundeswehr vor Ort ist bei näherer Betrachtung nichts so wie es zunächst den Anschein erweckt. Eine treffende Anspielung auf das politisch instabile Afghanistan.


    Ganz ohne Längen kommt das Buch aber nicht aus, besonders im Mittelteil sind die Beschreibungen der Segeltour von Johannes fast schon zu ausführlich geraten. Auch das Ende ist etwas zu „glatt“ geworden und will nicht so recht zum hervorragend unkonventionellen ersten Drittel des Buches passen. Letztendlich sind das allerdings Kleinigkeiten, welche die Lesefreude keinesfalls beeinträchtigt.


    Fazit: Mit „Die Narben der Hölle“ ist Heinrich Dieter Neumann ein hervorragendes Debüt gelungen. Abseits vom ewig gleichen Einheitsbrei der Bestsellerlisten setzt der Autor auf psychologisch eindringliche Charakterzeichnungen und subtile Kritik am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Ein heikles Thema – und gerade deswegen sollte es viel mehr Bücher dieser Art geben!


    8.5 von 10 Punkte

  • Afghanistan - ein Land, welches mir primär durch die Nachrichten bekannt war, eher im negativen Sinne. Bücher mit politischem Hintergrund? Och nö, nichts für mich...Bisher.
    Dieter Neumanns Stil gefiel mir ( ich durfte anderweitig eine Kostprobe davon hören ), daher beschloss ich, dem Buch eine Chance zu geben, Neuland zu betreten.
    Und es sollte sich lohnen.
    Denn ich bin beinahe durch das Buch hindurch gerast, nur die Müdigkeit war Schuld, dass ich es dann doch in zwei Etappen gelesen habe.
    Der Autor versteht es nämlich seine Leser bei der Stange zu halten, denn das Buch ist spannend durch und durch! Wir lesen die Geschichte von Johannes Clasen, welcher nach einem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan unter kongrader Amnesie leidet, der zu einem Segeltörn in der Ägäis aufbricht und dort von Unbekannten verfolgt wird.
    Die Geschichte spielt anfangs in drei, dann in zwei wechselnden Erzählsträngen, welche gekonnte erzählt sind. Man bekommt den Eindruck, der Autor habe sehr gründlich recherchiert und wenn man einen Blick in seine Vita wirft erkennt man, das er sich auf sicherem Terrain bewegt. Er weiß wovon er schreibt.
    Diese Geschichte ist spannend von Anfang bis Ende und vereint alle Komponenten, welche für mich ein gutes Buch ausmachen: Gute Recherche, Spannung, lebhafte greifbare Figuren,Atmosphäre, ordentlich ausgearbeitete Erzählstränge welche am Ende schlüssig und logisch zusammen geführt werden.
    Ich wurde hier wahrhaft gut unterhalten und freue mich ( hoffentlich bald ) mehr aus der Feder von Dieter Neumann zu lesen.

  • Ich habe das Buch vor ein paar Tagen zu Ende gelesen. Aus akutem Zeitmangel habe ich allerdings darauf verzichtet, zu den einzelnen Passagen der Leserunde zu posten und schreibe jetzt nur eine Rezension.


    Ich bin ein bisschen zwiegespalten, was das Buch angeht. Die Thematik hat mich sehr neugierig gemacht, da ich mit Alex Bergs "Marionette" schon ein wirklich gutes Buch dazu gelesen hatte. Außerdem war ich sehr gespannt, wie sich der Inhalt des Buches mit meinen Annahmen zu Afghanistan decken bzw. wie er sich unterscheiden würde.


    Zum Inhalt wurde schon so viel geschrieben, dass ich das mal weglassen werde. Mir hat die Zeichnung der Hauptfigur gut gefallen. Johannes Clasen nehme ich so ziemlich alles ab. Er ist für mich eine authentische Figur, die unglaublich problembehaftet ist.


    Der Leser bekommt Einblicke in ein sehr heikles Thema. Afghanistan ist aus so vielen Gründen sehr spannend. Leider hatte ich an einigen Stellen das Gefühl, dass die Beschreibungen ein bisschen zu stereotyp waren. Arter hat es schon angesprochen. Auch ich hätte gern ein bisschen mehr dazu erfahren und auch ein bisschen präziser. Da ich zu diesem Thema mal an einem Seminar teilgenommen habe, weiß ich, dass Afghanistan durchaus unglaublich vielschichtig ist. Mir ist zwar auch klar, dass das den Umfang des Buches übersteigen würde, aber trotzdem wäre ein bisschen mehr schön gewesen.


