Wovon wir träumten - Julie Otsuka

  • Kurzbeschreibung



    Mit leiser Wehmut, vielen Fragen und großen Hoffnungen im Gepäck überqueren sie den Ozean: junge Japanerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verlassen, um in Kalifornien japanische Einwanderer zu heiraten. Bis zu ihrer Ankunft kennen die Frauen ihre zukünftigen Männer nur von den strahlenden Fotos der Heiratsvermittler, und auch sonst haben sie äußerst vage Vorstellungen von Amerika, was auf der Schiffsüberfahrt zu wilden Spekulationen führt: Sind die Amerikaner wirklich behaart wie Tiere und zwei Köpfe größer? Was passiert in der Hochzeitsnacht? Und vor allem: Wartet jenseits des Ozeans die große Liebe?
    In eindringlichen, so präzisen wie poetischen Worten schildert der Roman die unterschiedlichen Schicksale der Frauen: wie sie in San Francisco ankommen (und in vielen Fällen die Männer von den Fotos nicht wiedererkennen), wie sie ihre ersten Nächte als junge Ehefrauen erleben, Knochenarbeit leisten auf den Feldern oder in den Haushalten weißer Amerikaner, wie sie mit der fremden Sprache und Kultur ringen, Kinder zur Welt bringen (die später ihre Herkunft verleugnen) - und wie sie nach Pearl Harbor erneut zu Außenseitern werden.



    Über die Autorin:


    Julie Otsuka, Jahrgang 1963, aufgewachsen in Kalifornien, studierte an den Universitäten von Yale und Columbia, wollte zunächst Malerin werden und veröffentlichte 2002 ihren ersten Roman When the Emperor Was Divine. Ihr zweiter Roman, Wovon wir träumten, war 2011 unter den Finalisten für den National Book Award; 2012 gewann er den PEN/Faulkner Award.
    Julie Otsuka lebt in New York City.



    Meine Meinung:


    Die Schriftstellerin erzählt in diesem Buch die Geschichte junger japanischer Mädchen und Frauen die Anfang des 20. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert sind, um dort ihre zukünftigen Ehemänner zu treffen. Es wird hier nicht über Einzelschicksale berichtet, sondern die Autorin läßt "sie" alle erzählen. Das ist auch das Besondere an diesem Buch. Die vielen Schicksale sind mir sehr nahe gegangen, trotz der zum Teil nüchternen Sprache, aber vielleicht auch gerade deswegen. Einige Passagen sind auch sehr poetisch.


    Besonders der Teil, der von Pearl Harbor und die Auswirkungen auf die japanischen Einwanderer berichtet, hat mir sehr erschüttert. Über dieses Kapitel der amerikanischen Geschichte war mir nichts bekannt. Nach dieser Lektüre werde ich mich aber mehr mit diesem Thema befassen.


    Ich wünsche diesem Buch ganz viele Leser. Von mir bekommt es 10 Punkte!

  • Wundervoll! Das war mein Überraschungsbuch des Monats. Sehr eindrückliche Sprache, fast poetisch, sehr mitreißend, melancholisch, nachdenklich. Dieses Buch hat mich sehr bewegt. :anbet


    Vorallem die Art und Weise, wie die Autorin erzählt, nicht aus Sicht einer Frau oder aus mehreren Sichtweisen, einzeln dargestellt, sondern aus Sicht aller Frauen, manchmal eine Aneinanderreihung verschiedener Alternativen je nachdem was erlebt wurde, fand ich spannend und neuartig. Dieser Stil hat mir in diesem Kontext sehr gut gefallen. Diese Art macht für mich dieses kleine Buch zu etwas sehr Besonderem, was ich in der Weise noch nicht kannte.


    Es ist sehr dünn und dafür recht teuer, meiner Meinung nach - aber es lohnt sich auf jeden Fall. Auf der Verlagshomepage ist eine Leseprobe (pdf) zu dem Buch, bei der man auch sofort den besonderen Schreibstil erfassen kann.


    Ich gebe ebenfalls 10 Punkte.

  • So sehr ich meine Vorschreiberinnen schätze, so sehr kann ich nach gut einem Drittel der Lektüre ihre excellente Bewertung nicht nachvollziehen.
    Julie Otsuka pflegt einen äußerst gewöhnungsbedürftigen Schreibstil; die Figuren bleiben bislang gesichts- und namenlos, u.a. auch weil die Schicksale in Pluralform geschildert werden. Als besonders anstrengend empfinde ich das offensichtlich bewusst eingesetzte Stilmittel des wiederholten Satzanfangs; teilweise bis zu fünfmal, der sich nicht durch eine besondere Originalität auszeichnet und keine Verstärkerwirkung entfaltet.
    Eine abschließende Rezension erfolgt nach Beendigung der Lektüre.

