Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 - Paul Nizon

  • Verlag: Suhrkamp
    Gebundene Ausgabe: 375 Seiten
    2012


    Kurzbeschreibung:
    1961, vor jetzt 50 Jahren, begann Paul Nizon, seine Journale zu führen. Täglich notiert er dort, was ihm wichtig ist, und hält so die Wahrnehmung auf sich und die Welt wach. Was als Alltagsprotokoll, Autobiographie und Werkstattbericht begann, hat sich längst zu etwas Eigenständigem ausgewachsen, zur anderen Seite von Paul Nizons Werk. Vier Journale sind bislang erschienen, und von Buch zu Buch ist mehr offenbar geworden, dass sich hier jemand sein Leben erschreibt, seinen Lebensroman erfindet. In Urkundenfälschung, dem Journal über die Jahre 2000 bis 2010, finden sich berückend-schöne Alltagsbeobachtungen und Erzählungen, hellsichtige Porträts von Schriftstellern und Zeitgenossen, erschreckende Traumsequenzen und euphorisierende Stadtminiaturen, die einem zum sofortigen Aufbruch verlocken. Wir verfolgen mit, wie der Roman »Das Fell der Forelle Gestalt« annimmt, und lesen über seine Scheidung, die wie eine Naturkatastrophe erlebt wird. Wir erfahren in dieser »grandios-rigorosen Tagebücherei«, die »frei, wild, zart, in eigener Sache, aber zeitdurchtränkt« daherkommt, unendlich viel über das Handwerk des Schreibens und über den »Reichtum des Lebens« – in einer Sprachintensität und Unmittelbarkeit ohnegleichen.


    Über den Autor:
    Paul Nizon, geboren 1929 in Bern, lebt in Paris. Für sein Werk, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde, erhielt er zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen.


    Mein Eindruck:
    Paul Nizon hat jetzt schon einige Journale veröffentlicht, die in den Sechzigern begannen und jeweils immer einige Jahre umfassen. Ich habe alle mit Interesse gelesen. Mit diesem Band, dass die Jahre 2000 bis 2010 umfasst, ist er praktisch in der Gegenwart angekommen.


    Das Journal Urkundenfälschung ist tagebuchartig, aber doch stark durchsetzt von Gedanken, Erinnerungen und Selbstreflexionen, die die Eintragungen zur Literatur machen.
    Durch die Auswahl gestalten Herausgeber Wend Kässens, der auch das Nachwort geschrieben hat, und Paul Nizon das Buch.


    Erstaunlicherweise denkt Nizon die ganze Zeit an seine alten Bücher, insbesondere seine großen Erfolge Canto und Das Jahr der Liebe.
    Eigentlich erwähnt Nizon alle seine Bücher: von den gleitenden Plätzen, das Haus, Im Bauch des Wals, Stolz, Hund, Untertauchen…
    Seinem Freund Elias Canetti widmet Paul Nizon einige Abschnitte. Er erwähnt auch Thomas Bernhard, Norbert Gstrein und seinen Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld. Verständlich seine Verstörung bei Unselds Tod.
    Mit lebenden Autoren vergleicht Nizon sich fast nur mit Peter Handke.
    Ansonsten sieht er sich als Außenseiter im Literaturbetrieb.


    Es ist auch interessant, wie Nizon selbst mit Lesen, Kinofilmen, Musik und Kunst (z.B. Van Gogh) umgeht. In diesen Jahren las er James Joyce Ulysses, Claude Simon, Ralf Rothmann, Balzac, Sartre, Tschechow, Nabokov, Henry James, Hemingway und vor allen schätzt er Robert Walser. Er sieht Filme von Abel Ferrera, David Lynch, neorealistische Filme der sechziger. Besonders fasziniert ihn Fellinis Dolce Vita.
    Zu dieser Auflistung spüre ich ebenfalls eine Affinität.


    Wenn ich ein Fazit von diesem Buch ziehen sollte, dann das es durch Nizons kontinuierliche Selbsterforschung seines Werkes zu einem eigenen, geschlossen Literaturuniversum wird.
    Ein Buch für Leser, die keine große Handlung erwarten, sich aber dafür interessieren, wie intensiv sich so ein Schriftstellerleben gestaltet.


    ASIN/ISBN: 351842260X