    Die ersten 2/3 des Buches habe ich als recht spannend empfunden. Auch bedingt durch Orts- und Zeitwechsel wurde Spannung aufgebaut, die aber nicht bis ins letzte Drittel getragen werden konnte. Vor allem gegen Ende war mir die Geschichte ein bisschen zu langatmig und konnte mich am Ende dann nicht mehr ganz so überzeugen wie der Anfang.


    Alles in allem gebe ich diesem Buch 7 Punkte. Der Schreibstil hat mir gefallen, auch wenn es mir häufig ein wenig zu bildgewaltig war. Weniger wäre mir da lieber gewesen, aber das ist Geschmackssache. Das nächste Buch des Autors würde ich aber sicher wieder in die Hand nehmen. :wave

  • Ich habe das Buch in der Leserunde gelesen und bin begeistert. Spannung von der ersten bis zur letzten Seite.


    Ein sehr brisantes Thema um das es sich hier dreht. Man erfährt sehr viel über Afghanistan und die Menschen dort. Auch über unsere Soldaten die dort im Dienst sind bekommt man einen Einblick.


    Durch die geniale Schreibweise wird die Spannung von Kapitel zu Kapitel immer mehr gesteigert.


    Ein unglaublich spannendes Buch, das von mir die vollen 10 Punkte bekommt.


    Viele Grüße :wave

  • Neumanns Erstling hat mir gut gefallen. Die Sprache und der Handlungsverlauf sind gefällig, der Plot ist interessant und das Thema brandaktuell. Hier schreibt jemand, der weiß, worüber er schreibt und das sickert im Verlauf der Handlung immer wieder durch. Manchmal dachte ich, dass die handelnden Personen etwas stärker akzentuiert sein könnten, aber das muss nicht sein, denn für eine 290 Seiten Story reicht das aus und Corinna, Karen & Co. können durchaus in der Fantasie des Lesers nachreifen.


    Aber zwei Fragen habe ich mir dann doch gestellt. Johannes ist zwar ein Vorzeigestaatsbürger in Uniform, doch zweifle ich, ob er den Killer (S. 112f) tatsächlich nur mit einem Sprung kampfunfähig machen wollte. Ich war zwar nur ein mittelmäßig korrekter Staatsbürger in Uniform, doch ich hätte sofort versucht, den Killer mit dem Küchenmesser außer Gefecht zu setzen, vor allem deshalb, weil draußen noch ein zweiter lauert. Wenn es ums eigene Überleben geht, macht ein Soldat keine Gefangenen – so etwas gibt es meines Erachtens nur in der Gutmenschenphantasie, aber ich kann mich irren.


    Zweitens zweifle ich, ob der Warlord wirklich versuchen würde, den scheinbaren Mörder seines Sohnes zu liquideren. Der Warlord hatte sich auf die riskante Geiselnahme eingelassen und er wusste, dass man alles in Bewegung setzen würde, um die Geiseln zu befreien. Dass es bei einer Geiselbefreiung zu Schießereien und Toten kommen könnte, ist wohl logisch. Und dass sein eigener Sohn dabei draufgehen könnte, wohl auch. Und überhaupt, dass die ganze Geiselbefreiung zum Himmel stinkt (wo kamen die Kinder her?), hätte ein intelligenter Warlord, so wie er geschildert wird, sofort wissen müssen. Ich glaube nicht, dass er bereit gewesen wäre, einen der gegnerischen Soldaten ermorden zu lassen, der im Grunde nur seine Pflicht getan hat. Aber ich kenne die Denke der Warlords nicht, also kann ich mich irren.


    Hervorragend gefällt mir, dass klar wird, dass die deutsche Politik total versagt hat. Man kann nicht in den Krieg ziehen und seine Soldaten nur mit Platzpatronen ausrüsten. Man darf nicht so naiv sein, zu glauben, dass Staatsbürger in Uniform etwas besser könnten, woran Jahre zuvor schon russische Soldaten gescheitert sind.


    Insgesamt ein guter Polit-Thriller, 7 bis 8 Punkte!