  • Mir hat das Buch ebenfalls sehr gut gefallen, gerade das Aufgehen der einzelnen Schicksale in ein "Wir" war neu und irgendwie berührend. Die Identität der "Erzählerin" wechselt irgendwann von den Japanerinnen hin zu den Nachkommen, später sogar zu den Amerikanern, die zurück bleibn, als nach Pearl Habour die großen Umsiedlungen kamen. Insgesamt ein dünnes, aber sehr überzeugendes Buch, dass für mich mehr Reportage und Biographie ist, als ein bloßer Roman. Ich glaube, die in kursiver Schrift gesetzten Texte sind Zitate befragter Frauen. Der Roman erlaubt es in dieser Form, viele Einzelschicksale zusammen darzustellen, ohne sich auf eine oder wenige Frauen zu konzentrieren, die zwar exemplarisch wären, andere Lebensläufe aber verschwinden lasen würden. (Puh, Was für ein Satz, ich hoffe er ist dennoch verständlich.) Ich bin überrascht, wie gut ich damit klarkomme, keine klar umrissenen Bezugsperson zu haben.

  • Mir ist dieses Buch in die Finger gekommen, als ich mal wieder an einem Flughafen auf der Suche nach Lesestoff war. Ich habe daher die englische Version aus dem Penguin Verlag erwischt. Der Originaltitel lautet 'The Buddha in the Attic' (Der Buddha auf dem Dachboden) was sich beim Lesen als Zitat aus dem Buch herausgestellt hat.


    Sehr interessant ist die Technik, die Gruppe der eingewanderten, japanischen Frauen, insgesamt erzählen zu lassen, ohne Individuen herauszustellen. Das ist erstmal etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich kam schnell damit klar. Man kann sich die einzelnen Schicksale ausmalen, auch wenn man keine Einzelperson damit identifizieren kann. Einige haben Glück, einige nicht, wie es so bei Einwanderern ist.


    Auch mir war die Umsiedlung der Japaner und auch der Amerikaner mit japanischen Wurzeln (wer in Amerika geboren ist, hat automatischen einen US Pass) von der Westküste, also der japannahen Küste, in die Mitte der Vereinigten Staaten nicht bekannt gewesen. Ein interessanter Aspekt für ein Land, dass sehr auf die Freiheit seiner Bewohner pocht.


    Ein interessantes, informatives und ungewöhnliches Buch.

  • Wovon wir träumten - Julie Otsuka


    Die bewegende Geschichte einer Gruppe von Frauen auf einer Reise ins Ungewisse ...
    Mit leiser Wehmut, vielen Fragen und großen Hoffnungen im Gepäck überqueren sie den Ozean: junge Japanerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verlassen, um in Kalifornien japanische Einwanderer zu heiraten. Bis zu ihrer Ankunft kennen die Frauen ihre zukünftigen Männer nur von den strahlenden Fotos der Heiratsvermittler, und auch sonst haben sie äußerst vage Vorstellungen von Amerika. Die Überfahrt wird zu einer seltsamen, oft traumartigen Passage zwischen zwei Welten - und die Ankunft in Amerika zu einem abrupten Erwachen in der Fremde, in der kaum etwas so ist wie erwartet ... (Quelle, buecher.de)



    Die Autorin


    Julie Otsuka, geboren 1962 in Kalifornien, lebt heute in New York City. 2002 erschien in den USA ihr Debütroman »When the Emperor Was Devine«. Sie war Guggenheim-Stipendiatin und wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. »Wovon wir träumten« ist ihr zweiter Roman und der erste, der auf Deutsch erscheint. Er wurde 2012 mit dem PEN / Faulkner Award ausgezeichnet.


    Pressestimmen


    »Die japanisch-amerikanische Autorin Julie Otsuka hat ein hinreißendes Buch geschrieben.« (Susanne Mayer in der ZEIT)
    »Von der ersten Seite an berührt der Roman das Herz. Und am Ende hat man es tatsächlich verloren, an diese Frauen, an dieses Buch, das bei aller Härte nie seine federleichte Sprache verliert. Immer poetisch bleibt, auch wenn es dramatisch zugeht. Es ist wie Zauberei, was die Autorin mit der Sprache macht. ... Ein wunderbares Buch.« (Christine Westermann auf WDR 2)


    »Julie Otsuka hat die wundervolle Gabe, in einem einzigen Satz eine ganze Geschichte zu entfalten. Am Besten liest man es einfach, und genießt.« (Spiegel Online)
    »Eine leise Chronik der unzerstörbaren Hoffnungen.« (stern)


    »Julie Otsuka hat die Geschichte dieser Picture Brides in ihrem Roman ganz wunderbar erzählt.« (Brigitte)
    »Hier ist ein absolutes Kunststück gelungen.« (Deutschlandradio Kultur)


    »Weil Julie Otsuka die Frauen im Chor sprechen lässt, erklingt ein vielstimmiges Lied. Ein Lied vom Leid der Frauen. Zeitlos bis heute.« (Brigitte WOMAN)


