Silvia Pistotnig - Nachricht von Niemand

  • Klappentext


    Es ist mir egal wie Sie aussehen, ich beobachte Sie nicht, ich schleiche nicht um Ihr Hause herum, ich weiß nicht, wo Sie wohnen, es spielt keine Rolle. Ich will nur schreiben und irgendwann vielleicht von Ihnen lesen, einen Buchstaben, drei Worte, einen Satz. Ich stelle Ihnen keine Fragen, ich will nicht wissen wie alt sie sind, was Sie beruflich tun, ich interessiere mich für das, was Sie mir sagen wollen. Nicht mehr und nicht weniger. Und wer immer ich auch bin, für Sie bin ich der, den Sie sich vorstellen. Alles andere kommt mit der Zeit....


    Über die Autorin


    Silvia Pistonig, geboren 1977 in Kärnten, lebt in Wien. Studium der Publizistik und Politikwissenschaften, arbeitet als Redakteurin. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Fotobänden. Erhielt zweifach das Arbeitsstipendium für Literatur des Bundeskanzleramtes.


    Details zum Buch


    Ersterscheinung: 2010
    Verlag: Skarabeus
    Seiten: 236


    Eigene Meinung


    Von: noone@hotmail.com an alleswirdbesser@gmx.at
    19.März 2009 01:11:31


    Guten Tag alleswirdbesser,
    dieses Mail mag Ihnen verrückt erscheinen, aber ich habe Ihre Adresse in einem Verteiler entdeckt und seitdem muss ich immer daran denken. alleswirdbesser@gmx.at und ich weiß, es ist nicht so gemeint, aber es hat mich so berührt, aus irgendeinem Grund und nun schreibe ich Ihnen. Einfach so und ich hoffe, dass Sie mir antworten.

    (Seite 5)


    Als Luise, genannt Lu, diese Email in ihrem Posteingang findet, ist sie zunächst völlig verunsichert. Eine Werbeaktion? Ein dummer Witz? Spam? Eine neue Virusart, die sich sogar über Textnachrichten verbreitet? Vorsichtshalber löscht sie die Nachricht, kontrolliert jedes Programm und speichert ihre Diplomarbeit auf einem USB Stick.
    Doch dieser, folgen schon bald weitere Nachrichten des Unbekannten. Zunächst noch misstrauisch, wächst Lu's Neugierde sehr schnell und sie antwortet auf eine der Emails. Doch wer jetzt einen klassischen Emailroman erwartet, liegt falsch. Die Nachrichten sind lediglich in die Beschreibung von Lu's Alltag eingebettet.
    Nebst Jobsuche, der Beziehung mit Erich - einem geschiedenen Anwalt- und den Problemen mit ihrer Familie und ihren Freunden, versucht Lu ihre Vergangenheit aufzuarbeiten: Geboren von einer psychisch kranken Frau, wachsen Lu und ihre Schwester Marion in einer betreuten WG auf. Der Vater hat die Familie verlassen, die Großeltern konnten und wollten die Kinder nicht großziehen.
    Der Emailkontakt zwischen Noone und Lu wird immer intensiver, immer mehr wird preisgegeben und schon bald hat Lu beinahe jeden ihrer Freunde und Bekannten als Absender der Nachrichten in Verdacht. Doch wer der unbekannte Schreiberling ist, erfährt der Leser erst, als es ganz am Ende zu einem Treffen der Beiden kommt. Und mit diesem Ende rechnet wohl niemand.


    Man mag denken, dass es nur eine weiterer Liebesroman ist. Eine Kopie von Daniel Glattauer's "Gut gegen Nordwind' und "Alle sieben Wellen". Doch weit gefehlt. Dieser Roman ist umso viel vielschichtiger und ernsthafter. Neben Lu's Alltag werden auch aktuelle politische Themen, der "Wiener Tod" und vieles mehr thematisiert.


    Mir hat dieser Debütroman von Silvia Pistotnig sehr gut gefallen. Die zum Teil sehr poetischen Emails von noone wechseln sich mit den frecheren Antworten von Lu ab und beide regen zum Nachdenken an.
    Zwei kleine Abzüge gibt es für den Preis - 19 Euro sind für ein Taschenbuch doch recht viel - und den anfangs etwas gewöhnungsbedürftigen Stil. Es ist im typischen österreichisch geschrieben. Und obwohl ich selbst in Wien lebe, war es doch ungewöhnlich sich plötzlich an Plätzen wiederzufinden, an denen auch Lu gerade war. In den selben Geschäften einzukaufen und im selben Kaffeehaus zu sitzen. Nicht unbedingt ein Nachteil - nur gewöhnungsbedürftig.


    Ich gebe dem Buch jedenfalls 8 Punkte.


    Leseprobe


    Von noone@hotmail.com an alleswirdbesser@gmx.at
    21.März 2009 01:42:21


    Sie haben doch alleswirdbesser@gmx.at nicht zufällig ausgewählt. Erlauben Sie mir also bitte, Ihnen zu schreiben. Es genügt schon zu wissen, dass Sie da sind - jemand zumindest von mir weiß, von mir Notiz nimmt.
    Es ist Nacht, alles ist ruhig, aber nicht für mich. Ich höre soviel. In der Nacht herrscht keine Stille, in der Nacht ist es viel lauter, viel lauter als sonst, jeder Schritt auf der Straße und jedes Auto, sie machen einen Höllenlärm und oft reden Leute. Sie reden miteinander, ganz knapp unter meinem Fenster, ich will sie nicht hören, ich will sie alle nicht hören, sie sollen mich nicht stören in meiner stillen ruhigen Einsamkeit.......