    Inhalt


    Der Roman erzählt die Geschichte von vielen jungen Japanerinnen, die sich kurz nach dem ersten Weltkrieg, Anfang des 20. Jahrhunderts mit Hilfe von Heiratsvermittlern auf den Weg nach Amerika machen. Sie hoffen und träumen von einem besseren Leben fernab der Heimat. Ihre Ehemänner kennen sie ausschließlich von Fotos die sie durch die Heiratsvermittler bekommen haben. Es sind gut aussehende junge Männer mit dunklen Augen, vollem Haar und makelloser Haut. Einige von ihnen stehen im edlen Gehrock, vor Holzhäusern mit weißem Lattenzaun oder einem neuen Auto. Und allesamt sind sie ebenfalls ehemalige Einwanderer die es in den USA geschafft haben ihrem einstigen ärmlichen Leben in Japan Lebewohl zu sagen und nun eine Frau suchen. Zu den Fotos gab es auch verführerische Briefe.


    Ich habe ein schönes Haus gekauft. Du kannst Tulpen pflanzen, Osterglocken. Was immer du willst. Ich besitze eine Farm. Ich führe ein Hotel. Ich bin der Vorsitzende einer großen Bank. Ich habe Japan vor mehreren Jahren verlassen, um meine eigene Firma zu gründen, und kann gut für Dich sorgen.
    Auf der langen beschwerlichen Überfahrt die drei Wochen dauern sollte, beginnen die Mädchen nun zu träumen von ihrem neuen Leben. Werden sie ihren Ehemännern gerecht? Würden sie ihnen gefallen?`Werden sie die Männer lieben? Wie wird das erste mal sein? Wie wird es sich leben in so einem großen Haus? Sind die Sitten und Gebräuche dort tatsächlich anders als in Japan? Hoffnungen, Ängste, Heimweh und Sorgen plagten die jungen Frauen von Tag zu Tag. Nachdem sie nun endlich das Pier erreichten, war der Schock für die Mädchen groß, als sie mit der Realität konfrontiert wurden. Das Leben der jungen Japanerinnen entwickelt sich zu einer harten Lebensprobe voller Enttäuschungen, Qualen und Opfer, die sie bringen um nicht wieder zurückgeschickt zu werden und obwohl ihr bleiben auch ein harter Kampf ums Überleben darstellt, geben sie bis zum Schluss nicht auf. Lebensabschnitt um Lebensabschnitt schlängelt sich nun das traurige Schicksal der einstigen unschuldigen Mädchen durch das Buch.


    Meinung


    Mit „Wovon wir träumten“ hat Julie Otsuka in der Tat ein wahres Meisterwerk geschaffen. Es ist ein Roman der mich sehr berührt und nachdenklich gemacht hat. Die Geschichte wird in Wir-Form erzählt. Ich habe noch nie ein Buch gelesen in der es nicht mindestens einen Protagonisten gibt um den sich die Handlung dreht. In diesem Roman erfahren wir, ohne wirklich Namen genannt zu bekommen, gleich mehrere wenn nicht hunderte von Schicksalen. Zwar wird man zu Anfang des Buches mit mehreren Namen von Mädchen bombardiert, sowie auch die Ortschaften aus denen sie kommen, aber das ist kein wesentlicher Bestandteil der Geschichte. Ich bin mir nicht sicher ob ich diesen Schreibstil mag. Sicherlich wäre es reine Verschwendung gewesen hätte man sich ausschließlich eine Protagonistin herausgepickt und ihre Geschichte erzählt. Vermutlich wäre das Buch nicht ganz so emotionsgeladen geworden und nicht zu Letzt, hätte man nie erfahren mit welchen Grausamkeiten die Frauen damals noch alles konfrontiert wurden, als lediglich eine Person. Ich persönlich mag es wenn mich eine oder mehrere Protagonisten so sehr fesseln das ich eine Sympathie oder Antipathie entwickle. Das klappt trotzdem bei „Wovon wir träumten“, denn trotz der Mehrzahl an Schicksalen baut man eine gewisse Nähe zu den Frauen auf ohne sie zu fälschlicherweise zu bemitleiden. Obgleich es einem Leid tut was ihnen widerfährt. Die Autorin besitzt einen gefühlvollen Schreibstil, der unter die Haut geht. Anfangs dachte ich noch das 160 Seiten mal eben schnell gelesen sind. Ein Buch für quasi Zwischendurch. Weit gefehlt, wie ich selbst erfahren musste. Vieles von den schrecklichen Gegebenheiten muss man erst einmal verdauen oder sacken lassen. Und wenn man irgendwann denkt, jetzt haben sie es geschafft sich als Außenseiter in dem fremden Land ein wenig zu etablieren, kommt der japanischen Angriff auf die Flotte Pearl Harbour. Ich kann dieses fantastische Buch wirklich nur jedem empfehlen.